Reaktion bei Stress?

Ich meinte es eher so: Woher weiß ich, inwieweit der Mangel eher durch die ADHS oder eher durch den Stress kommt? Oder kann sich das auch addieren und die Symptome werden dann schlimmer?

Ich kann es nicht genau festmachen, aber ich spüre es manchmal.

Der Starke nicht ADHS-Stress fühlt sich panischer und hilfloser an ist nicht so richtig zuzuordnen, dass Herz rasst anders und der Kopf auch, fühle mich gelähmter und MPH reguliert es nicht runter. Es ist einfach irgendwie anders und es kristallisiert sich meist nur ein globales Thema heraus.

ADHS-Stress ist manchmal irgendwie „greifbarer“ :lol: , weil es so viel Input und Gedanken und Assotiation sind ich habe klarerer Bilder vor Augen von dem was alles im Kopf ist. Mein Kopf rasst dann mehr hin und her Transmittergewitter halt , es dreht sich um zig Dinge fühle mich einerseits aktiviert und komme doch nicht in sinnvolle Handlung. Ich habe klarer vor Augen das mein Gedankenwirrwar und das nicht selktieren können mir den Stress auslöst.

Stehe ich nicht zusätzlich unter ADHS-Stress , kann ich den anderen Stress besser händeln.

Aber es gibt halt auch den Supergau wo beides zusammenkommt und dann darauf MPH noch kontra :o

Ich versuche es mal etwas genauer zu erklären, wie ich das sehe:

Zunächst müssen wir Ursache und Symptomvermittlung unterscheiden.

Chronischer Stress und AD(H)S vermitteln ihre Symptome gleichermaßen durch Noradrenalin- und Dopaminmangel. Deshalb sind sich die Symptome auch so ähnlich, wenn nicht gar identisch.

Chronischer Stress ist eine langanhaltende Stressreaktion aufgrund eines externen Stressors. Aber wenn der Stressor geht, gehen auch die Symptome.

AD(H)S kann entstehen durch

  • ein Zusammentreffen von Genvarianten, die alle in die Richtung einer schwächeren Dopamin- und Noradrenalinwirkung zielen (verringerte DA- / NE-Produktion, verringerte Rezeptorsensibilität, erhöhter DA-/NE-Abbau, erhöhte Wiederaufnahme (was DA- und NE- schneller aus dem synaptischen Spalt zurückholt, so dass es nicht an den Rezeptoren andocken kann, oder oder oder oder…)
  • Krankheiten, die die DA- und NE-Produktion zerstören (z.B. Enzephalitis in Bezug auf DA)
  • Verletzungen, die die Zellen schädigen, die DA oder NE produzieren
  • durch Genanlagen, die durch frühkindliche Stresserfahrungen dazu gebracht werden, ebenso zu wirken (epigenetische Veränderungen der Genaktivität mit der selben Wirkung wie beim ersten Punkt)
  • durch vielfach wiederkehrenden nicht nur leichten Stress (viele „Mikrotraumata“). Die wiederholte Stressauslösung bringt die Nervenzellen der Stresssysteme nicht nur jedes mal dazu, Dopamin und Noradrenalin auszuschütten, sondern erhöht langfristig ihre Empfindlichkeit, auf Stressoren zu reagieren. Sie reagieren also später immer leichter mit einer erhöhten DA- und NE-Ausschüttung.
    Eine einmalige lange NE- und DA-Ausschüttung führt einmalig zu einem Zusammenbruch der Noradrenalin- und Dopaminniveaus (die 4. Stressphasen: akuter Stress erhöht DA und NE, erst in den späteren Stressphasen bricht das DA- und NE-System zusammen und es kommt zum DA- und NE-Mangel. Detailliert dargestellt unter <LINK_TEXT text=„https://www.adxs.org/stress-und-adhs/di … ressphasen“>Die Stresssysteme des Menschen - Grundlagen von Stress - ADxS.org</LINK_TEXT>) Bei wiederholtem schwerem Stress reagieren die NE- und DA-Zellen immer schneller und immer heftiger auf vergleichbare Stressoren. In der Folge kommt es immer schneller und immer häufiger zu Stressreaktionen bis in die 4. Phase mit dem Zusammenbruch der DA- und NE-Systeme - bis sie sich irgendwann gar nicht mehr erholen.
    Ein einmaliger langer schwerer Stress (= chronischer Stress) führt zwar einmalig zu DA- und NE-Mangel und damit einmalig zu den Symptomen, hat aber noch keine Dauerschäden zur Folge; aber ein wiederkehrender starker Stress erhöht die Reagibilität der NA- und DA-Zellen, so dass die Zellen selbst erhöht empfindlich werden. Bei einmaligem starken (auch langem, chronischem) Stress passiert das noch nicht.

