Tür 9 3/4: Dopamin Detox Challenge
Paul und Niklas standen an der Wippe des Abenteuerspielplatzes, Julia und Mario noch in Sichtweite.
„Also“, begann Paul. „Es gibt da dieses sehr sehenswerte animierte Video zur Forschung einer Wissenschaftlerin aus Stanford, Anna Lembke. Sie hat das Buch „Dopamin Nation“ geschrieben. Den Link schicke ich Dir später noch, lohnt sich. Da erklärt sie anhand einer Wippe im Kern das, was ich auch bei meiner Ratten-Forschung herausgefunden habe.“
Niklas meldete sich, wie in der Schule: „Ich habe da mal eine wichtige Frage. Damals, so um 1972, waren das wirklich echte Ratten oder auch kleine Super-Marios? Hast Du Plüsch-Labor-Ratten auch Superhelden-Capes umgebunden?“
Paul versuchte, nicht zu lachen: „Lenk nicht ab, das hier ist wichtig. Also: Setz Dich mal bitte auf die linke Seite der Wippe. Du bist jetzt eine Dopamin-Ausschüttung in Deinem Gehirn, wie ein kurzes Glücksgefühl durch ein erfolgreiches Level mit Deinem Team. Ich bin…“
Niklas unterbrach ihn: „Schick mir doch einfach diesen Video-Link auf mein Smartphone. Dann gucke ich das jetzt hier auf der Schaukel mit Noise Cancelling.“
Paul versuchte es weiter: "Ich bin Dein Gehirn, das ein natürliches Gleichgewicht von pleasure und pain anstrebt. Alles schnell wieder in Balance bringen. Nennt man Homöostase. Was hochfährt, soll daher auch wieder runter. Ich schicke deshalb Monster-Gremlins auf die andere Seite der Wippe. Nach dem Glücksgefühl von eben zieht es Dich jetzt auf der anderen Seite der Wippe richtig runter. Und jetzt kommt es: unter Null sogar, kurzzeitig, mit dem Ziel der schnellen Balance.
Um das auszugleichen, willst Du schnell mehr von dem, was sich - auf Deiner Seite der Wippe - gerade gut anfühlte. Du spielst sofort noch ein Level… Aber ich will weiter Homöostase und schicke meine Gremlins. Und eh Du Dich versiehst, spielst Du nicht mehr, damit es sich gut anfühlt, sondern nur, damit es Dich nicht so mies runterzieht. Und alles gerät außer Kontrolle."
Niklas rief zu Julia: „Julia, Mario, kommt mal. Onkel Paul erzählt was Lustiges aus der Sesamstraße.“
Paul blieb ernst: „Es ist eher das Thema Sucht, aufbereitet für die Sendung mit der Maus.“
Niklas machte auch weiter: „Die Sendung mit der Ratte. Ich kann jederzeit aufhören, Herr Doktor-Detektiv!“
Paul versuchte sein Glück: „Echt? Dann ist die Anna Lembke-Challenge ja Kinderfasching für Dich: Sie verschreibt ihren Patienten Dopamin-Detox. In Deinem Fall wären das vier Wochen keine Computerspiele.“
Sie einigten sich erstmal auf 2 Wochen, Start gleich morgen. Nachher würde Niklas seinem Team noch Bescheid geben, dass er eine „kleine Detox-Auszeit“ nehme, wie das die coolen Quarterback-Kids gerade so machen.
Paul grübelte. Das war viel zu schnell gegangen. Entweder lag er falsch mit seiner Vermutung oder Niklas wusste noch gar nicht, was auf ihn zukommen würde, „dopamin-mäßig“. Aber es war ein Anfang. Sie machten sich auf den Heimweg.
Paul ging auch mit Niklas und Julia vorsorglich nochmal an der Unfallstelle vorbei. Das war der kürzeste und übliche Fußweg zur Schule. Ein „Route wird neu berechnet“ wäre Vermeidungsverhalten.
Außerdem mussten sie Rikes Rad mitnehmen. Es hatte letztes Mal bei der Tatortbegehung mit Leni doch nicht in den Kofferraum gepasst. Paul hatte vergessen, dass er einen Reserve-Kanister an Bord hatte, seit die Werkstattleute ihn mit der Motorkontroll-Leuchte verunsichert hatten. (Leni wollte den Kofferraum unbedingt fotografieren und ihrer Mutter schicken: „Dann ist es ihr nicht so peinlich, wenn Du unseren Keller und die Garage siehst.“ Paul ergänzte gedanklich gleich seine Liste aussichtsreicher Therapie-Tools: „Ein strategisch chaotischer Kofferraum oder Schreibtisch kann das hinderliche Schamgefühl Ihrer Patienten auf natürliche Weise beruhigen.“)
Als Niklas das Rad losschieben wollte, blockierte der Vorderreifen. Etwas klemmte zwischen Schutzblech und Rad.
Er warf es auf den Waldweg: „Mann, in dieser Familie klemmt immer irgendwas! Was ist das denn? Voll eklig. Süßkartoffelpommes aus dem Air Fryer? Halb vertrocknet, halb schimmelig. Sieht aus wie aus meiner Brotbox nach den Osterferien.“
Paul bat ihn: „Pack es ein und gib es Sherlock-Leni. Kann vielleicht wichtig werden.“
Niklas warf es ihm zu und schüttelte den Kopf: „Also ich bin in dieser Familie definitiv nicht der, der ein Attest braucht. Hoffentlich verarbeitet sie es nicht mehr beim Meal-Prepping.“