Eindosierung Medikinet adult und psychische Probleme

Hallo alle miteinander. Ich freue mich, dass ich mich endlich überwinde, meinen Post zu platzieren.

Ich bin w, 39, seit 2 Wochen diagnostiziert, aber gewusst hab ich es schon lang. Egal, das ganze drumherum setze ich gerne mal in die Neuvorstellung, denn ich gedenke hier zu bleiben, wenn ich hier - hoffentlich - hinpasse.

Ich nehme seit 13 Tagen Medikinet adult 5mg. Die Psychiaterin hat dieses Medikament gewählt, weil man es am niedrigsten Dosieren kann - Ich habe eine Panikstörung und bin generell sehr ängstlich was Medikamente und deren Wirkung auf meinen Körper angeht. Der Plan war also, dass ich mich erstmal ganz langsam daran gewöhnen kann und merke, dass da nix Schlimmes passiert. Das fand ich auch sehr emphatisch von ihr.

Die ersten Tage waren allerdings tatsächlich schlimm für mich. Am ersten Tag habe ich es total gespürt, wie es anfing zu wirken. Ja, ich weiß, das muss man eigentlich für verrückt halten. Ich weiß wie mini die Dosis ist. Ich spürte vielleicht auch nicht die Wirkung, sondern vielleicht eine Nebenwirkung. Es war jedenfalls - eine bessere Beschreibung habe ich dafür nicht gefunden - ein „Woooosh“ in meinem Kopf. Das fand ich - wie erwartet - so befremdlich und unnatürlich, dass ich Begleitung durch meinen Mann brauchte. Ich bin an einer ausgewachsenen Panikattacke vorbeigeschippert, aber es war sehr aufreibend und ich war sehr aufgebracht. Nach etwa einer Stunde ging es mir aber gut. Ich habe mich mit einem guten Buch abgelenkt (dass ich auch konzentriert lesen konnte) und danach war ich ruhig. Nach rund 4 Stunden habe ich starke Kopfschmerzen bekommen und war extrem erschöpft. Ich bin am frühen Nachmittag eingeschlafen.

Die folgenden Tage waren besser. Ich war stolz, dass ich das Medikament trotzdem weitergenommen habe. Ich wusste, wenn ich jetzt aufhöre, entsteht ein riesiger Angst-Berg und ich traue mich auch an kein anderes ADHS-Medikament mehr ran. Ich wusste ja auch, dass es - vermutlich, wie immer halt - nur meine Gedanken sind, und dass mir das Medikament helfen wird.

Ich muss allerdings sagen, dass ich nach 3 Tagen vorzeitig bei meiner Psychiaterin angerufen habe und ihr erzählt habe, dass ich ein blödes Gefühl habe, es in meinem Kopf spüre, dass ich den Eindruck habe es tut mir nicht gut und ich erzählte von den Kopfschmerzen und dem Niedergeschlagensein. Alles in allem habe ich vermutlich verrückt geklungen, weil ich nicht wusste, was wichtig und was unwichtig ist, habe ich einfach alles erzählt. Sie sagte daraufhin „Ganz ruhig, das macht nichts mit Ihrem Kopf“ und hat angeordnet, dass ich eine zweite Tablette nehme, bevor die Kopfschmerzen losgehen.

Das hab ich gemacht, allerdings nicht so richtig gut getimed - nämlich aus Mahlzeiten-Organisatorischen-Gründen erst nach 6 Stunden, statt wie von ihr angeordnet nach 4.
Die Kopfschmerzen wurden schwächer, aber setzten weiterhin nach etwa 4 Stunden ein und blieben den ganzen Tag latent erhalten.

Warum ich jetzt aber schreibe… ich schäme mich ein bisschen für diesen Quatsch, aber ich habe nach wie vor das Gefühl, das wäre „nicht gut für mich“. Es fällt mir so schwer das zu beschreiben, dass ich mich auch nicht traue, es meiner Psychiaterin zu sagen. Es ist so niedrig dosiert, ich weiß, es kann eigentlich gar nicht sein, dass es daran liegt. Ich fühle mich jetzt nach 13 Tagen immer noch nicht „normal“. Ich hatte vorher oft Probleme, klar, wie die meisten hier. Hab Sachen nicht auf die Kette gekriegt und ich war wirklich schnell überfordert vom Alltag. Aber ich hatte immer diese… ich sage mal… Freude-Schübe. Ich bin grundsätzlich ein sehr gut gelaunter Mensch. Hibbelig, zu laut, impulsiv, ja… aber eben gut gelaunt. Und ich liebe das Leben. Ich erfreue mich oft an irgendwelchen Kleinigkeiten oder mir schießt ein überwältigendes Gefühl von Liebe in den Bauch, wenn ich meine Kinder oder einfach nur die Sonnenstrahlen im blühenden Kirschbaum betrachte. Und manchmal kommt eine irre Idee herbeigeflogen und ich fange euphorisches Feuer, so dass ich den halben Tag nur noch tanze statt zu laufen. Das ist es, was das Leben für mich so lebenswert macht - vor allem, wenn es zwischendrin eben auch sehr schwer ist bei all den Selbstzweifeln. Man könnte sagen, mein Leben ist normalerweise eine Art Achterbahnfahrt. Fiese Talfahrten, aber eben auch sehr sehr schöne Hochs. Seit ich das Medikament nehme, habe ich das Gefühl, die Hochs sind einfach weg. Das mag natürlich daran liegen, dass sich jetzt irgendwie alles vornehmlich darum dreht. Dass auch meine Angst vielleicht getriggert ist und ich ständig über die Wirkung nachdenken muss. Es ist schon irgendwie eine Ausnahmesituation für mich. Aber andererseits sind die Nebenwirkungen und auch die Angst vor dem Medikament wirklich stark zurückgegangen. Ich habe keine Bedenken mehr, es zu nehmen und spüre auch gar nicht mehr dieses „Woooosh“. Trotzdem ist ein Gefühl von Bedrücktheit und Beklemmung geblieben. Vor allem, wenn die Wirkung mutmaßlich nachlässt und auch der leichte Kopfschmerz einsetzt. Es wird wohl der Rebound sein, zumindest sagt das meine Psychiaterin.