AD(H)S kann also auf ganz verschiedenen Wegen entstehen.
Das Ergebnis ist jedoch stets, dass die DA- und NE-Wirkung dauerhaft verringert ist, ohne dass es dafür einen Stressor benötigt - oder dass dazu schon die kleinsten Stressoren ausreichen.

Danke. :slight_smile:

Das war sehr aufschlussreich.

  1. Teil:

Aus Kapitel 2: Was Psychotherapeuten über das Gehirn wissen sollten

Dieser Abschnitt erklärt, wie wiederholte Wahrnehmung Inhalte deutlicher in Synapsen abbildet. Das ist quasi das Grundprinzip des Lernens auf Nervenzellebene: wiederholte Aktivierung bewirkt eine schnellere Reaktion der Nervenzellen auf künftige Aktivierungen. Hervorhebung ist von mir.
Danach wird erläutert, wie starke Gefühle etwas gelerntes mittels Dopamin tiefer verankern.

„Die zweite wichtige Einflussquelle auf die Bildung expliziter Gedächtnisinhalte ist die motivationale Bedeutsamkeit der bewusst gemachten Wahrnehmungen. Sie wird gespiegelt in den Emotionen, welche die Wahrnehmungen begleiten. Damit kommen weitere Schallkreise ins Spiel. Bewusst wahrgenommen wird alles, auf das sich unsere Aufmerksamkeit richtet. Für die Wahrnehmungen werden zunächst GABA-Rezeptoren (s.o.) der empfangenden Neuronen aktiviert. Diese Aktivierung geht blitzschnell und das erlaubt sehr schnell wechselnde Wahrnehmungen. Diese Rezeptoren haben aber noch nichts mit der Bildung von Gedächtnisinhalten zu tun. Erst wenn die an einem neuronalen Schaltkreis beteiligten Neurone immer wieder aktiviert werden, wenn die Wahrnehmung also andauen, werden die NMDA-Rezeptoren aktiviert. Über den dadurch eingeleiteten zellinternen „Second Messenger Prozess“ wird die Übertragungsbereitschaft der an dem neuronalen Schaltkreis beteiligten Synapsen etwas längerfristiger (für Sekunden bis Minuten) verändert. Dadurch entsteht ein positiver Rückkopplungsprozess. Die bei fortdauernder Wahrnehmung eintreffenden Signale werden immer leichter übertragen und es kommt zu der weiter oben beschriebenen weiterreichenden zellinternen „Second Messenger" Kaskade (cAMP-PKA-CREB,s.o.),die über die Transkription von Genen die Ausbildung weiterer Synapsen und über retrograde Second Messenger zum präsynaptischen Neuron die Erregungsübertragungsbereitschaften zwischen den beteiligten Neuronen massiv verstärkt. An dieser letzteren Kaskade, die für die Bildung langfristiger Gedächtnisinhalte am wichtigsten ist, sind aber nicht nur die NMDA-Rezeptoren beteiligt, sondern insbesondere ligandengesteuerte Rezeptoren. Das sind solche, die auf die Bindung von Neuromodulatoren wie Dopamin, Adrenalin. Acetylcholin und Serotonin spezialisiert sind.
Wenn während einer Wahrnehmung viel Dopamin im synaptischen Spalt verfügbar ist, bindet es an die Dopaminrezeptoren der postsynaptischen Zelle an und trägt zur Positivierung der Membran und damit zur Auslösung eines Aktionspotenzials bei. Gleichzeitig starten die Dopamin-Ionenkanäle von sich aus einen „Second Messenger“ Prozess, wie ich ihn gerade zuvor angesprochen habe. Die über die NMDA-Rezeptoren initiierte
