Ich bin 25 (W) und habe vor kurzem endlich auch meine ADHS Diagnose und daraufhin eine Einstellung auf Medikinet bekommen… Und was soll ich sagen. Es geht mir so unglaublich viel besser, es ist unbeschreiblich. Mein kleiner Bruder (16) hat auch ADHS, aber meine Eltern hielten damals nichts von Medikamenten. Ich hoffe, dass wenigstens er demnächst auch mal diesen Weg ausprobiert.
Nun aber zum eigentlichen Thema: Ich habe den starken Verdacht, dass mein Vater auch ADHS hat. Und er leidet stark unter der Symptomatik (wurde bisher mit Depressionen diagnostiziert). Bei meiner Mutter würde auch einiges passen. Die beiden sind allerdings Mitte 50 und mein Vater muss Blutverdünner nehmen und meine Mutter hat Hashimoto (Schilddrüsen Erkrankung). Da frage ich mich jetzt, wie sinnvoll es ist, mich weiter dafür einzusetzen, dass die beiden mal schauen, ob ADHS bei ihnen auch Thema ist. Medikinet ist ja glaube ich für beide aufgrund ihrer Vorerkrankungen nicht möglich. Habt ihr Erfahrungswerte, ob andere Medikamente möglich sind oder ob auch eine reine Verhaltenstherapie hilfreich sein kann?
Auch mit Hashimoto kann man Stimulanzien nehmen.
Ich weiß nicht welche Antikoagulanzien dein Vater nimmt - aber eine Wechselwirkung mit Stimulanzien ist mir da nicht bekannt.
Das Interesse muss allerdings bei deinen Eltern selbst auch da sein. Viele Menschen haben immer noch eine falsche Vorstellung von ADHS.
Empfehlenswert finde ich auch immer den Vortrag von Heiner Lachenmeier.
Hallo @Jokolo und herzlich willkommen in unserem Forum,
ich stimme Justine hier zu, und zwar in beiden Punkten - die Medikamente und Erkrankungen deiner Eltern sind keine absoluten Ausschlussgründe für Stimulanzien, und das Alter schon gar nicht (ich bin auch 57).
Die viel drängendere Frage ist aber eigentlich, wie offen sind deine Eltern für das Thema bei sich? Du schreibst ja selbst, dass sie sich gegen Medikamente im Falle deines kleinen Bruders entschieden hatten, dann kann es sehr gut sein, dass das Thema bei ihnen selbst noch mehr Abwehr auslöst.
Du bist jetzt erwachsen und dein Bruder auch bald, d. h. ihr trefft nach und nach eure eigenen Entscheidungen. Ihr lasst euch von euren Eltern nicht mehr reinreden, das gilt umgekehrt aber auch.
Je mehr man von sich preisgibt, desto angreifbarer macht man sich auch. Ich habe nach meiner ADHS-Diagnose meiner Mutter nichts gesagt und meinen Schwiegereltern auch nicht. Von daher schaut auch ihr, womöglich wollen eure Eltern von dem ADHS-Thema für sich nichts wissen, aber ihr kriegt Stress, weil ihr euch geoffenbart habt. Der Preis wäre zu hoch.
Danke für deine Antwort!
Im Beipackzettel von Medikinet adult steht groß drin, dass man es nicht bei Herzproblemen oder Schilddrüsenüber/unterfunktion nehmen sollte. Daher kam ich da drauf.
Und natürlich, klar kann ich meinen Eltern nichts abnehmen oder sie zu etwas drängen, was sie nicht wollen. Aber ich kann natürlich weiter von meinen Erfahrungen erzählen und aufklären sag ich mal. Genau aus dem Grund, weil es in der Generation ja noch viel negativer behaftet ist. Auf diese Weise hat sich mein Vater auch erst getraut überhaupt Hilfe zu suchen und schonmal Unterstützung für die Depression zu erhalten.
Danke dir für deine Antwort
Ich finde es echt schön, hier mal von anderen und auch gerade Leuten mit mehr Lebenserfahrung zu hören. Dieses Forum ist viel wert!
Es ist sehr gut zu hören, dass diese Möglichkeit nicht direkt raus ist. Ich mache mir halt auch tendenziell immer eher zu viel Sorgen um alles.
