Hey, bei mir wurde erst sehr spät ADHS diagnostiziert und ich war immer Klassenbeste. Ich habe ein sehr gutes Abitur gemacht und studiere jetzt erfolgreich Medizin. Promoviere auch bald. Ich frage mich gerade, ob es sein kann, dass wenn es die ganze Zeit nicht aufgefallen ist, an meinem hohen IQ liegen könnte. Ich war sogar in Therapie und in der Psychiatrie, wegen Magersucht und da ist es nicht aufgefallen, obwohl die Klinik auf ADHS spezialisiert ist…was ist das? Wie konnte das den Leuten durch die Lappen gehen??
Hi @lolita und herzlich Willkommen!
„sehr spät“ diagnostiziert ist relativ. Im Vergleich zu einigen anderen (einschließlich mir) bist Du eher eins der Küken hier, wenn Du gerade studierst.
Ein hoher IQ ermöglicht es, die Auswirkungen von ADHS intuitiv zu kompensieren. Das kostet aber Energie, die für anderes nicht mehr zur Verfügung steht. Du kannst Dein kognitives Potenzial nicht so ausschöpfen, wie es ohne ADHS möglich wäre.
Irgendwann „kippt“ das Ganze, weil die Energiereserven nicht mehr reichen. Die Kompensation klappt nicht mehr und ADHS wird „sichtbar“. Bei einem geht es schneller, bei anderen dauert es länger.
Gerade die Kombi weiblich + sehr intelligent + ADHS wird oft übersehen - insbesondere, wenn andere Erkrankungen dazu kommen. Dann liegt der Fokus der Behandlung auf dem Offensichtlichen, aber nach einer möglichen Ursache dafür wird nicht mehr gesucht.
Dass Abi + erfolgreiches Studium ADHS nicht ausschließen, wissen leider auch noch nicht alle Ärzte. Es ist wirklich gruselig, wenn man hier liest, welch „verstaubte“ Ansichten manche Ärzte noch haben.
Bleibt zu hoffen, dass es die nächsten Generationen von Ärzten besser machen. Viel Erfolg und alles Gute!
Kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen. Schule und zwei Studien mit Auszeichnung/Sehr Gut absolviert. Architektenkammermitglied. - Trotz Angst und Depressionen.
Erst mit knapp 50 dann Burnout und Diagnose. Es kann jetzt nur noch besser werden .
Hi Lolita,
Gratuliere dir zu deinen bisherigen Erfolgen! Ganz toll gemqcht!
ich bin sehr spät diagnostiziert - 57.
Meine Psychiaterin, die eine AdhsSpezialistin ist, hat deine Vermutung mir gegenüber so bestätigt:
Ich habe trotz Adhs sehr viel im Leben erreicht - aber ich habe so viele seltsame Zusatzerkrankungen entwickelt, tlw in schon recht jungen Jahren: mehrfache Arthrosen, Allergien, extrem früher Wechsel mit 42, Hormonschwankungen mit Mitte 20, mittlerweile langjährige Belastungsdepression, chron. Schmerzen, Verdauungsprobleme… usw. Lauter so Sachen, die nerven, die auf zu viel Belastung hindeuten, die mein Körper einfach nicht länger aushält.
Daneben aber eine seit 26 Jahren aufrechte Ehe, drei Kinder, zwei Hunde, zwei Katzen mit Haus und großem Garten, abgeschlossenes Studium und Vollzeitberuf. Das alles hätte ich nie geschafft, wenn ich nicht eine sehr hohe Grundintelligenz hätte (wurde mir auch mit 15 und 18 Jahren diagnostiziert)
Auch mein Studium hätte ich nicht geschafft ohne meine ständige Selbstreflexion, die mich früh hat Kompensationsstrategien entwickeln lassen , ich merke mir alles leicht, was ich höre. Meine Potentiale habe ich früh erkannt, aber diese ständigen Kompensationen haben laut Psychiaterin über die Jahre enorm viel Energie gekostet, sodass ich mich jetzt viel älter fühle als ich eigentlich bin…
Also, mein Fazit: ja, hohe Intelligenz hilft bestimmt, aber Adhs hat seinen Preis, den man vielleicht so wie ich erst später sieht. Letztlich geht es ja im Leben meist um das Entwickeln von Problemlösungsstrategien, wie man mit der eigenen Situation umgeht, dazu muss man sie aber auch kennen und einordnen. Je besser man über etwas Bescheid weiß, umso schneller kommt man ans Ziel. Mit einer Diagnose betrachte ich mich und meine Reaktionen jetztschon anders und beurteile mich vor allem weniger streng
Alles Gute
Das bezieht sich zwar vermutlich auf die langfristige Kompensation, mir kommt es aber tatsächlich oft so vor, als wenn ich das sogar im Tagesverlauf spüren könnte.