Gedächtnisbildung kann durch solche an den Dopaminrezeptoren ausgelösten „Second Messenger" Kaskaden ganz massiv verstärkt werden. Dopamin wird von dopaminergen Neuronen ausgeschüttet. Das Dopaminsystem spielt eine zentrale Rolle für motivationale Anreize und für Belohnung (Berridge & Robinson, 1998; Rolls. 2000; s. dazu ausführlich Kap. 4). Man spricht sogar vom Dopaminsystem als dem Belohnungssystem.
Der Hippocampus ist, wie auch der präfrontale Cortex und das ganze limbische System, mit dopaminergen Neuronen gut versorgt. Wenn nun gleichzeitig mit den Wahrnehmungen, um deren spätere Erinnerung es uns geht, das Dopaminsystem aktiviert ist - das ist z.B., der Fall, wenn starke motivationale Ziele aktiviert sind - dann wird über die Dopaminrezeptoren der an dem neuronalen Schaltkreis beteiligten Neuronen die Gedächtnisbildung sehr verstärkt. So kommt es, dass wir die Dinge viel leichter lernen, die wir gerne lernen wollen. Wenn man sich gerade frisch verliebt hat und die Telefonnummer des/der Angebeteten hört, braucht es vielleicht nur diesen einen „Lerndurchgang", um diese Zahlen für lange im Gedächtnis zu behalten. Wenn man ganz sichergehen will, sollte man die Zahlen allerdings zwischendrin memorieren, d.h.in den zentralen Arbeitsspeicher rufen, denn die Verweildauer im zentralen Arbeitsspeicher korreliert sehr hoch mit der späteren Erinnerung. Warum, sollte uns nach den vorangegangenen Ausführungen klar sein."

Grawe (2005): Neuropsychotherapie, Seite 76 / 77

Hallo UlBre, vielen Dank, werde ich mir heute Abend mal genauer zu Gemüte führen.

Nachdem du nach Fr. Neuhaus schon der zweite bist, der Klaus Grawe im Zusammenhang mit ADHS anführt, ist es wohl für mich an der Zeit, mich intensiver mit ihm zu beschäftigen.

  1. Teil:

[i]"2.9.2 Die Konditionierung von Angstreaktionen

Zur klassischen Konditionierung auf der Ebene der Synapsen, nun in Bezug auf Angst:
Nehmen wir an, ein mäßig lauter Ton wirke auf das Gehirn ein. Er aktiviert Neuron A
im auditorischen Thalamus. Dieses Neuron alleine ist nicht in der Lage, ein Reaktion bei einem Neuron in der Amygdala auszulösen.
Jetzt folgt kurz nach dem Ton ein schmerzhafter elektrischer Schlag (Neuron B im somatosensorischen Thalamus).
Die Aktivierung von Neuron B führt sofort zur Aktivierung von Neuron A im lateralen Teil der Amygdala, der seinen Input vom sensorischen Thalamus erhält.

Jetzt sind die Bedingungen für die so genannte Hebbsche Plastizität erfüllt: Wenn nun A und C gemeinsam feuern, wird ihre Verbindung verstärkt. Nach wenigen gemeinsamen Aktivierungen von Neuron A und B ist die synaptische Verbindung so stark geworden, dass Neuron A alleine C aktivieren kann. Allein das Hören des Tons ohne elektrischen Schlag, aktiviert nun die Amygdala.