Das stimmt auf jeden Fall. Ich sehe mich nur jetzt als erwachsener Mensch auch in der Position, dass ich mich natürlich auch um meine Eltern „kümmern“ möchte. Also ich will eben auch nur das Beste für die beiden und insgesamt für unsere ganze Familie. Da mein Vater es ja vor allem gerade einfach wirklich nicht leicht hat und sehr an der Grenze zum Burn Out bzw. einfach dem nächsten Zusammenbruch steht, kann es auch so irgendwie nicht weitergehen. Und meine Mutter ist auch einfach in allem überstrapaziert natürlich. Wir reden insgesamt sehr offen über alles und auch über mögliche Lösungsansätze für Papas Problematik gerade. Es hat bestimmt ein- zwei Jahre gedauert, aber seit letztem Jahr ist er in Therapie wegen der Depression und er war auch Anfang des Jahres schon in Reha für 6 Wochen. Ich hab nur halt den Eindruck, dass diese Depression bei ihm nicht aus „dem Nichts“ kommt, sondern durch die Überforderung, die damit einhergeht, dass er eventuell halt ADHS hat und sein Leben lang keine Unterstützung oder auch nur Aufklärung dazu erhalten hat entsteht. Rein vom genetischen Aspekt her macht es ja auch Sinn, dass mindestens einer unserer Eltern auch ADHS hat. Mein Vater ist dafür tatsächlich auch sehr offen, ihm fällt es nur immer schwer, selbst für sich einzustehen und vor allem auch daran zu denken dahinter her zu haken. Mein Psychologe hat mir tatsächlich jetzt zwei Selfassessment Bögen mitgegeben und die hat er auch gern ausgefüllt und jaa, die sehen so aus wie meine. Ich hoffe, dass er es jetzt demnächst auch bei seiner Psychologin anspricht. Meine Mutter wird langsam aber sicher offener für das Thema, je mehr ich von mir selbst erzähle tatsächlich und je mehr ich auch einfach informiere. Sie wusste z. B. gar nicht, dass bei ADHS einfach auch Neurotransmitter im Gehirn fehlen… Seitdem ist sie deutlich offener für alles und unterstützt mich an sich auch in dem was ich mache. Von daher bin ich da schon auch in einer privilegierten Situation, dass meine Eltern zwar vielleicht erstmal abgeneigt waren, aber an sich offen dafür sind, dazu zu lernen.
Es gibt viele Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen die Stimulanzien nehmen - natürlich müssen sie gut eingestellt sein und man muss ein Auge darauf haben.
Bei den Herzerkrankungen kommt es sehr darauf an, um was es wirklich geht.
Wenn dein Vater ein Medikament nimmt welches in die Gerinnung eingreift, sagt das erstmal nicht viel über die dahinter stehende Erkrankung.
Aber auch Herz- und Schilddrüsenerkrankungen sind nicht grundsätzlich ein Ausschlusdkriterium für eine Therapie mit Stimulanzien.
Das rührt mich gerade sehr, dass du dich um deine Eltern sorgst.
Ich bin selbst 47 und jetzt erst diagnostiziert. Ich wünsche es deinem Vater, dass er sich für die Diagnostik öffnet, denn ich bin selbst auch mehr als mein Leben lang auf Depressionen und auch immer wieder burn-out behandelt worden, ohne großen Erfolg. Erst jetzt weiß ich, dass Antidepressiva bei den meisten ADxSlern gar keine Wirkung entfalten. Daher könnte es für deinen Vater wirklich eine große Erleichterung mit sich bringen, falls ADxS bei ihm vorliegt, wenn er endlich die richtige Behandlung bekommt. Allein das Wissen darum, warum sich das Leben bisher so „anders“ gestaltet hat, bringt ja eine große Entlastung…für mich jedenfalls. Es ist dennoch ein langer Prozess, sich damit auseinanderzusetzen und somit auch mit seiner kompletten Lebensgeschichte, aber zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass passt jetzt auch zusammen.
