Hallo liebes Forum!
Ich bin neu hier, da seit kurzem mit (anaufmerksamen) ADHS diagnostiziert, allerdings bin ich mir immer noch nicht sicht, ob die Diagnose wirklich zutrifft, und wenn doch, wie sie sich insgesamt einreiht. Daher würden mich eure Erfahrungen interessieren.
Ich bin Anfang 30, m, und hätte mir jemand vor einem halben Jahr gesagt, ich könnte ADHS haben, hätte ich die Person wohl für verrückt erklärt. Damals wusste ich aber noch relativ wenig darüber, bzw. mir war nur der hyperaktive Typ bekannt.
Ich beginne mal bei der Kindheit, da dies ja offenbar mitentscheidend für eine Diagnose im Erwachsenenalter ist. In der Grundschule gab es schon ein paar Hinweise, z.B. habe ich ständig Sachen vergessen oder verloren und lies mich leicht ablenken. Ich wusste auch nie meine Hausaufgaben und hätten meine Eltern sich nicht sehr gekümmert, hätte ich weitaus mehr Probleme gehabt. Das hat sich dann im Gymnasium gegeben, vor allem in der Mittel- und Oberstufe. Ich war dann auch sehr gut in der Schule, ohne viel dafür tun zu müssen und war untern den besten Abiturienten meiner Jahrgangsstufe.
Danach habe ich das Studium aufgenommen und hier zeigten sich dann wieder ein paar Merkwürdigkeiten. Die Freiheit, die die Uni mit sich bringt, hat bei mir dazu geführt, dass ich mich mit allem, aber nicht mit dem Studium beschäftigt habe. Ich habe einen Ingenieursstudiengang aufgenommen und hatte ständig irgendein anderes Projek an dem ich gearbeitet habet (z.B. irgendetwas zu programmieren oder konstruieren). Das hat sich auch häufig geändert, ich bin nie länger als ein paar Wochen an einer Sache geblieben, obwohl ich mich jeweils stundenlang, bis in die späte Nacht hinein damit beschäftigt habe. Da ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, musste ich auch nicht besonders viel organisieren was das tägliche Leben anging.
Ich habe zwar meinen Bachelor und Master gemacht, allerdings meiner Meinung nach weit unter meinen Möglichkeiten. Man kann trotzdem noch nicht von großem Leidensdruck sprechen, da ja äußerlich alles einigermaßen normal verlaufen ist. Ich habe es auch geschafft meine Abschulssarbeiten zu schreiben, was mich im Nachhinein erstaunt.
Danach habe ich als Freiberufler gearbeitet, alleine gelebt, und dann begannen die Probleme: ich schob alles auf, was mich nicht interessierte. Ob Rechnungen bezahlen oder Rechnungen stellen, dann auch Arbeit für die Kunden, Wäsche waschen, Wohnung in Ordnung halten. Im Grunde habe ich Dinge erst erledigt, wenn es extrem brenzlig wurde. Auch die Organisationsfähigkeiten sind nicht wirklich vorhanden: wenn ich mehr als eine Aufgabe zu erledigen habe, auch wenn es nur etwas kleines wie das Beantworten einer E-Mail ist, kostet mich das eine ungeheure Energie.
Anfangs dachte ich, ich könnte eine Depression haben, aber für einzelne Dinge (wieder mal Projekte, die ich mir in den Kopf gesetzt habe…) habe ich mich sehr wohl begeistern können und die haben mich auch interessiert. Hierfür habe ich dann Stunden aufgebracht, und die kurze E-Mail, die ich hätte schreiben sollen und die mir viel Ärger erspart hätte, wurde nie abgeschickt.
Nun war ich bei einem Arzt und wurde mit ADHS (inattentive) diagnostiziert. Allerdings hatte ich vorher natürlich einiges darüber gelesen und bin mir im Nachhinein nicht mehr sicher, ob ich mir nicht manches eingeredet habe. Ich habe nichts Unwahres gesagt, aber aus Sorge weiterhin keine Erklärung für meine Defizite zu haben, vielleicht etwas übertrieben. Es war für mich nur so erleichternd, endlich eine andere Erklärung zu haben, als eben einfach faul und ein Chaot zu sein.
Daher würde mich interessieren, wie ihr das seht, da ich immer noch nicht ganz damit klarkomme ADHS haben zu können, obwohl ein Teil von mir sich sogar wünscht dies als Erklärung zu bekommen.