Schauen wir uns noch einmal genauer an, was an der Synapse zwischen Neuron A und C geschieht. Wenn Neuron A durch den Ton aktiviert wird, schüttetes an seinem Axonterminal Glutamat aus. Aber das reicht nicht aus, um die AMPA-Rezeptoren auf den Dendriten von Neuron C zu aktivieren. Die GABA-Hemmung verhindert dies. Nun wird Neuron C durch den Schock von Neuron B aus aktiviert. Das vertreibt das den NMDA-Rezeptor von Neuron C blockierende Magnesium und öffnet diesen Rezeptor zusätzlich zu den AMPA-Rezeptoren. Nun kann ungehindert Kalzium in die postsynaptische Zelle einströmen und einen Second Messenger-Prozess (cAMP-PKA-CREB) innerhalb von Zelle C auslösen (s. dazu die Abbildungen 2.4 und 2.5 und die diesbezüglichen Erläuterungen weiter oben). Diese Kaskade chemischer Reaktionen innerhalb der Zelle resultiert darin, dass Transkriptionsfaktoren Gene im Zellkern aktivieren und sie veranlassen, bestimmte Proteine zu produzieren, welche die Verbindung zwischen präsynaptischem und postsynaptischem Neuron, also zwischen A und C, verstärken. Der Ton löst ab nun die gleiche Reaktion aus wie zuvor der elektrische Schlag.

Natürlich sind es im wirklichen Leben nicht elektrische Schläge, welche die Amygdala aktivieren, sondern wütende Gesichter, ein Überfall, eine verbale Drohung oder eine Erniedrigung. Und es ist auch nicht nur der eine Reiz vorhanden, von dem direkt die Bedrohung ausgeht, wie die Pistole, die fiese Bemerkung usw. So etwas findet immer in einem Kontext statt. Eine Ratte, die immer in einem bestimmten Käfig konditioniert wurde, indem sie kurz nach einem Ton einen elektrischen Schlag bekam, reagiert in Zukunft nicht nur auf den Ton mit Angst, sondern auch auf den Käfig. Sie vermeidet, sich dort aufzuhalten, so gut sie kann. Der Kontext ist mit konditioniert worden. Eine Frau, die in einem Parkhaus überfallen wurde, wird in Zukunft mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht nur vor einem Überfall selbst verstärkte Angst haben, sondern sich auch in Parkhäusern sehr unwohl fühlen und sie nach Möglichkeit vermeiden."[/i]

Grawe (2005): Neuropsychotherapie, Seite 94 / 95

Anmerkung:
Eine Therapie bewirkt, dass die Kontexteinordnung erneuert wird. Der Rahmen Parkhaus wird wieder mit dem positiven Nutzen des Parkens und weniger mit dem Kontext eines Überfalls verbunden. Ein Parkhaus an sich ist ja nicht das Risiko.
Was eine Therapie allerdings nicht beseitigen kann, ist die erhöhte Bereitschaft der Nervenzellen bei gemeinsamer Aktivierung zu feuern. Sprich: Eine Therapie stärkt den PFC, dessen top-down-Regulation die unbewussten Reaktionen des Angstsystems (und der Stresssysteme) regulieren und hemmen kann. Eine Therapie stärkt also die Hemmung überschiessender Angst- / Stress- / XYZ-Reaktionen. Eine Therapie kann nicht verhindern, dass die einmal auf die entsprechenden Reize konditionierten Nervenzellen wieder ganz so „unbeteiligt“ auf derartige Reize reagieren werden wie früher. Der Betroffene merkt davon allerdings nichts, wenn die Hemmung durch den PFC gut funktioniert.
(Das ist eine Zusammenfassung dessen, was Grawe an anderer Stelle dazu sagt).