Ob und inwieweit deine Eltern - sollte sich der Verdacht bestätigen - Stimulanzien vertragen, wird sich zeigen, aber es gibt definitiv auch noch ein paar Alternativen, die Linderung bringen können (z. B. Antidepressiva, die Wirkung bei ADxS zeigen). Aber da findest du unter adxs.org auch ganz viel Material zu. Überhaupt: eigentlich habe ich sämtliches Wissen bisher nicht von meiner behandelnden Ärztin, sondern hier vermittelt bekommen.
Also, falls deine Eltern offen für die spannende Reise der Diagnostik sind, am besten vorab gucken, ob der Psychiater wirklich Wissen über ADxS bei Erwachsenen hat, denn das haben leider nicht so viele.
Ich wünsche dir und deiner ganzen Familie ganz viel Kraft, Mut, Liebe und Klarheit
Es ist sehr gut zu hören, dass es dir mit einem vielleicht ähnlichen Weg jetzt so so viel besser geht! Das bestärkt mich auf jeden Fall darin, es weiter zu versuchen. Mich selbst hat auch diese Erklärung schon sehr entlastet und ich kann mir auch vorstellen, dass es bei meinen Eltern ähnlich wäre.
Ich schau auf der Seite auch mal vorbei! Und ja die Problematik mit kompetenten Ärzten zum Thema ADHS im Erwachsenenalter durfte ich auch schon erfahren. Bei uns in der Region ist das leider recht schwierig. Ich hoffe mal die Psychologin meines Vaters ist offen dafür sich die Thematik mit ihm mal anzuschauen, das wäre bei Weitem das einfachste.
Vielen vielen Dank für deine lieben Wünsche und die wertvollen Erfahrungswerte
Hi, würde mich hier einlesen und nochmal schauen, wie sehr das auf deinen Vater zutrifft. Und allgemein die AD(H)S-Symptomliste. Dann ggf. ausdrucken und darüber sprechen. So hätte ich es gemacht. Alles Gute!
Im weiteren finde ich es auch sehr spannend, wie man als Familie mit solch späten Diagnosen umgeht. Meine Tochter ist jetzt 19 und hat kein ADHS. Es gibt viel aus den letzten Jahren aufzuarbeiten, in erster Linie für mich selbst, aber natürlich auch mit meiner Tochter. Viele meiner unschönen Verhaltensweisen resultierten ja aus dem unerkannten und unbehandelten ADHS. Daher finde ich es total schön und wichtig, wenn Familien sich darüber offen austauschen.
Absolut! Ich fände es auch für unser aller Verhältnis miteinander wichtig, Klarheit zu gewinnen. Meine Mutter hatte in meiner Kindheit auch viel mit Wutausbrüchen zu kämpfen. Aus heutiger Sicht kann ich es deutlich besser nachvollziehen, da unsere Familiensituation zu der Zeit leider viel vom Verlust Angehöriger geprägt war und sie einfach sehr unter Druck stand mit zwei kleinen Kindern, später drei (und mein Vater ja genauso). Ich habe ihr für diese Verhaltensweisen verziehen, weil sie momentan aktiv versucht, besser zu kommunizieren und die Grenzen, die ich gezogen habe, respektiert. Ich frage mich jetzt rückblickend, ob ADHS da bei ihr auch mit reingespielt hat, weil eben diese emotionale Regulation bei ihr und auch insgesamt in meiner Familie (ich will mich da nicht rausnehmen) eher schwierig ist. Die Diagnose könnte in der Hinsicht auch nochmal neue Ansätze eröffnen, wie wir in Zukunft miteinander umgehen, wo Rücksicht genommen werden muss und wo man dran arbeiten kann zusammen. Das ist definitiv auch einer der Gründe, warum es mir so am Herzen liegt abzuklären, ob da etwas ist oder nicht. Wenn nicht, dann ist ja auch gut sag ich mal, dann arbeitet man weiter dran wie bisher. Aber falls es Thema ist, könnte das eventuell einiges ändern.
