Diagnostik Erwachsene

Hallo,
ich bereite mich grade auf meine Diagnostik vor und bin dabei, die Fragebogen auszufüllen. Ich soll noch einen kurzgefassten Lebenslauf sowie eine ausführlichere Biographie schreiben. Grundschulzeugnisse sollen auch mit dazu.
Nun ist es so, dass die Zeugnisse gut sind, in der schriftlichen Beurteilung steht ausdrücklich … kann sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren, schnelle Auffassungsgabe, hilfsbereit… Es ist nirgendwo ein Hinweis zu finden, im Gegenteil, die Formulierung ist mustergültig. Ich persönlich erinnere mich an ein paar Ereignisse, die auf „Träumen“ und Abgelenktsein hindeuten, aber das könnte man als das normale Maß ansehen, da ich ja tatsächlich null Probleme in der Grundschule hatte.
Nun ist es so, dass für die Diagnose das Vorhandensein in der Kindheit, also bereits in Grundschulalter, Voraussetzung ist. Jetzt frage ich mich:
Soll ich damit überhaupt noch auflaufen zur Diagnose?
Was könnte alternativ die Ursache für die dann im späteren Verlauf der Schulzeit, spätestens im Studium voll vorhandene ADHS Symptomatik sein? Die Symptome von differenzialdiagnostisch vorgeschlagenen Diagnosen habe ich schon grob abgeklopft , da kommt für mich nichts in Frage, jedenfalls nichts, was den ganzen Zeitraum der Symptome abdecken würde.

Muss ich sonst doch der Tatsache ins Auge sehen, dass ich doch bloß undiszipliniert und faul bin/war??

Meint ihr, es macht Sinn, meine Erklärung ( die ich natürlich habe) dafür, dass die Grundschulzeit so unauffällig war, ausführlich darzulegen für die Diagnostik, auch wenn ich nichts davon nachweisen kann?

Was für Erfahrungen habt ihr mit der Thematik?

(Ach so, Mutter ist bereits verstorben und Vater Demenz im Pflegeheim….können also nicht mehr Stellung nehmen)

Hey @curiouscat
Soweit ich weiss ist es üblich, dass adhs im der Kindheit auffällig war.
Muss aber nicht nur die Schule betreffen, es kann auch sein, dass du zappelig, schusselig, verträumt, impulsiv im Privaten warst und in der Schule fokussiert, weil es dich thematisch interessiert hat.

Also, versuche dich zu erinnern, wie du in der Familie und mit Freunden warst. Ob du zB Aussenseiter warst, dich schnell geprügelt hast, oder nur im zimmer allein warst und eher sonderbar.

Bei meiner Diagnostik musste ich kein Zeugnis mitbringen und wurde mit Fragen zu speziellen Situationen in meiner Kindheit konfrontiert. Darauf könntest du dich auch vorbereiten, vllt hilft es dir.

Liebe Grüße

Gab es Schwankungen in den gleichen Schulfächern? Bei mir hing die Note beispielsweise oft von der Sympathie des Lehrers ab.

Da konnte ich sonst gute Noten haben, aber genau in dem einen Fach war ich „schlecht“, obwohl ich im Jahr davor/danach besser war (weil anderer Lehrer).

Hast du regelmäßig Sachen vergessen? Schulbücher mitnehmen? Hausaufgaben blieben auf dem Schreibtisch liegen? Überall im Haus Spuren hinterlassen (Zeug=Schulmaterial)? Hast du in der Schule gerne aus dem Fenster geschaut und die Welt um dich herum vergessen? Hast du öfters geweint? Wie sah es im zwischenmenschlichen Bereich in der Schule aus? Bist du öfters angeeckt? Kamst du mit allen klar oder nicht? Warst du eher Einzelgänger/Außenseiter?

Das sind so die typischen Dinge die mir einfallen.

