Hallo zusammen,
ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit mir selbst auseinandergesetzt – vor allem mit meinen Verhaltensmustern, Eigenarten und Alltagsproblemen, die sich durch mein ganzes Leben ziehen.
Ich frage mich inzwischen ernsthaft, ob es einfach nur „meine Persönlichkeit“ ist – oder ob etwas dahintersteckt, das ich bisher nie richtig greifen konnte. ADHS steht im Raum, aber ich möchte niemandem etwas „wegdiagnostizieren“. Deshalb habe ich ein sehr ausführliches, rückblickendes Symptomtagebuch geschrieben – Stand bis zum Alter von 17 Jahre ca. wobei viele Dinge auch heute noch aktuell sind.
Vielleicht erkennt sich ja jemand wieder oder kann mir eine Einschätzung geben? Ich freue mich über jede Rückmeldung, ganz egal ob zustimmend, kritisch oder ergänzend
Hier mein Tagebuch:
Kindheit (bis ca. 12 Jahre)
- In der Grundschule als sozial kompetent, gerecht und freundlich beschrieben
- Empfehlung fürs Gymnasium
- Gute Beiträge im Unterricht, engagiert in Gesprächen
- Teilweise Ablenkbarkeit im Unterricht
- Schönes Schriftbild „wenn er will“
- Flüchtige Fehler bei Konzentrationsmangel
- Gute Auffassungsgabe, sicher bei bekannten Inhalten
- Kreatives Schreiben, aber inhaltlich manchmal ungenau
- Interesseabhängige Leistung im Sachunterricht
- Häufiges Erleben von Langeweile
- Viele Hobbys begonnen, aber nicht dauerhaft verfolgt (z. B. Gitarre, Feldhockey, Tischtennis)
- Fantasiegefährte (Klabauter) als innerer Begleiter
- Rollenspiele, z. B. Geheimagent mit improvisiertem Headset
- Tendenz zu chaotischem Verhalten, wenig Ordnungssinn
- Probleme mit außerhäuslicher Übernachtung, z. B. bei Freunden oder Klassenfahrten
- Einschlafprobleme, hohe Lichtempfindlichkeit – Fenster wurden mit schwarzer Pappe abgedunkelt
- Episodenweise Beißen als Kind, mit Schwierigkeiten beim Stoppen
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Jugend (ca. 13–18 Jahre)
- Zwei Mal sitzen geblieben
- Schwierigkeiten mit Struktur, Organisation und Lernverhalten
- Mangelnde Motivation bei Desinteresse
- Aufschieben von Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitung
- Flüchtigkeitsfehler in Klassenarbeiten
- Versuch, Aufgaben oder Nachhilfe zu umgehen oder zu manipulieren
- Gute Leistungen in interessensbasierten Fächern (z. B. Informatik)
- Phasenweise Mobbingerfahrung
- Emotionale Überforderung, schnelle Tränen
- Starkes emotionales Reagieren bei Kritik oder Ablehnung
- Klassenclown-Verhalten zur Kompensation
- Schwierigkeit, sich mit dem Gymnasium zu identifizieren
- Aufblühen nach Schulwechsel (Realschule), besseres soziales Standing
- Hohe soziale Kompetenz laut Lehrkräften, trotz schlechter Leistungen
- Schwäche in Mathematik über gesamten Zeitraum
- Erinnerung an extrem starke emotionale Reaktionen bei Beziehungsthemen in späterer Jugend
- Schwierigkeiten mit Loslassen und Nähe-Distanz-Balance in frühen Beziehungen
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Erwachsenenalter (ab ca. 2011)
- Schwierigkeiten, einen klaren Berufswunsch zu entwickeln
- Hohe Interessenvielfalt, aber wenig Langzeitmotivation
- Wiederholte Ausbildungsabbrüche oder Umorientierungen
- Probleme mit täglicher Struktur und Regelmäßigkeit (z. B. morgens aufstehen)
- Schwierigkeiten mit BWL/Rechnungswesen in schulischer Ausbildung
- Bessere Leistungen im praktischen, technischen Bereich (z. B. Linux, Netzwerke)
- Emotionale Reaktionen auf Umzüge, starke Bindung an Elternhaus
- Konfliktsituationen mit impulsivem Verhalten unter Einfluss (Festival-Episode)
- Bedürfnis nach Reiz, Neuigkeit, Spannung (z. B. Interesse an Notfällen, Krisen, News)
- Tendenz zum Hyperfokus bei Interesse
- Sexualverhalten stark von Nähe, Bindung und innerem Leistungsanspruch geprägt
- Masturbation häufiger bei Langeweile, Gefühl von innerem Druck, To-do-Gedanke
- Innere Aufschieberitis bei Alltagsaufgaben, z. B. Katzenklo reinigen
- Routinen funktionieren, wenn sie strukturiert und visuell greifbar sind
- Aufgeschobene Aufgaben kreisen im Kopf weiter, erzeugen schlechtes Gewissen
- Innerer Kampf zwischen „Ich müsste“ und „Ich schaff’s nicht“
- Seit Kindheit anhaltende Ohrgeräusche (Tinnitus-ähnlich)
- Hohes Maß an Selbstreflexion und Zweifel am eigenen Erleben („Ist das normal?“)
- Ständiges Gefühl, anders zu ticken als andere
- Gefühle von Müdigkeit und innerer Unruhe gleichzeitig
- Reizoffenheit, besonders bei Geräuschen und emotionaler Spannung
- Gutes Langzeitgedächtnis für Details, Namen, Situationen
- Schwierigkeiten mit Durchschlafen, frühmorgendliches Erwachen mit aktivem Kopf
- Bewegungsunruhe (z. B. Wippen, Kauen an Fingern beim Autofahren)
- Strukturierter Umgang mit Sexualität in Beziehung, aber Gedanken oft bei Erfüllung des Gegenübers
Danke an alle, die sich die Zeit nehmen
Falls jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder selbst mal an sich gezweifelt hat – ich bin mega offen für Austausch.
Achja, den Test von ADxS.org habe ich bereits gemacht: 28 von 43 Symptomen laut Auswertung.
ICD 10
Unaufmerksamkeit:
7 von 9 Symptomen
ICD 10 motorische Unruhe:
2 von 5 Symptomen
Grüße