Ablauf ADHS–Diagnostik & Methylphenidat ohne Diagnose ausprobieren?!

Von einer entfernter Bekannten gehört, die dürfte laut Gehirnscan nicht rückwärts laufen können und auch kein Gleichgewicht halten können weil dort in dem Zentrum ein Tumor saß , sie war aktive Sportlerin und hatte nie was gemerkt. Vermutlich weil im Dauertraining hat das Gehirn es ausgeglichen ?

Wenn es jedoch ein wirklich verlässliche bildgebende ADHS Diagnose gäbe wäre das aus meiner Sicht eher hilfreich .
Es wäre handfest und würde viele Diskussionen enthebeln und die Diagnostik vermutlich erleichtern .
Die Auswirkung auf Leben und Alltag wäre natürlich ein anderes Thema.

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Hallo Fliederieke!

Mir erscheint das Verhalten Deines Psychiaters schon etwas fragwürdig. Gleichzeitig verstehe ich Deinen Frust gut, dass Du nicht noch mehr Zeit und Kraft für die Suche eines anderen Arztes aufbringen möchtest. Das Leben mit ADHS kostet so oder so schon viel Kraft. Es ist leider so, dass es noch zu viele (Fach)Ärzte gibt, die dem Thema ADHS kritisch gegenüberstehen.

Du fragst: „wie läuft eine ADHS–Diagnostik üblicherweise ab? Gibt es „Qualitätskriterien“…“
Ja, es gibt ganz klare Qualitätskriterien, die wissenschaftlich hinterlegt und von Experten bewertet sind. Es gibt für jede (psychische) Erkrankung erarbeitete Leitlinien, die Behandelnden wie auch Patienten als Richtlinie für eine Diagnostik und Therapie nach dem aktuellen Kenntnisstand geben sollen. Diese Leitlinien sind öffentlich einsehbar und dienen auch dazu, dass Patienten sich ein Bild davon machen können, was der Stand der Wissenschaft ist.

Hier sind die offiziellen Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der ADHS in Deutschland zu finden: AWMF Leitlinienregister
Wichtig! Diese sind von 2017 und werden aktuell überarbeitet. Der allerneueste Erkenntnisstand ist also noch nicht abgebildet. Dennoch gibt es ein gutes Bild davon, was man erwarten kann.

Auch hier kannst du dich etwas dazu belesen: Leitlinien zu Diagnostik und Therapie - ADHS-Netz

Kurz zur Diagnostik: Zu einer soliden ADHS-Diagnostik gehört, folgende Fragen zu klären: War die Symptomatik bereits im Kindesalter vorhanden? In welchem Ausmaß ist sie im Erwachsenenalter vorhanden? Gibt es weitere Begleiterkrankungen oder relevante Faktoren, die einen Einfluss auf die berichtete Symptomatik haben? Diese Informationen werden über Fragebögen, Interviews, Auswertung von Zeugnissen und/oder Informationen von Angehörigen, Verhaltensbeobachtungen und den sogenannten klinischen Eindruck im Gespräch mit dem Betroffenen gewonnen. Manchmal werden auch (neuropsychologische) Leistungstests gemacht. Diese sind aber nur ein Baustein, der für die Diagnostik nicht zwigend nötig und auch nicht immer aussagekräftig ist
(VORSICHT bei Anbietern, die meinen über reine Onlinediagsnotik mit kostspieligen neuropsychologischen Tests eine ADHS diagnostizieren zu wollen! Das ist fragwürdig)

Eine ADHS-Diagnostik ist deutlich aufwendiger als die Diagnostik anderer psychischer Diagnosen. Deshalb ist es für viele Ärzte oder Therapeuten auch gar nicht so einfach in ihren Praxisalltag zu integrieren. Psychiater stellen die Diagnose oft schneller, einfach weil sie aufgrund ihrer engen Taktung kaum die Chance haben, sich die notwenige Zeit zu nehmen. Das kann von 5-Minuten-Blickdiagnose, bis 60 Minuten verteilt auf mehrere Termine alles dabei sein. Dafür qualifizierte Psychologen können sich dafür eher mehr Zeit nehmen. In der Regel sind das hier 3-5 Sitzungen á 50 Minuten. (Übrigens: eine Autismus-Diagnostik braucht sogar noch sehr viel länger, wenn sie professionell gestellt wird)