Hallo @Lea , Danke für deine Antwort. Es gibt schon Hinweise im Privaten, die meine Eltern aber nicht
offiziell gemacht haben, ich weiß gar nicht, ob dem überhaupt so eine Bedeutung beigemessen wurde. Es war insbesondere meiner Mutter immer sehr wichtig, dass nach außen alles gut ist und in diese Richtung habe ich auch gut funktioniert. Die Hinweise wären jetzt auch nicht sooo stark. Ich würde sie jetzt nur rückblickend thematisieren, da eben später Probleme aufgetaucht sind. Die Frage ist nur: Müssten nicht in mehreren Lebensbereichen schon damals Auffälligkeiten nachgewiesen werden, so wie das bei der Diagnostik von Kindern auch der Fall ist? Ich hätte da nur etwas aus meiner eigenen Erinnerung zu bieten, und müsste quasi noch „gegen“ das Zeugnis argumentieren, ich möchte auch nicht, dass es klingt, als deute ich mir das so zusammen , dass es passt….

Hallo @BrainBuzz, Danke für deinen Antwort. Schwankungen gab es , teilweise recht starke, aber erst später. Ich war auch schusselig, und hab „Zeugs“ rumliegen lassen. Mein Zimmer sah aus wie Hölle. Ich habe halt nur Bedenken wegen der wirklich makellosen Grundschulzeugnisse. Ich habe da auch viel geträumt, das wurde aber nie offiziell vermerkt. Aber wer glaubt mir das bei dem Zeugnis! Anscheinend habe ich aber immer gewusst , worum es geht, sonst hätte es wohl einen Hinweis in den Zeugnissen geben müssen. :woman_shrugging:t3:
Ich bin auch z.B. felsenfest davon überzeugt, dass ich heute nicht mehr so durch die Grundschulzeit gekommen wäre, wenn ich mir die Anforderungen heute bei meinen Kids anschaue. Damit meine ich, wie die Klassenarbeiten aufgebaut sind, die Arbeitsblätter, Gruppenarbeit, Freiarbeit, Wochenaufgaben, die organisatorischen Anforderungen drumherum usw. … da müssen die Kids heute ganz anderes leisten.

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Ich denke das das in jedem Fall Sinn macht.
du hast ja selber schon erkannt, das die Zeugnisse eher gegen eine Diagnose sprechen. für eine ADHS Diagnose ist es aber eine Grundbedingung das die Symptome schon im Kindesalter vorlagen.
ich würde dir empfehlen auch mal mit anderen Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister oder Onkel/Tanten/Grosseltern etc zu reden und wenn jmd deine Vermutung das da Symptome waren bestätigen kann, dies darum bitten das kurz schriftlich darzulegen.
Für dich selbst könntest du einen WURS-K Fragebogen vorsorglich ausfüllen ( einach mal im Web nach suchen…). Der wird meist verwendet zur eigenen Einschätzung der Symptomatik im Kindesalter im Rahmen der Diagnostik.

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Würde ich so notieren für den Termin.

Hast halt viel Energie in die Schule gesteckt die dir dann wo anders gefehlt hat. Auch das ist ADHS.

Intelligente ADHSler können halt viel kompensieren, aber dann bleibts wo anders sprichwörtlich liegen. :wink:

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Hi @curiouscat,
ich musste keine Grundschulzeugnisse vorlegen. Sie waren ebenfalls fast tadellos,
es gab nur zwei Bemerkungen, in denen ich mich zu wenig mündlich beteiligt hätte. Habe die ADS-Diagnostik genauso wie die ASS-Diagnostik durchgeführt: jede einzelne Frage kommentiert und erläutert.
VG

Wie issn so dein IQ? Ich frag wegen den Copingfähigkeiten.
Und Träumerle fallens ehr viel weniger unangenehm ausf als Zappelphilippe.

