Schwierigkeiten mit Entscheidungen unter Elvanse

Hi,

jetzt sind es fast zwei Wochen dass ich mit Elvanse begonnen habe, seit einer Woche mit 50mg die ich gut vertrage und insgesamt fühle ich mich deutlich besser als ohne. Ich bin sehr viel entspannter, depression ist eigentlich komplett weg, aber ich habe auch das Gefühl, dass mir vieles gleichgültiger geworden ist (vielleicht die Kehrseite von sich nicht mehr über so vieles aufzuregen und sich runzerziehen zu lassen).

Vor einem Monat habe ich noch entschieden im Sommer für 4 Monate nach Teneriffa zu gehen um für einige Zeit mal etwas komplett anderes auszuprobieren. Aktuell ist die Begeisterung dafür ziemlich verschwunden, da es ja eigentlich ganz schön hier ist.

Eigentlich hab ich die Entscheidung auf meinem Tisch ob ich unserem Mieter kündigen soll (Grund dafür besteht, soll hier nicht diskutiert werden) aber ich schiebe es auf und will eigentlich gar keine Entscheidung treffen.

Früher war es eigentlich meine Stärke Entscheidungen treffen zu können.
Es ist schon erstaunlich wie viel dieses Medikament ausmacht.
Ich hab schon verschiedentlich gelesen, dass man nach zwei Wochen noch keine wirkliche Aussage treffen kann wie es weiter wirkt aber ich mache mir halt Gedanken.
Ein bisschen hab ich auch den Verdacht dass sich das mit der Scheu für Entscheidungen auch ein Problem bei der Motivation für meine Arbeit ist, da ich da laufend kleine Entscheidungen treffe. Bei der Freizeit und Hausarbeit ist das nicht so erforderlich, das geht viel leichter.
Insgesamt empfinde ich mich als sehr viel passiver als zuvor.

Macht es evtl Sinn auf 40mg zu reduzieren oder einfach mal abwarten?

Liebe Grüße
Thomas

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Es sind zwei Wochen. Wenn du dich wohl fühlst ist es super, beobachte es die nächsten Wochen weiter.

Meiner Erfahrung nach hilft mir Elvanse Entscheidungen zu treffen und auf impulsive Entscheidungen zu verzichten. Impulsive Entscheidungen sind für mich etwas, wo ich etwas beschlossen habe ohne es vorher durchdacht zu haben.

Wenn Probleme beim Finden von Entscheidungen aufkommen, liegt es bei mir dann weniger am Elvanse als das intrinsisch bei mir etwas nicht passt, wo ich rausfinden muss wieso ich mich schwer tue. Elvanse stoppt daher die Impulsivität, was dich nun vlt. etwas ungewohnt vorkommt? Ich wurde den Schwarzen Pedro nicht dem Elvanse zuschieben.

Ich gehe jetzt nun eher die psychologische Seite an:

  1. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

  2. Was war der Anlass?

  3. Wieso ist die Begeisterung verschwunden?

  4. Wieso ist es nun hier schön?
    :wink:

ahoi, das habe ich sehr ähnlich erlebt, als ich zwei, drei Monate Elvanse probiert habe.

Anfangs fiel mir das nicht so auf, da habe ich eher meine gute Stimmung und die Ruhe vor Depressionen und Ängsten genossen, wie du auch schreibst.
Mir ging es die ganze Zeit mit Elvanse echt gut psychisch, daher ist es (Stand jetzt) mein liebstes Medi vom Trio Medikinet-Ritalin-Elvanse.

Aber ich habe auch diese leichte Gleichgültigkeit an mir beobachtet. Wie Pedro schreibt, kann es aber auch einfach sein, dass alle Gedanken, die einem vorher in Sekundenbruchteilen mit hohem Druck durchs Hirn geschossen sind, durch Elvanse die Power genommen bekommen. Vielleicht hat es tatsächlich einfach damit zu tun, dass wir diesen „lowen“ Zustand unserer Gedankenbahnen einfach nicht gewohnt sind :smiley:

Die Medis machen unsere Hirne im besten Fall etwas ruhiger und geordneter. Kann also auch sein, dass wir Themen dann anders bewerten als vorher.

Für mich hat es sich ohne Medis zB immer angefühlt im Kopf wie ein elendig langer Gang mit lauter Türen links und rechts. Alle springen gleichzeitig auf und aus jeder Tür kommt ein Gedanke raus, alle wollen gleichzeitig da sein. Da war nix geordnet oder priorisiert, Entscheidungen konnte ich dafür immer sehr schnell treffen.
Die Ordnung hatte ich durch Elvanse mehr, da fühlte sich mein Kopf tatsächlich eher wie ein aufgeräumter Desktop, mit vielen Unterordern an, die gut sortiert sind (gut, naja, besser als vorher zumindest).

