Hi zusammen,
ich habe heute das Ergebnis meiner Diagnose bekommen und es ist genau das eingetreten, wovor ich große Angst hatte: Laut Diagnose ergaben sich lediglich schwache Hinweise auf ADHS. Für mich fühlt sich das aber gar nicht so an. Laut Diagnose erfülle ich zwei Kriterien nicht und zwei weitere nur knapp.
Ja, mir fehlt die Hyperaktivitäts-Ausprägung, das ist korrekt. Aber ich habe so unfassbar große Probleme mit der Aufmerksamkeit bei einer Sache zu bleiben. Ich habe das Gefühl, mein working-memory ist einfach nicht groß genug, oder wird ständig von neuen, mit für das jeweilige Vorhaben unwichtigen Dingen überschrieben. Je komplexer die Aufgabe, desto schwieriger fällt mir es, damit überhaupt anzufangen. Manchmal habe ich Tage, an denen ich mich quasi im 30-Sekunden-Takt wieder zurück zu meiner Aufgabe holen muss.
Das ist dann so unfassbar anstrengend, dass ich binnen weniger Minuten etwas anderes mache. Beispielsweise ein Video auf Youtube schauen, mittendrin springe ich dann aber schon wieder zum nächsten Video, etc. pp.
Oder ein ganz konkretes Beispiel: Ich mache Kraftsport und stelle mir in den Satzpausen extra einen Timer, um nicht zu viel Zeit zu vertrödeln. Während den Übungen kommt es nicht selten vor, dass ich mich dabei verzettele, bis 6 (Wiederholungen) zu zählen. („Halt stop, wo war ich jetzt? Bei 4? Bei 5? Shit…“) Und wenn ich während des Trainings auf die Uhr schaue, bin ich immer wieder aufs neue erstaunt, wie viel zeit denn schon wieder vergangen ist.
Das lässt sich so auf fast alles übertragen, was ich so mache / erledigen muss… (Und ich könnte hier ewig weiter von Situationen erzählen) Habe immer riesige Probleme mit Deadlines oder generell Dinge zu tun, die sich über einen längeren Zeitrum erstrecken (Ganz schwieriges Thema und es geht immer schief!)
Habe deswegen riesige Probleme mit der Arbeit und bekomme auch privat nicht wirklich was auf die Reihe…
Soweit ein kurzer Exkurs zu meinen Problemen, zurück zur Diagnose:
Laut ICD-10 und DSM-IV erfülle ich
9 von 6 erforderlichen Kriterien bzgl. Aufmerksamkeitsdefizit
4 von 3 erforderlichen Kriterien bzgl. Hyperaktivität und
2 von 1 erforderlichen Kriterien bzgl. Impulsivität
Soweit so gut, gab es noch 3 weitere Skalen:
Wender-Rheimherr-Interview (WRI): 31 Punkte (40 erforderlich)
Wender-Utah-Scale: 25 Punkte (30 erforderlich) und eine Art Checkliste (ADHS-DC) mit 6 (6 erforderlich) bei Aufmerksamkeitsdefizit, 3 (3 erforderlich) bei Hyperaktivität und 1 (1 erforderlich) bei Impulsivität.
Jedenfalls sah die Therapeutin bei dieser Diagnose wenig Handlungsbedarf ihrerseits. Eine Therapie (im Sinne von Therapiestunden) könne ich in Angriff nehmen, um weiter zu versuchen herauszufinden, woher meine Probleme kommen, aber so richtigen Bedarf sehe sie da nicht. (Zudem hatte ich vor Jahren schon einmal Therapiestunden, die mir überhaupt nichts gebracht haben) Und Medikamente verschiebe sie bei der nicht ganz so eindeutigen Diagnose auch nicht.
Andererseits hat sie mir dann nahe gelegt, mir doch einen anderen Arzt zu suchen, der in diese Richtung etwas lascher drauf ist und mir etwas verschreibt (sofern ich denn Medikamente ausprobieren mag)
Gerade Letzteres ist doch super strange, was soll das?!
Ärzt:innen abklappern und nach einen Rezept betteln ist ja auch genau meine Paradedisziplin. Und wie sieht das überhaupt aus?
„Guten Tag! Also die Person, die die Diagnose gestellt hat, wollte mir nichts verschreiben, bitte verschreiben sie mir was?“ Na das klappt sicher!
Dabei hab’ ich wirklich harte Probleme und sooo gehofft mit/nach der Diagnose eine Medikation zumindest ausprobieren zu können und so vllt. endlich mal einen Fuß auf den Boden zu bekommen und irgendwie, „ins Erwachsenen-Leben“ zu starten (Ich bin diesen Monat 40 geworden )
Und jetzt? Habe ich jetzt gerade also die offizielle Diagnose bekommen, einfach nur faul zu sein?!