Aber die Bedrücktheit bleibt. Ich wache häufiger in der Nacht auf, nicht mit Angst, auch keine Aufregung oder Herzrasen, nur irgendwie ein unangenehmes Gefühl von „alles ist falsch“. Das Gefühl bleibt auch am Morgen. Das spricht doch dafür, dass es nicht von dem Medikinet kommt, oder? Kann es irgendwas auslösen, das dauerhaft bleibt?

Während ich das Medikament jeden Tag etwas besser vertrage, meine ich, dass meine Grundstimmung jeden Tag schlechter wird. Nicht nur die Freude-Schübe bleiben weg, auch habe ich seit 2 Tagen bemerkt, dass meine Gedanken seltsam destruktiv sind. Nachmittags vor allem. Alles fühlte sich dann irgendwie falsch und sinnlos an.

In der ersten Woche war ich super produktiv - ich dachte schon, die kleine Dosierung wirkt wunder bei mir - aber in den letzten Tagen kriege ich immer weniger gebacken. Ich kann mich nicht aufraffen, meine Aufgaben zu erledigen. Die Kinder mussten sich gestern Knäckebrote schmieren, weil ich es nicht geschafft habe, Mittagessen zu kochen (nein, ich war nicht beschäftigt, ich habe es einfach nicht geschafft, mich aufzuraffen…)

Meinen Selbstzweifeln zum Dank kann ich nicht ausschließen, dass ich mir da einfach was konstruiere und mich in was hineinsteigere. Und das doch alles von allein besser wird, weil eigentlich gar nichts war. Aber das blöde Gefühl habe ich jetzt… und ich will es loswerden.

Gestern habe ich mich wieder bei meiner Psychiaterin rückgemeldet (ich sollte nach einer Woche mit der 2. Tablette anrufen) und ihr nur berichtet von der Niedergeschlagenheit und den latenten Kopfschmerzen nach 4 Stunden. Zu meiner Überraschung wollte sie die Dosis jetzt noch nicht hoch setzen (ich war aber froh drüber), hat aber gesagt, ich solle die zweite Tablette jetzt mal vorziehen. Ich nehme sie jetzt also um 8.30 und um 12.30. Heute hat das gut geklappt und ich muss sogar sagen, dass ich mich - zumindest seit der zweiten Tablette - wieder ausgeglichener fühle, nicht so entrückt und irgendwie fehlerhaft. Aber der Nachmittag kommt und ich fürchte mich schon fast vor meinen Gefühlen und der unruhigen Nacht.

Entschuldigt, der Text ist deutlich länger geworden, als ich es geplant hatte. Ich bin so froh, es mir von der Seele schreiben zu können und hoffe inständig, nicht als bescheuert abgestempelt zu werden.

Meine eigentlichen Fragen hab ich in dem Kauderwelsch versteckt, und formuliere sie jetzt nochmal konkret:

  • Kann es sein, dass das Medikament Depressionen, vielleicht sogar eine leichte Depersonalisation auslöst? Wenn ja, müsste das nicht weggehen, wenn das Medikament nachlässt oder der Rebound „überwunden“ ist?
  • Hat noch jemand die Erfahrung gemacht, dass ihm die Freude irgendwie vergangen ist?
  • Kann das wieder besser werden?
  • Ist das alles überhaupt irgendwie in einen Zusammenhang zu Medikinet zu bringen, oder geht mein Verstand jetzt einfach so flöten :crazy_face: ?
  • Ein relativ starker Rebound bei einer so niedrigen Dosierung - ist das überhaupt möglich? (wenn ich bewusst drauf achte, würde ich sagen, dass die Kopfschmerzen sogar schon nach 3 Stunden losgehen?!)