Nachtrag:
„Wenn ich eine Angstreaktion löschen will, muss ich sie immer wieder hervorrufen, ohne dass etwas wirklich Schlimmes (Eintreten eines unkonditionierten aversiven Ereignisses oder einer Befürchtung) dabei passiert. Es kommt hauptsächlich darauf an,dass sich der Patient genügend oft der angstauslösenden Situation aus setzt, bis die Angstreaktion immer schwächer wird.“
Grawe (2005): Neuropsychotherapie, Seite 106

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  1. Teil

Inkongruenz ist nach Grawe, wenn verschiedene Ziele, die ein Mensch hat, sich nicht miteinander vereinbaren lassen.
Das ist für ihn zentraler

[i]"4.5.2.2 Folgen unkontrollierbarer Inkongruenz

Wenn ein Individuum in einer herausfordernden oder bedrohlichen Inkongruenzsituation kein Mittel findet, die Inkongruenz mit eigener Aktivität zu reduzieren, bleibt die er höhte Erregung, wie sie zuvor beschrieben wurde, bestehen und eskaliert weiter, bis es schließlich zur Aktivierung der HHNA (= HPA-Achse)und zur Glucocorticoidausschüttung kommt. Glucocorticoide können leicht die Bluthirnschranke durchdringen und an die Glucocorticoidrezeptoren der Neuronen und Gliazellen binden. Normalerweise kommt dadurch ein negativer Rückkopplungsprozess in Gang, der die weitere Ausschüttung von Stresshormonen herunterreguliert. Wir hatten oben gesehen, dass dieser Rückkopplungsmechanismus,der das Gehirn vor den Auswirkungen eines dauerhaft zu hohen Cotisolspiegels schützt, durch ein „Stressimpfungstraining" dauerhaft gestärkt werden kann, was die spätere Empfindlichkeit auf Stress reduziert.
Wenn nun aber die unkontrollierbare Stresssituation anhält - stellen wir uns etwa einen schlimmen physischen oder sexuellen Missbrauch eines Kindes vor - wird der negative Rückkopplungsmechanismus durchbrochen und es kommt zu einer eskalierenden Dysregulation. Die Erregung steigt immer weiter an und mit ihr die Glucocorticoidausschüttung. Die Mechanismen, die nun in Gang kommen, wirken nicht so schnell wie die noradrenerge erste Stressreaktion. Sie wirken nämlich über eine veränderte Genexpression (s. als Hintergrund zum folgenden Kap. 2.3). Es wird die Bildung von cAMP unterdrückt und damit das in Gang kommen der „Second Messenger" Kaskade verhindert, die sonst durch die noradrenerge Stimulierung aktiviert würde. Der cerebrale Energiestoffwechsel wird herabgedrosselt ebenso wie die Bildung neurotropher Faktoren und die Neubildung von Synapsen. Das Übermaß an Glucocorticoiden schädigt die aktivierten Glutamatsynapsen und die Pyramidenzellen im Hippocampus, die die höchste Dichte von Glucocorticoidrezeptoren haben. Auch die noradrenergen Axone und Nervenendigungen im Cortex sind sehr empfindlich auf Cortisol und beginnen zu degenerieren. Auf der Verhaltensebene kann ein zu hoher Spiegel an Glucocorticoiden zur Löschung zuvor erworbener Verhaltensweisen führen.
Eine prolongierte unkontrollierbare Stresssituation, die die HHNA-Achse (= HPA-Achse) aktiviert, führt also zu einer Destabilisierung zuvor bereits gebildeter neuronaler Verbindungen. Es tritt genau das Gegenteil ein wie bei kontrollierbarem Stress. Mit der Destabilisierung vorhandener neuronaler Erregungsmuster werden auch die Verhaltensweisen betroffen, denen diese neuronalen Erregungsmuster zu Grunde liegen. Es kommt also zu einer all gemeinen Destabilisierung des neuronalen/psychischen Geschehens."[/i]

Grawe (2005): Neuropsychotherapie, Seite 244 / 245

Ich kann das Buch von Grawe nur wärmstens empfehlen. Er bespricht darin auch grundlegende psychotherapeutische Ansätze, die aus diesen Grundlagen folgen.
Es kostet nicht viel (knapp 30 Euro).