Ich finde es sehr schön, dass du da auch deine Beziehung bzw. dein Verhalten mit deiner Tochter reflektierst und aufarbeitest. Das ist genau das, was ich mir von meiner Familie in Zukunft auch wünsche Ich weiß nicht, ob ich mit 19 damals schon bereit dazu gewesen wäre wieder richtig auf meine Mutter zu zu gehen. Wir kamen damals aus einer recht heißen Phase nach den Teenager Jahren. In der Hinsicht habe ich echt erstmal etwas Zeit und Abstand gebraucht, um da auch etwas objektiver auf die Situation schauen zu können und mich auch mal in die Situation meiner Mutter hineinversetzen zu können. Das war auf jeden Fall ein Prozess, auch absolut ein Prozess des Erwachsen-werdens auf meiner Seite. Falls es mit deiner Tochter mal kriselt kann ich dir nur ans Herz legen, ihr die Zeit dafür zu geben, um diesen Ablöse- und Einordnungsprozess zu durchlaufen Und ich sag mal egal wie es gerade läuft - Du bist schon so viel weiter als meine Mutter es sogar heute ist. Ich find das richtig toll und beeindruckend! Ich hoffe in meiner Familie wird es sich auch weiter bessern
Mein Eltern waren schon sehr alt, als ich Begriff das bei deren Lebensgeschichte (Kriegskinder) eine tiefgreifende Therapie vielleicht noch helfen könnten.
Hatte es mal vorsichtig angeregt ….aber irgendwie auch deren „Angst“ gespürt und vielleicht war es auch eher mein Wunsch ???
Hab mir dann gedacht , vielleicht ist es auf den letzten Jahren einfach auch too much und man kann sie besser damit in Ruhe lassen und mit dem „gewohnten“ weiterleben. man muss es ja auch aushalten und verarbeiten können.
deswegen die Altersfrage , aber bei deinen Eltern ist es ja ein ganz anders Lebensalter .
das meinte ich eigentlich nicht. Sondern dass erwachsen sein bedeutet, dass man einander in Ruhe lässt.
Also erst einmal die Eltern die Kinder. Die Kinder sind erwachsen, sie haben ihr eigenes Leben, also hält man sich raus.
Aber umgekehrt auch. Man ist erwachsen, lebt (meistens) nicht mehr in einem Haushalt und jeder trifft seine Entscheidungen. Und die werden bei der Generation darüber immer etwas anders ausfallen.
das meinte ich eigentlich nicht. Sondern dass erwachsen sein bedeutet, dass man einander in Ruhe lässt.
Also erst einmal die Eltern die Kinder. Die Kinder sind erwachsen, sie haben ihr eigenes Leben, also hält man sich raus.
Aber umgekehrt auch. Man ist erwachsen, lebt (meistens) nicht mehr in einem Haushalt und jeder trifft seine Entscheidungen. Und die werden bei der Generation darüber immer etwas anders ausfallen.
Nein, es ist wichtig für dich, und wenn du es aufarbeitest, wird das euer Verhältnis verbessern. Aber das musst du nicht mit ihr machen.
Das sehe ich einfach ein bisschen anders. Klar muss man im Endeffekt akzeptieren, wie der andere ist. Ich werde da jetzt auch nicht endlos dran rumschrauben, wenn es nicht gewollt ist. Aber ich finde es auch wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützt in einer Familie und das kann auch beinhalten, dass man Themen aufmacht, die vielleicht unangenehm sind und sie entstigmatisiert, indem man drüber spricht. Und dass das in meiner Familie an sich schon funktionier t hat sehe ich schon allein an der Tatsache, dass mein Vater sich dann eben tatsächlich Hilfe geholt hat und wir darüber mittlerweile sehr offen reden können.
Das ist wahr und wie gesagt, das mache ich separat auch bereits… Dennoch finde ich es wichtig weiter in Kommunikation zu bleiben. An sich kann die Gesamtsituation ja nur besser werden, wenn man weiter drüber spricht. Und da ist die Frage nach -könnte da bei euch auch ADHS reinspielen- natürlich auch nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets „man spricht halt mal tatsächlich Probleme an“. Wenn die beiden sagen, dass sie explizit über das Thema ADHS nicht mehr sprechen wollen, akzeptiere ich das auch. Aber insgesamt nicht weiter kommunizieren ist für mich keine Option, das fühlt sich nach Probleme unter den Teppich kehren an und davon halte ich nichts.