Ja, es gibt Late-Onset-AD(H)S. Weitaus mehr, als es die Fachliteratur bislang wiedergibt. Aber deshalb muss der Doc halt trotzdem genau hinschauen.
Es mag welche geben, die ohne typische AD(H)S-Kopfnoten in den Grundschulzeugnissen eine Diagnose verweigern, selbst wenn sie ansonsten offensichtlich ist. Es gibt aber auch Ärzte, die genauer hinschauen und nicht nach 0-8-15-Schema diagnostizieren.
Wie immer: eine Diagnose kann ganz einfach sein - aber eben nur bei den klaren Fällen. Da hab ich dann auch kein Problem, wenn jemand nach ner halben Stunde bei einem wirklich erfahrenen Diagnostiker mit dem Rezept nach Hause geht (wenn derjenige nie Herzprobleme hatte), auch wenn das keine Schulbuchdiagnostik ist.
Schwierig wird es erst bei den Grenzfällen, da braucht es dann halt mehr Expertise und Erfahrung.

Ist mir im Nachhinein noch eingefallen:

Ich hatte eine gewisse Unterstützung durch die Eltern. Die haben immer mitgedacht, dass bei mir alles ordentlich ist und die Hausaufgaben vollständig gemacht sind etc. Auch gemeinsames lernen und üben. Packen des Schulranzens…

Wenn die häusliche Unterstützung entsprechend war, schlägt sich das nicht in Zeugnissen nieder. Das Chaos fängt später an, ab einer gewissen Selbstständigkeit oder bei Schulstoff dem die Eltern nicht gewachsen sind.

IQ weiß ich nicht, aber ich halte mich natürlich für ziemlich intelligent :joy:, was für einige ja wieder gegen einen hohen IQ sprechen würde :rofl:… nein im Ernst, wurde nie getestet. Ich glaube, ich habe eine relativ gute Auffassungsgabe , wenn ich denn zuhöre, und ich habe auch außer fürs Abi nie gelernt in der Schule. Also mich auf Klassenarbeiten oder so vorbereitet. Es ging dann auch eigentlich auf dem Gymnasium langsam aber sicher , mit Schwankungen, bergab. Mündlich war immer schlecht. Mathe zum Schluss eine Katastrophe. Die Klasse 11 habe ich auf eigenen Wunsch wiederholt. Ich glaube, das Coping war so motiviert, dass ich um jeden Preis die Erwartungen meiner Mutter erfüllen wollte. Sie hat entschieden, was für ein Kind ich bin und wenn ich davon abwich, gab es quasi „Liebesentzug“ . Das ist meine Erklärung.
Ich bin verunsichert, weil der Rest halt so gut passt und eine Erklärung für alles, was sich falsch angefühlt hat oder schief gelaufen ist, wäre. Sonst würde ich das gar nicht so verfolgen. Ich bin sehr gespannt, wie das laufen wird. Es gibt halt einige Dinge, die „nicht stimmen“ und von der Differentialdiagnostik käme von den Symptomen her am ehesten Borderline in Frage, aber da sehe ich mich überhaupt nicht. Beim online Test heißt es könnte sein, mit moderaten Symptomen, aber die Hauptmerkmale wie z.B. kann nicht gut alleine sein, passen gar nicht. Es heißt auch, dass Borderline die häufigste Fehldiagnose bei ADHS im Erwachsenenalter sei… Meine Schwester ist mit Borderline diagnostiziert, und ich bin im Stillen schon länger davon überzeugt , dass sie eine unerkannte ADHSlerin ist.

Das ist ein guter Tipp… mit den Anmerkungen zum Fragebogen. Eigentlich so naheliegend. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können. :woman_facepalming:t3:Danke!

Diese Unterstüzung hatte ich auch, also bei Hausaufgaben und Tasche packen, da hat meine Mutter immer mit geguckt. Zumindest in der Grundschule.