Ihr unermüdlich Fachgründelnden,

Nicht ganz!

Grawe hat versucht, psychologisches Allgemeingut zu innerpsychischen Konflikten auf neurobiologisch abbildbare Füße zu stellen - und das ziemlich differenziert.

Bei der Wahl der Begrifflichkeiten war er kreativ - und etwas beliebig und irreführend, und hat sich entschieden

als Inkongruenz die Unvereinbarkeit der Wahrnehmungen mit den eigenen Zielen (= es passiert nicht das, was ich will) und
als Diskordanz die Unvereinbarkeit verschiedener Ziele (wenn ich X erreiche, erreiche ich nicht zugleich Y) zu bezeichen (beides Grawe, 2004, S. 190).
Übergeordnet nennt er jede Form von Spannung/Konflikt/Widersprüchlichkeit „Inkonsistenz“, daher heißt sein Theorieentwurf zu psychischen Störungen / psychischer Gesundheit auch „Inkonsistenztheorie“.

Meiner Meinung nach sind die Konzepte hilfreich, die Begriffe aber nebensächlich - bloß wenn man letztere verwendet, dann bitte gerne korrekt.

Es salutiert
Cassiopeia

Ich hab letzte Woche einem Arbeitskollegen erzählt (er wollte wissen, warum ich Urlaub hatte - > bezüglich meines verpassten Diagnose Termins), dass ich bei mir ads bzw adhs subtyp vermute.
Ich stehe im sehr engen Kontakt zu ihm, habe ihm von meiner inneren stimmungslabilität erzählt, worauf hin er meinte, dass das nach außen hin gar nicht hervor dringt, obwohl ich häufig das Gefühl bekomme nervlich zusammen zu brechen.
Ich vermute, dass ich dann in einer dissoziation stecke.
Was ich mich dazu noch frage ist, (auch frage an dich @UlBre) impulsivität definiert man ja wenn man aus der haut fährt, aber wie nennt man dass wenn man in die haut fährt… Also nach außen hin völlig ruhig ist, aber dieses impulsive Verhalten allein an sich aus lässt?

… Internalisieren…?

@Rocco

Hi Rocco,

das habe ich mich schon öfter gefragt - ob Impulsivität wirklich ein Symptom ist, das es nur bei den Stress-externalisierenden ADHSlern gibt, oder ob das Stress-internalisierende ADS auch Impulsivität kennt, nur dass es eben nicht nach aussen sichtbar wird.

Könntest Du vielleicht ein wenig genauer beschreiben wie Du das meinst und wie sich das anfühlt ?
Kann sonst jemand aus der non-H-Fraktion eine sich nach innen wendende Impulsivität beschreiben ?

Wenns das gibt, finden wir sicher auch bald nen passenden Namen dafür…

Viele Grüße

UlBre

Hm.

Bei uns Schildkröten heißt das „Gefühle“.

Cassiopeia

Hhhhm es gibt ja explodieren und implodieren.

Dann müsste es nach außen hin eigentlich heißen expulsiv und nach innen impulsiv , oder ??? :wink: :wink: :wink: :wink: :wink:

Ich glaube man muss unterscheiden ob ich einem Impuls nachgehen oder es schaffe ihn zu regulieren, dass läuft dann ja nach innen ab, kann ggf. extreme Komenpansationsenergie kosten.

Oder aber ein Impuls „triggert“ mich und ich kann nicht nach außen agieren, wo es sogar vielleicht angebracht wäre , also ich bin gelähmt und deswegen läuft was im inneren ab.