Ich freue mich sehr über Feedback und guten Zuspruch jeder Art.

SanVanPhea

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Hallo :raising_hand_woman:t2: und :sparkling_heart:Willkommen hier !

Eine niedrige Dosis sagt nichts darüber aus wie man diese empfindet und ob man was spürt , dass ist voll individuell .

Ich bin auch mit 5mg gestartet und habe direkt was gespürt , sei es positiv oder negativ. Bin da auch sehr empfindlich.

Das Depressive war vor allem bei mir im Rebound ein Problem.
Mein Arzt hat beobachte das vor allem bei 5mg die Depressionsproblematik vermehrt auftritt. er weiß nur nicht warum und sagte mir dass es aber ab 10mg Kapsel dann oft besser ist . dem war auch so , 10mg Kapsel war sogar besser wie 2x5mg.

Das muss natürlich bei dir nicht so sein.

Ich habe es einfach nach und nach höher dosiert , und eben bei jeder höher Dosierung mit den Nebenwirkungen gelebt, die ja nach und nach meist weg gehen .

Bezüglich Kopfweh, schau noch mal hier nach , vielleicht hilft das ???

Und zunächst noch auf Koffein verzichten

Und du hast den Luxus einer Ärztin dir ja gut erreichbar ist und dich begleitet.
Das hat längst nicht jeder :+1:

Danke schon mal für deine Antwort und den Tipp mit dem Artikel. Den habe ich schon gelesen als es am Anfang ganz schlimm war und dann auf ausreichend Glucose geachtet. Ich habe auch immer Traubenzucker dabei und habe hin und wieder meinen Blutzucker gemessen. Vielleicht ist es tatsächlich deswegen besser geworden mit den Kopfschmerzen.

Ich hatte zu Anfang auch immer Traubenzucker und Wasser dabei . Bin nie ohne rausgegangen …

Moin und herzlich Willkommen @SanVanPhea

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich dass Dinge wie Depressionen nach start einer medikamentösen Einstellung erstmal stärker in den Fokus rücken.

Ist nicht so dass die neu wären.
Die wurden vorher vermutlich lediglich von allem anderen überlagert.

Zumal, Depressionen wird gerne im ADHS all inklusive Paket mitgeliefert :wink:

Neben der auch immer wieder „beliebten“ rejection sensivity oder der „gern gesehenen“ PTBS…

Dein Körper zeigt dir im Endeffekt was sonst noch alles im argen liegt.

Aber wichtig ist: erst das eine, dann das andere :wink:

Also ich nicht, aber es kann natürlich sein, ich wünsche dir natürlich dass es bei dir weggeht. Nein, bei mir ist es im Gegenteil so, dass ich mit dem Medikament ausgeglichener und positiver gestimmt bin, ich bin nicht mehr so reizbar, meine Frau sagt, deine Knäuseligkeit ist weg.

Ja, das kann sein, vor allem zu Anfang. Eine geringe Dosierung ist gar nicht so gering, wenn du berücksichtigst dass du bisher nicht daran gewöhnt bist.

Und der Kopfschmerz tritt zwar mit dem Nachlassen auf, ist aber nicht unbedingt mit dem Rebound gleichzusetzen. Ich hatte in den ersten acht Wochen sehr penetrante Kopfschmerzen, so dass ich zwischendurch sogar das MPH abgesetzt habe, die gingen danach aber weg. Rebounds habe ich aber immer noch - federe sie aber ab durch Nachnehmen bzw. abends ganz wenig nehmen.

Das geht bei dir leider noch nicht - du müsstest dann abends ja noch weniger als die 5-mg-Kapsel nehmen.

Wenn du irgendwann höhere Dosen nimmst, kannst du vielleicht immer noch gucken ob ein anderes Produkt sanfter anflutet und nachlässt - bei 5 mg hat Medikinet Adult wenig Konkurrenz (außer vielleicht Concerta 18 mg), bei 10 mg und mehr schon.

Danke euch erstmal sehr für eure Antworten.

Ich wollte nochmal ein kleines Update geben, nämlich, dass es mir sehr viel besser geht. Ich nehme die 2. jetzt nach 4 Stunden, was offenbar tatsächlich einen großen Einfluss auf meine generelle Stimmungslage hat. Es hat mir aber auch sehr geholfen, dass ich das Gefühl hatte, davon erzählen zu können, ohne dass jemand diesen „was ist das für ein verrückter scheiß“-Blick aufsetzt :sweat_smile:

Erstmalig hab ich tatsächlich sogar das Gefühl, dass mir das Medikinet wirklich hilft. Die Freude ist auch wieder da :smile:

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Schön dass du hilfreich was anpassen konntest und gerne immer her mit deinen Fragen und Gedanken, die bestimmt hier alle gut hinpassen.

Mir hat damals zur Eindosierung das Forum auch sehr geholfen und dieses Gefühl einfach verstanden zu werden oder eben zu lesen dass es anderen auch so geht