Das mit dem „hier ist es ja auch schön“ kenn ich ebenfalls :smiley: mittlerweile hab ich so viel Lust zuhause zu sein, wie noch nie vorher in meinem Leben, und ich war tendenziell ein Drinnie.
Denke, dass Adhs ein Teil unserer Persönlichkeit ist, der die guten, aber auch weniger guten Seiten mit sich bringt.
Durch Medis werden eventuell auch die schönen Seiten daran abgeschwächt, dieses freudige, begeisterte („hey, auf nach Teneriffa!“). Gleichzeitig kann es ja auch heilsam sein, sich in der Heimeligkeit einzuigeln, weil man sie mehr genießen kann :).

Aber das sind alles Schlüsse, die jede Person individuell nur für sich selber ziehen kann.
Ich wünsche dir eine erkenntnisreiche Eingewöhnung und dass du das richtige Medikament für dich findest! :seedling::blush:

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Dank Dir, das ist zumindest sehr interessant, dass ich nicht der einzige bin der so was erlebt.
Hattest Du das nur während der Eingewöhnung mit Elvanse oder ist es dabei geblieben?
Bin mir nur nicht sicher, ob diese Gleichgültigkeit und scheu die Initiative zu ergreifen wirklich das beste ist.

Ich hatte als ich die Idee nach Teneriffa zu gehen kurz zuvor eine Art Erleuchtung gehabt, als ich erkannt habe, dass ich mit 53 und zwei fast Erwachsenen Kindern durchaus noch was ganz anderes machen könnte, z. B. eine Ausbildung zum DiveMaster. Das hatte mich erstmal sehr viel freier im Kopf gemacht. Komischerweise haben sich erst danach die ADHS spezifischen Symptome viel deutlicher gezeigt. Wodurch ich überhaupt den Weg zur Diagnose und Medis genommen habe.

Eventuell probiere ich tatsächlich auf 40mg runter zu gehen um zu sehen ob sich was ändert.
es ist ein sehr komisches Gefühl eine Entscheidung wie die Kündigung einfach nicht treffen zu wollen. Weder ja noch nein.
Wieder mal völlig faszinierend aber auch erschreckend wie sehr unsere Hirnchemie uns bestimmt.

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„Dank Dir, das ist zumindest sehr interessant, dass ich nicht der einzige bin der so was erlebt.“

da bist du nicht alleine mit :blush:!

„Hattest Du das nur während der Eingewöhnung mit Elvanse oder ist es dabei geblieben?“

Das ist eine interessante Frage, deren Antwort ich gerade noch nicht genau weiß. Ich habe meine Diagnose auch noch nicht so lange, seit August 2023. Erst hatte ich Medikinet adult retard für zwei Monate, dann Elvanse (vielleicht waren es sogar mehr als drei Monate Einnahmezeit, fällt mir gerade auf) und jetzt Ritalin adult, retardiert.
Zuerst ist ja die Diagnose ein neuer Meilenstein. Ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber vielen geht es ja so, dass ein großer Aha-Moment stattfindet und man erstmal erleichtert ist.

So war es bei mir zumindest. Das hat schon mal einen riesigen Balast ausgemacht, der sich aufgelöst hatte. Dazu kam, dass ich noch Depressionen hatte. Die Anfangszeit mit Medikinet war daher nicht so dolle, da war ich zwar sehr ruhig innerlich, aber dafür hat meine Sozialangst voll reingekickt, die ich immer hatte. Da war ich sozial trotzdem sehr aktiv, aber habe mich nicht unbedingt gut dabei gefühlt psychisch. Glaube, das war einfach das, wie ich es immer kannte: mich zwar unwohl fühlen, aber trotzdem rausgehen und das Nervenkostüm strapazieren.

Mit Elvanse war das dann anders, psychisch gut, sozial zurückgezogen, weniger entscheidungsfreudig, aber top Laune :smiley: - das war mir am wichtigsten, die Depris wegzukriegen.
Tja, jetzt mit Ritalin (was ich ja erst 3 Wochen nehme) bin ich noch im selben Modus, außer, dass ich wieder etwas sozial werde. Aber nicht so, wie vor der Diagnose/Medikation. Eher in Maßen. Fühlt sich an wie das erste Mal wirklich auf sich hören zu können, bedürfnisorientiert zu leben quasi und nicht dopaminorientiert.