Also wenn man ADHS hat und Impulsiv ist und es nach außen geht dann hat man keine Impulskontrolle.
Habe ich ADHS und kann Impulse kontrollieren, sei es durch Selbstkontrolle oder Medikation ist ADHS und das Problem der Impulsivität aber immer noch vorhanden nur nicht mehr sichtbar.

Neurptypsich hat man einen anderen Filter, bestimmte Impulse lösen gar keine Reaktion aus die kontrolliert werden müsste , oder kommen garnicht als Impuls an .

Wenn Du nicht willentlich kontrollierst, nach aussen keine Regung zu zeigen, sondern Dich eher erstarrt und handlungsunfähig fühlst, könnte es sein, dass Du Dich im freeze/faint-Zustand einer Stressreaktion befindest, mit dem Window of Tolerance gesprochen.

https://www.dis-sos.com/window-of-tolerance

bzw. Shutdown/freeze/faint dorsale Vagusreaktion nach der Polyvagaltheorie.

Also Hochstress ohne „fight/flight“, was man wie @Nelumba_Nucifera auch als implodieren bezeichnen könnte.

LG,
Cassiopeia

Aah, muss ich mal lesen, meine ich, ohne das Konzept gekannt zu haben, manchmal so zu erleben…

Sorry, die Frage habe ich zwar so aus dem stehgreif gestellt, aber für die passende Antwort musste ich doch nochmal etwas graben.

Impulsivität bei ADHS ist doch auch unter anderem durch Rejection Sensitivity ausgelöst? Oder täusche ich mich da?

Wenn ich von einer nach inneren Impulsivität berichte, gehört RS aufjedenfall zu den Auslösern.
Es passiert wenn ich vor den Kopf gestoßen werde (auch wenn ich dieses „vor den Kopf gestoßen“ im Vorfeld erahnen, trifft es genauso zu), dann beginnen, aufgrund meiner Selbstwert Problematik und in meinem Minderweitigkeitkomplex, meine Gedanken so an durch zu drehen, dass ein hyperfokus der allerübelsten Sorte entsteht.
Ich fange dann an in Worst-Case-Szenarien zu katasophieren.
Beispielsweise ein Kunde war unzufrieden mit meiner Arbeit (natürlich habe ich wegen prokrastination dann nicht genügend Zeit geopfert, um das best wirkliche zu erreichen).
Wenn mein Chef dann zu mir ankommt, mich darauf anspricht, gehe ich gleich davon aus, dass ich bald gekündigt werde, obwohl ich in den meisten Fällen sehr gute Arbeit leiste. Vor allem ist in unserem Büro eine sehr Familäre Atmosphäre, da wird jemand nicht einfach so mal eben gekündigt.

Das macht sich dann auch körperlich bemerkbar. Mein Schulterbereich spannt sich an. Ich kriege so einen kalten Angstschweiß und meine Atmung wird sehr flach und kurzatmig. (ich weiß das klingt wie eine Angststörung, aber da ich schonmal sowas hatte möchte ich das verneinen, weil bei einer Angststörung gab es nie den einen offensichtlichen Auslöser, es war eine grundlegende Unzufriedenheit mit meinem Leben)
Das ganze löst dann auch eine starke Inaktivität aus, ich denke weil diese Angst eine lähmende Wirkung auf mich hat. Bei Termin druck löst diese Angst aber auch eine hohe Produktivität aus.

Woran ich da bisher arbeite ist, an meinem Selbstwert zu arbeiten, meine Arbeit nicht mit meiner Persönlichkeit zu identifizieren und Vermeidung von prokrastination. Das hilft sehr gut. Das letzte Mal das ich sowas hatte ist schon ca. 1/2 Jahr her.

Inzwischen bin ich mir auch sicher, wenn ich ADxS habe, dann bin ich mittlerweile ein subtyp.

