Vor drei Jahren hatte ich eine sehr skurrile Situation auf einer Hüttenwanderung, die das Entstehen dieses Phänomens ganz gut veranschaulicht. Wir waren ca. 5 Leute plus Wanderführerin, bunt zusammengemischt und sind 5 Tage lang einmal oben um den Wilden Kaiser rum und haben in Hütten geschlafen. Das war meine erste Wanderung dieser Art.
Ich habe mich mit einer Frau aus Österreich gut verstanden, wir haben im Laufe dieser Wanderung beschlossen, ein paar Wochen später auf die Zugspitze zu wandern.
Außerdem war ein Ehepaar dabei. Die Frau davon war die, die zunehmend ein Problem mit mir hatte.
Sie war vorher schon mehrmals auf solchen Wanderungen, immer mit ihrem Mann. Da ich Neuling war, fing sie schon am ersten Anstieg an mich etwas besserwisserisch zu behandeln. Neben ihr war ich die einzige, die ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hatte. Ich denke, dass sie mich als das schwächer als sie einordnete. Ihr Mann trug übrigens den überaus schwereren Rucksack, ihrer hatte nur etwa 4 kg und sie hatte unnötig viele Wechselklamotten dabei - die ihr Mann schleppte.
In den nächsten drei Tagen drehten sich die Gespräche darum, wie toll sie ist, wie toll ihre Kinder sind, was sie alles schon gemacht hat.
Es war dann so, dass sie jedes Mal, wenn sie angeben wollte, sie nachfragte, wie das denn bei mir sei. Und fast immer habe ich sie übertrumpft. Das war gar nicht meine Absicht und mir zunehmend unangenehm.
Beispiele:
Sie: 3 Kinder Ich: 4
Sie: ähnliches Studium, ich an der Uni, sie FH
Sie: arbeitet Teilzeit als Sachbearbeiterin. Ich: Vollzeit als Managerin.
Sie: Kind war ein Jahr in USA. Ich: Kind war ein Jahr in Japan.
Sie: wir haben Doppelhaushälfte. Ich…
USW.
Wir hatten am dritten Tag der Wanderung dann zu entscheiden, ob wir über einen Gipfel gehen oder einen leichteren Weg nehmen. Die Wanderführerin schätze die Lage so ein, dass der Gipfelweg für die Dame zu anstrengend sein würde. Das ließ die nicht auf sich sitzen und wir nahmen den Gipfelweg. Wir mussten ständig Pause machen, sie war aber auch so stur und hörte nicht auf die anderen und trank z.B. zu wenig. Der Tag endete so, dass wir wegen ihr umdrehen mussten, weil nichts mehr ging, wir gingen einen anderen, flacheren Weg, den sie irgendwie schaffte, und waren sehr lange unterwegs. Es hatte nicht viel gefehlt und wir hätten die Bergrettung rufen müssen.
Am nächsten Tag hatten wir eine leichte Strecke und kamen früh an der Hütte an. Die Österreicherin und ich gingen mit der Wanderführerin nochmal hoch auf eine Alm Käse kaufen. Das Ehepaar ruhte sich aus - da war sie schon vernünftiger, aber das nagte auch nochmal an ihr, dass sie nicht dabei war.
Abends saßen wir beim Essen und ganz plötzlich schrie die mich an: „Du kannst alles besser!“ Und rannte heulend aus dem Restaurant. Ihr Mann entschuldigte sich für sie und rannte ihr hinterher. Die hat sich gar nicht mehr beruhigt.
Die Österreicherin war viel genervter von ihr als ich, weil die wirklich gerne auf den Gipfel wäre. Aber ich war plötzlich… was? Schuld?
Das war damals so unangenehm. Aber ich denke es ist etwas, was bei anderen Mitmenschen auch passiert, allerdings nicht so konzentriert und innerhalb von 4-5 Tagen.
Erklärungsversuche:
Bei mir ist es schon so, dass ich in neuen Situationen zurückhaltend bin und viele Fragen stelle. Oft gehe ich ja auch etwas blauäugig in solche Abenteuer rein, weil das halt auch der Kick ist. Ich war vorher noch nie in einer Berghütte zum Übernachten. Natürlich war ich von der Kondition und vom Material her bestens vorbereitet. ÜBer andere Dinge habe ich mir gar nicht viele Gedanken gemacht.
Aber ich strahle dann anscheinend aus, dass ich etwas dumm bin, mich auf so etwas einzulassen. Die Leute wissen ja nicht, dass ich sehr gut im Voraus plane, mir aber vielleicht andere Gedanken mache als sie selbst.
Es ist bei mir immer Unterschätzung dabei, wenn die Leute irgendwann so reagieren.
Ich neige auch dazu, bei Menschen, die da einen gewissen Geltungsdrang haben, mich dumm zu stellen. (Dass ich mich dumm stelle, beobachten auch meine Kinder.) Ich stelle mich dumm, um nicht unnötig aufzufallen, mich sozial anzupassen. Aber der Schuss geht oft ganz schön nach hinten los.