Den WURS- K habe ich sogar hier liegen zum Ausfüllen für die Diagnostik. Habe mir das jetzt mal genau angesehen. Habe gegoogelt und dazu einen Online Test gefunden. Der Witz: Ich habe da genauso wie mein Sohn eine „wenig ausgeprägte ADHS“ Symptomatik. Mein Sohn hat allerdings eine Diagnose und war auch in der Grundschule sehr auffällig :joy::thinking:

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ADHS und Borderline gibts auch in der 2-in-1-Packung mit unterschiedlicher Konzentration. :grinning:

Ja, bei meiner Schwester wird das auch passen. Aber bei mir denke ich nicht. Ich fühle keine innere Leere, mein Selbstwert ist angekratzt, ok, aber nicht dramatisch, und ich lehne auch meinen Körper nicht ab, und wie gesagt, ich habe keine Probleme mit dem allein sein.
Was passt ist die Impulsivität (unterbrechen, zu viel reden, zu viele unüberlegte Käufe) und emotionale Instabilität in Form von Stimmungsschwankungen und „Ausrastern“. Kann man denn die Unfähigkeit, Ordnung zu halten, Sachen anfangen und nicht beenden, nur mit intrinsischer Motivation arbeiten zu können, keine Struktur, kein planvolles Handeln und Ablenkbarkeit auch mit Borderline begründen, wenn man aber gleichzeitig eben keine Leere, keinen Selbsthass und keine Verlustängste hat?

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das ist eine schöne Zusammenfassung der ADHS Symptome :wink:

Hi @curiouscat ich kann @Hagbard nur beipflichten, alleine die Nennung dieser Probleme ist für mich bereits sehr offensichtlich, welcher Subtyp zeigt die Diagnostik.

Bei mir ist die Unaufmerksamkeit zwar weit über der Hyperaktivität, die Impulsivität spielt aber auch eine Rolle.
Fälschlicherweise hielt mich mein Analytiker für einen Borderliner. Er war nach eigener Aussage aber auch ein AD(H)S-Leugner.
Mir scheint als würde dies auf eine ganze Reihe von ADSlern zutreffen.

VG

Moin curiouscat,

willkommen im Klub. Mir ging es in der Schule ähnlich, bis kurz vor der Matura :slight_smile: flog mir alles nur so zu. Ausnahme: Mathematik, da konnte ich die Lücken weder mit meiner hohen Intelligenz kaschieren noch mit Allgemeinwissen und Charme übertünchen. Das systematische Lernen habe ich somit nie gelernt. Das hat sich erst in der Matura-Zeit negativ gezeigt – letztlich waren die Noten bei den Examina auch mustergültig, aber mit viel Stress erkauft. An der Uni hatte ich dagegen anfangs echte Probleme … niemand wollte glauben, dass so ein vielseitig talentierter junger Mann von heute auf morgen statt senkrechte wissenschaftliche Karriere zu starten in ein tiefes Loch fällt. Wie war das bei Dir auf dem weiteren Bildungsweg?

Deskriptive Zeugnisse in der Schule erzählten schon was von „wenig aktiv im Unterricht, folgt aber dem Thema“, aber auch „hoher Gerechtigkeitssinn“.

Wobei ich im Schulalter, so um die Klasse 6 oder 7, tatsächlich die Diagnose bekam, die damals noch nicht ADHS hieß, aber aufs Gleiche hinauslief – das blieb damals aber unbehandelt, weil ja der Jung‘ so ein guter Schüler war, das wachse sich aus usw. Grrrr…

Vielleicht suchst Du einfach die relativen Anhaltspunkte in den Zeugnissen aus. Du musst ja nicht alle Zeugnisse vorlegen.

Viele Grüße

Im Zweifel würde ich die Zeugnisse glaube ich nicht mitnehmen. Hast du ADHS typisch verschlampt.
Kannst aber trotzdem ehrlich sein, dass du da nicht besonders aufgefallen bist. :thinking:

Bei mir wurde auch nicht nach Zeugnissen gefragt - ich hatte auch wirklich keine mehr :see_no_evil:.

In der Grundschule hatte ich sehr gute Leistungen. War nur verträumt. Danach wurde es schwierig, ich wusste ja nicht, wie man lernt.

Bei meinen Kindern auch ähnlich. Mit guter Intelligenz kann man es bis zu einem gewissen Grad gut kompensieren.