Sobald ich aus meinem Morgentran raus bin, habe ich das Gefühl, dass ich mit frischem Kopf noch relativ ok über den Vormittag komme. Vorausgesetzt, der Schlaf war gut und ausreichend.
Ab Mittag kippt das dann meistens recht zügig.
Kennt das noch jemand?
Vielen Dank für die zahlreichen Antworten! Aber es schockt mich, dass es in der ADHS-spezialisierten Klinik nicht aufgefallen ist…wie kann sowas sein…
Mir wurde sogar in den Abschlussgesprächen gesagt, dass durch einen hohen IQ sehr viel nach außen hin ausgeglichen werden kann.
Ein hoher IQ hat aber nichts mit guten schulischen Leistungen oder beruflichen Erfolg zu tun. Das macht es teilweise noch schwieriger ADHS zu erkennen.
Gerade kann ich durch die Hitze nachts eh nicht mehr richtig schlafen und schlafe viel zu lange…
Ja, bestimmt kann das ein hoher IQ, aber ich war 12 Monate in der Psychiatrie. Da kann sowas doch nicht nicht auffallen…
Du hast ja erlebt, dass es leider doch möglich ist.
Den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen…
Den Fokus auf die andere/akute Erkrankung gelegt und nicht über den Tellerrand geschaut…
Letztlich arbeiten auch in Fachkliniken nur Menschen und nicht alle sind gleich qualifiziert. Du bist dort ja anscheinend auch nicht wegen eines ADHS-Verdachts gewesen. Das kann den Ärzten schon mal „Scheuklappen“ aufsetzen. Wenn dann mehrere ungünstige Faktoren dazu kommen, „flutscht“ sowas leider doch durch, bzw. es hat niemand auf dem Schirm, obwohl es eigentlich genau „sein“ Thema ist.
Wie ist es denn jetzt zur Diagnose gekommen?
So wie ich es verstehe, wurde in der Psychiatrie keine ADHS Diagnostik gemacht.
Es gibt tatsächlich viele Störungen, die ohne eine Diagnostik auch Fachpersonal nicht auffallen. Zumal viele spät diagnostizierte Menschen sehr gut maskieren können.
@Goofy
Kann ich genau so unterschreiben. Morgens / Vormittags bin ich mit abstand am denk- / und leistungsfähigsten. Ab Mittag kann es echt schwierig werden bis hin zu nur noch körperlich anwesend.
Ich habe tatsächlich die Strategie entwickelt, anstehende komplexere Dinge entweder Vormittags erledigt oder wenigstens durchdacht zu haben, um Nachmittags nur noch das Machen vor mir zu haben, weil meine Transferleistung dann meist im Keller ist.
Ja genau, alles Anstrengende oder Wichtige versuche ich auch möglichst am Vormittag zu erledigen. Für mich macht das oft den entscheidenden Unterschied.
Würde ich meinen Schlafrhythmus auf Nachteule umstellen und auf einmal bis mittags schlafen, würde wahrscheinlich das absolute Chaos über mir zusammenbrechen .
ist bei mir auch so, zusätzlich bin ich sogar richtig Produktiv zusätzlich mit Elvanse am Morgen. Da räum ich sogar mit Leichtigkeit auf, hätte ich vorher nicht gedacht, in meiner kleinen Welt.
Geht mir auch so! Da schlägt der Stimulanz effekt von Elvanse durch
Ab mittags bin ich immernoch aufgeweckt aber sehr viel ruhiger.
Mein täglicher Reminder: alles mit Pack-an in die Morgenstunden planen und alles mit Bedacht wie Mitarbeitergespräche in die Nachmittagsstunden