Hallo Fliederieke!
Mir erscheint das Verhalten Deines Psychiaters schon etwas fragwürdig. Gleichzeitig verstehe ich Deinen Frust gut, dass Du nicht noch mehr Zeit und Kraft für die Suche eines anderen Arztes aufbringen möchtest. Das Leben mit ADHS kostet so oder so schon viel Kraft. Es ist leider so, dass es noch zu viele (Fach)Ärzte gibt, die dem Thema ADHS kritisch gegenüberstehen.
Du fragst: „wie läuft eine ADHS–Diagnostik üblicherweise ab? Gibt es „Qualitätskriterien“…“
Ja, es gibt ganz klare Qualitätskriterien, die wissenschaftlich hinterlegt und von Experten bewertet sind. Es gibt für jede (psychische) Erkrankung erarbeitete Leitlinien, die Behandelnden wie auch Patienten als Richtlinie für eine Diagnostik und Therapie nach dem aktuellen Kenntnisstand geben sollen. Diese Leitlinien sind öffentlich einsehbar und dienen auch dazu, dass Patienten sich ein Bild davon machen können, was der Stand der Wissenschaft ist.
Hier sind die offiziellen Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der ADHS in Deutschland zu finden: AWMF Leitlinienregister
Wichtig! Diese sind von 2017 und werden aktuell überarbeitet. Der allerneueste Erkenntnisstand ist also noch nicht abgebildet. Dennoch gibt es ein gutes Bild davon, was man erwarten kann.
Auch hier kannst du dich etwas dazu belesen: Leitlinien zu Diagnostik und Therapie - ADHS-Netz
Kurz zur Diagnostik: Zu einer soliden ADHS-Diagnostik gehört, folgende Fragen zu klären: War die Symptomatik bereits im Kindesalter vorhanden? In welchem Ausmaß ist sie im Erwachsenenalter vorhanden? Gibt es weitere Begleiterkrankungen oder relevante Faktoren, die einen Einfluss auf die berichtete Symptomatik haben? Diese Informationen werden über Fragebögen, Interviews, Auswertung von Zeugnissen und/oder Informationen von Angehörigen, Verhaltensbeobachtungen und den sogenannten klinischen Eindruck im Gespräch mit dem Betroffenen gewonnen. Manchmal werden auch (neuropsychologische) Leistungstests gemacht. Diese sind aber nur ein Baustein, der für die Diagnostik nicht zwigend nötig und auch nicht immer aussagekräftig ist
(VORSICHT bei Anbietern, die meinen über reine Onlinediagsnotik mit kostspieligen neuropsychologischen Tests eine ADHS diagnostizieren zu wollen! Das ist fragwürdig)
Eine ADHS-Diagnostik ist deutlich aufwendiger als die Diagnostik anderer psychischer Diagnosen. Deshalb ist es für viele Ärzte oder Therapeuten auch gar nicht so einfach in ihren Praxisalltag zu integrieren. Psychiater stellen die Diagnose oft schneller, einfach weil sie aufgrund ihrer engen Taktung kaum die Chance haben, sich die notwenige Zeit zu nehmen. Das kann von 5-Minuten-Blickdiagnose, bis 60 Minuten verteilt auf mehrere Termine alles dabei sein. Dafür qualifizierte Psychologen können sich dafür eher mehr Zeit nehmen. In der Regel sind das hier 3-5 Sitzungen á 50 Minuten. (Übrigens: eine Autismus-Diagnostik braucht sogar noch sehr viel länger, wenn sie professionell gestellt wird)
Zum Vorschlag deines Behandlers „Methylphenidat auszuprobieren“. Es ist tatsächlich gängige Praxis den Medikamententest als diagnostisches Mittel zu machen. Hier schau mal in die hilfreiche Antwort weiter oben von SneedleDeeDoo, was du in der Zeit der Einnahme beobachten und protokollieren solltest. Das hilft dann sehr gut in der Auswertung mit deinem Arzt. Wenn er Methylphenidat mit dir ausprobiert, wird er i.d.R. eine Eindosierung mit dir machen und alle paar Wochen Folgetermine, wo er die Wirkung mti dir auswertet und die Dosis ggf. anpasst.
Ich hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen.
manoo