Ich muss dem noch etwas hinzufügen…

Bei dem katastrophieren ist das so ein Gedanken Dickicht, dass ich die „Aussenwelt“ nicht mehr mitbekomme. All meine Aufmerksamkeit gehört dann den Gedanken und Gefühlen die so eintreffen.
Wenn ich das jetzt mal überhaupt so reflektieren kann, wirke ich auf die Aussenwelt hölzern.

Ich glaube das ist der negative Hyperfokus.

Impulsivität kommt bei mir einerseits aus der RS, andererseits aus dem „nicht erwachsen geworden“ Zustand. Ich reagiere oft impulsiv bei wichtigen Entscheidungen, Einkäufen etc.

Katastrophieren kenne ich auch ganz gut. Die Medis helfen aber die Situation und die Konsequenzen daraus besser einzuschätzen.

Hattest du schon deinen Termin?

Bei mir gibt’s verschiedene Formen wie ich auf Stress reagiere.

Mich stresst es extrem wenn etwas schwachsinnig läuft und ich das Gefühl habe wieso sind alle anderen so doof und sehen nicht was falsch läuft.
Sprich auf arbeit haben wir viel Chaos, ein noch in der Entwicklung befindliches Produkt. Ich bin ein Verfechter von Lean und Poka Yoke und kann nicht verstehen wieso das meine Firma nicht macht bzw. die Philosophie dahinter nicht versteht. Wird das Chaos zu viel steigt mein Kopf aus und ich verstricke mich in eine endlos Schleife. Zerlege dann vor verantwortlichen die Prozesse, das Produkt und gefühlt alles bis in seine Einzelteile wobei alle Beteiligten nicht gut weg kommen. Kann mich nicht mehr bremsen und erreiche dadurch genau das Gegenteil. Bin Deswegen auch sehr unbeliebt bei Kollegen und am meisten bei vorgesetzten und der Entwicklung. Ein besser wisser… Das schlimme ist ich habe meistens Recht :aufsmaul

War zwei Jahre in einer anderen Firma Gruppenleiter und hatte eine kleine Abteilung unter mir wo ich mich ausleben durfte. Das war anfangs super. Endlich konnte ich alles umbauen. Habe die komplette Fertigung umgebaut und alle Arbeitsanweisungen neu geschrieben, Prozesse umgebaut… Kann aber nicht strukturieren bzw. Filtern was ist wie wichtig und wann zu machen. Also habe ich alles sofort und gleichzeitig gelöst. Ging eine zeitlang gut bis zu meinem Zusammenbruch und Klinik. Das hat mich den Job gekostet. Aber es fehlt mir so sehr. Ich dachte einen Schritt zurück in die Produktion würde mir den Stress nehmen und ich mich auf daheim und mich konzentrieren… Ging voll in die Hose ist noch viel schlimmer da ich nix zu melden habe und nichts ändern darf. Träume seid Jahren von einer Selbständigkeit obwohl ich weiß das mir A das Geld fehlt und B mich überfordern würde. Aktuell schaue ich ganz in Ruhe nach einem neuen Job wo ich mich wieder ausleben darf. Nur schwierig aktuell und ohne Studium.

Fall zwei jemand greift mich verbal an oder die Tochter schreit und tobt (ist „leider“ ein Klon von mir). Dann raste ich verbal aus und brülle… Habe mich nicht unter Kontroll. Daran arbeite ich seit Jahren. Ist inzwischen auch mit Elvanse deutlich besser geworden. Früher habe ich so neben mir gestanden das ich nicht mehr aktiv reagieren konnte und durchaus jemandem in einem Geschäft übel beschimpft habe. Sehr sehr unschön für alle.

Außer Medis ist bisher keine Therapie in meinem Hirn so verarbeitet worden das ich es komplett in den Griff bekomme. Wird mal besser dann wieder schlechter…