Gerade bin ich dabei rauszufinden, ob ich mich gut damit fühle, sozial anders zu leben, als früher. Dazu kommt, dass ich immer viel feiern war, mit Alkohol und anderem Zeug, was man besser nicht anrührt. Das alles vermisse ich nicht, will und brauche es auch nicht mehr. Alte Verhaltensmuster loswerden, das ist jetzt mein Ziel.

Mein Fazit lautet also: der Zustand des einigelns dauert auch nach Elvanse noch an, verändert zwar, aber es fühlt sich an wie der richtige Weg, den ich ohne Medis nicht so leicht, oder besser, gar nicht gefunden hätte.

„Eventuell probiere ich tatsächlich auf 40mg runter zu gehen um zu sehen ob sich was ändert.“

Die Dosis zu ändern kann sicher gut sein, wenn du testen möchtest, wie es mit weniger wirken würde. Hast du denn eine gute ärztliche Betreuung?

Wie Pedro aber auch schon schrieb, sind zwei Wochen tatsächlich noch nicht so viel Zeit. Ich kenne das Gefühl aber auch, dass man unruhig wird, es fühlt sich alles etwas anders an, als man es gewohnt ist, man muss sich erstmal an das neue Leben mit Medis gewöhnen und kann noch nicht so wirklich einschätzen, was und wie sie wirken. Damit möchte ich dir natürlich nicht dein Gefühl absprechen! Und wenn du anders dosieren willst, dann mach das so wie du denkst (am besten immer in Absprache mit dem Arzt).
Vielleicht hilft es dir auch, wenn du ein Medi-Tagebuch führst?

„Ich hatte als ich die Idee nach Teneriffa zu gehen kurz zuvor eine Art Erleuchtung gehabt, als ich erkannt habe, dass ich mit 53 und zwei fast Erwachsenen Kindern durchaus noch was ganz anderes machen könnte, z. B. eine Ausbildung zum DiveMaster. Das hatte mich erstmal sehr viel freier im Kopf gemacht. Komischerweise haben sich erst danach die ADHS spezifischen Symptome viel deutlicher gezeigt. Wodurch ich überhaupt den Weg zur Diagnose und Medis genommen habe.“

Finde die Überlegung echt top! :hugs: also mit dem was anderes machen wollen. Kann mir vorstellen, dass das sicherlich auch ne Erleichterung war, aus dem Alltagsgedankenkarussel auszubrechen und zu sagen jap, das mach ich jetzt so! Sich für was zu entscheiden schließt andere Wege aus, die dann nicht mehr an einem zerren gedanklich.

Nur so ein Gedanke, weil du dich nach der Entscheidung viel freier gefühlt hast und die ADHS-Symptome stärker rauskamen:
meinst du, du hast die Symptome vorher versucht stark zu maskieren? ADHS ist ja von Geburt an da, Symptome können sich übers Leben verändern, aber da waren sie ja sicher immer, nur vielleicht mehr unterdrückt, oder?

Ich hatte bei Elvanse das Problem,das ich mich viel besser entscheiden und auch durchsetzen könnte .
Aber ich habe mir noch das gemacht was ich wollte und auf meine Familie so gut wie gar keine Rücksicht mehr genommen .
Ich habe einen Mann und zwei Kinder zwar schon erwachsen aber ich habe das nicht als OK empfunden.
Außerdem könnte ich mit der Einnahme von Elvanse nachts nicht schlafen

Bin wirklich gespannt, wie es sich bei Dir mit dem neuen Medikament weiterentwickelt. Hattet ihr auch mal Concerta erwogen? Es soll ja eine bessere retard Wirkung im Vergleich zu Medikinet haben.

Ich denke, dass die Depression in der Vergangenheit sehr im Vordergrund stand. Ich hab jetzt auch kein sehr stark ausgeprägtes ADHS. Ich bin auch wirklich gespannt wie lange die Ansicht, dass man ADHS immer von Kindheit her hat halten wird, schließlich weiß man immer mehr wie sehr sich unser Hirn auch im Alter noch verändern kann.
In der Vergangenheit waren Depressionen und vor allem völlige Antriebslosigkeit das Hauptproblem. Dieses Jahr fing es dann damit an, dass ich mich immer schwieriger auf etwas konzentrieren konnte.

Das zeigt zumindest, dass das Medikament deutlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat.
Was nimmst Du denn jetzt und wie ist der Unterschied?

Zur Zeit nehme ich Concerta entweder 18 oder 27 mg je nach Belastung am Tag.
Die Entscheidung fällt mir eigendlich Recht leicht .
Mit Elvanse habe ich halt meine eigene Meinung besser durchgesetzt was aber in der Familie zu starken Auseinandersetzungen geführt hat.
War mir halt zu anstrengend und ich hatte halt auch schlimme Durchschlafprobleme.

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