Hallo, liebes Forum! Ich, w, 48, bin seit über 20 Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir haben zwei wunderbare Töchter, bei unserer älteren wurde vor ein paar Jahren ADHS diagnostiziert. Dadurch habe ich mich viel mit dem Thema befasst und finde in sehr vielen Punkten meinen Mann wieder. Die Unorganisiertheit, das Chaotische, ständiges Trommeln mit den Fingern und Füßen,… Mit vielem habe ich mich arrangiert und erkenne auch durchaus an, was er leistet. Leisten kann. Was ich ihm auch immer wieder sage und zeige.
Aber inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr kann.
Ich hatte mich wegen immer wieder auftretenden depressiven Episoden um eine Therapie bemüht. Neben Verhaltensweisen, die aus meiner Kindheit/Erziehung resultieren (und die ich inzwischen immer besser ablegen kann), stellten sowohl mein Therapeut vor Ort als auch die Psychologin während meiner Kur wiederkehrende Überlastungsdepressionen fest. Verursacht durch das ADHS-Verhalten meines Mannes. Ich kenne diese Diagnosen seit ungefähr drei Monaten und darüber kann ich mit meinem Mann nicht sprechen. Er will „sowas“ nicht wahrhaben bzw. will dann alles hinschmeißen, weil ich so ungerecht bin und ihm die alleinige Schuld an allem gebe (was ich nicht tue; ich bin ja auch für mein Verhalten verantwortlich).
Mein Alltag mit meinem Mann gleicht einem Minenfeld. Alles kann für ihn kränkend, verletzend, bösartig gemeint sein. Mein Mann hat sich auch mit dem Thema ADHS befasst und tatsächlich angenommen, dass vieles auf ihn zutrifft. Vor einer richtigen Diagnostik, die auch den Weg zu einer Verhaltenstherapie o.ä. öffnen und IHM helfen würde, sträubt er sich allerdings. Aber wir hatten immerhin GEMEINSAM einige Regeln aufgestellt, die uns das Verständnis füreinander ermöglichen sollen. U.a. hatten wir vereinbart, dass wir freundlich nachfragen, wenn wir Verhaltensweisen oder Sätze nicht verstehen und der gefragte Part auch eine freundliche, sachliche Erklärung gibt. Allerdings hält er sich selbst oft nicht an diese Regeln. Neulich hatte ich ihn in einer Mischung aus akuten, heftigen Schmerzen in der Hüfte und Überlastung durch meinen Mental Load im Alltag tatsächlich ungerecht angemeckert. Bin aber in mich gegangen und habe ihm abends sachlich erklärt, warum ich so reagiert hatte. Habe mich auch ehrlich entschuldigt, mir war klar, dass ich ungerecht war.
Als er am nächsten Tag nach Hause kam, forderte er erst aktiv eine Umarmung zur Begrüßung ein (ich war nicht sofort aufgesprungen, wollte ihn erst einmal ankommen lassen) und wich mir dann den kompletten Abend aus, wenn ich ihm im Vorbeilaufen o.ä. räumlich nahegekommen bin. Am nächsten Abend bat ich freundlich um eine Erklärung für dieses ambivalente Verhalten. Er sagte, er brauche Abstand, weil ich ihm soviel „an den Kopf geknallt“ hatte (meine „Beschwerde“ darüber, dass ich aktuell mit der ganzen Terminorganisation etc. überfordert bin). Ich sagte ihm immer noch sehr freundlich, dass ich DAS verstehen kann, aber nicht das einerseits aktive Einfordern einer Umarmung und das sofort folgende körperliche Ausweichen. Ich kann ein Bedürfnis nach Abstand und Ruhe gut verstehen und auch absolut gewähren, diese Ambivalenz allerdings kann ich nicht einordnen. Seine Antwort war: „Na und? Dein Problem, damit kann ich leben!“ Das geht nun seit einer Woche so.
Wir hatten ebenfalls die Vereinbarung, dass ich Dinge, die mein Mann und meine Kinder irgendwo rum liegen lassen, nicht mehr wegräume, sondern die Besitzer der Dinge darauf hinweise, dass es noch etwas wegzuräumen gibt. Dazu sagte ich, dass ich eine Ausnahme davon machen würde: Socken, die morgens auf dem Sofa liegen, räume ich weg. Ich stehe morgens als Erste auf und will schließlich nicht jemanden wegen herumliegender Socken wecken. Finde es allerdings ekelig, morgens meinen Kaffee neben alten Socken zu trinken, also räume ich sie kurz weg. Reaktion meines Mannes: „Du findest MEINE Socken also ekelig? Das ist so unfair, damit komme ich nicht klar!“ Meine Erklärung, dass es nicht nur um SEINE Socken geht, sondern allgemein um herumliegende getragene Socken, wurde nicht akzeptiert. Wieder war ich wieder gemein und ungerecht zu IHM.
Selbst ein völlig neutral gesagtes „Okay“ auf seinen Hinweis, dass er etwas erst am nächsten Tag erledigen wird, fasst er als Angriff auf.
Ich kann langsam nicht mehr. Bei allem Verständnis für seine Besonderheiten, bei aller Rücksicht darauf, dass er viele Dinge ADHS-bedingt einfach nicht kann, ich habe inzwischen gelernt, dass ich gut für mich sorgen muss. Alleine schon für unsere Kinder. Inzwischen hat sich meine chronische Gastritis wieder massiv verschlimmert, ich kann z.B. mittags trotz Hungers nichts mehr essen.
Mit meinen beiden besten Freundinnen spreche ich oft über unsere Beziehung, aber auch sie können ihn nicht darauf ansprechen, weil ich in seinen Augen ihn nur wieder bloßstellen will.
Und nun hoffe ich auf Tipps von ADHSlern, wie ich als Ehefrau mit dem Kopf-Chaos meines Mannes umgehen soll, ohne selbst dabei kaputt zu gehen.
Danke für´s Lesen, es tut mir auch herzlich leid, dass mein Beitrag gleich so lang geworden ist. :o(