Zum Vorschlag deines Behandlers „Methylphenidat auszuprobieren“. Es ist tatsächlich gängige Praxis den Medikamententest als diagnostisches Mittel zu machen. Hier schau mal in die hilfreiche Antwort weiter oben von SneedleDeeDoo, was du in der Zeit der Einnahme beobachten und protokollieren solltest. Das hilft dann sehr gut in der Auswertung mit deinem Arzt. Wenn er Methylphenidat mit dir ausprobiert, wird er i.d.R. eine Eindosierung mit dir machen und alle paar Wochen Folgetermine, wo er die Wirkung mti dir auswertet und die Dosis ggf. anpasst.

Ich hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen.
manoo

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Hallo Manoo und herzlich willkommen hier im Forum :adxs_wink:!

Vielen Dank für Deine Hinweise und Links!

Momentan ziehe ich mir die Infos zur medikamentösen Behandlung von AD(X)S aus dem ADXS–Kompendium rein, um mich auf eine mögliche Eindosierung vorzubereiten, und vorab mit dem Psychiater meine gewünschte Vorgehensweise zu verhandeln. Grundsätzlich scheint er recht offen für medikamentöse Experimente zu sein, und bzgl. der Dosierung von Promethazin und Escitalopram hatte er mir keine festen Vorgaben erteilt. Anfangs fand ich das wenig hilfreich, weil ich nicht genau wusste, wie ich vorgehen soll, andererseits konnte ich eigenverantwortlich verschiedene Dosen ausprobieren, und das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Aufdosierung selbst bestimmen. Wenn wir weiter so vorgehen, dürfte das bei der Eindosierung eines Stimulanz sehr hilfreich sein. Ich denke aber, ich sollte mich vorab entsprechend einlesen, um das Vorgehen überhaupt mitbestimmen zu können.

Eine fundierte Diagnostik werde ich wahrscheinlich bei meinem Arzt nicht erhalten. Mich vorab mit den Leitlinien dazu vertraut zu machen, ist eine gute Idee – die ziehe ich mir vor dem nächsten Termin rein! Die Ergebnisse des Symptomtests nehme ich auch mit. Ich möchte allerdings vermeiden, dass mein Arzt mir, nur um mir ein Stimulanz verordnen zu können, die Diagnose ADHS in die Krankenakte schreibt. Damit wäre ja dokumentiert, dass ich eine Dauerdiagnose habe, die in bestimmten Situationen evtl. auch rechtliche Auswirkungen hätte, und das, ohne zu wissen, ob ich wirklich ADHs habe. Muss ich wohl auch mit ihm offen diskutieren.

Liebe Grüße

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Das klingt ja wie der bei mir… ich war aber nur bei einem um Medikamente zu erhalten. Die Diagnose wurde von einer Psychiaterin in einer Schmerzklinik gestellt.

Der Psychiater fragte auch erstmal nur wie ich drauf kommen würde ADHS zu haben…ich musste dem, obwohl er es schriftlich von der Klinik hatte, erklären, dass die Psychotherapeutin einen Vortest gemacht hatte (weil er den auch gleich erstwähnte, dass diese „ungenau“ wären) + ich danach fast 1,5 h mit einer Psychiaterin gesprochen hatte, welche eine Diagnose gestellt hat (und nicht nur Verdachtsdiagnose, wie die Psychotherapeutingschon vorher angekündigt).

Er hatte mir jedenfalls auch 10mg Medikinet „zum ausprobieren“ mitgegeben, um zu testen, ob es hilft und ob ich denn tatsächlich was in die Richtung hätte… Bin da aber nicht mehr hin, nachdem er so verständnislos und abweisend war.

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Ich denke viele Ärzt:innen sind genervt davon, dass ADHS zu einer Art „Modediagnose“ geworden ist. Dazu gesellen sich falsche Vorstellungen und unzureichende Kenntnisse bzgl. der Symptomatik („Sie zappeln nicht genug“, „sie schauen mir beim Reden in die Augen“, „Sie haben einen höheren Bildungsabschluss“ – „Sie können daher gar kein ADHS haben“…). Ein wenig kann ich das auch verstehen, denn ADHS kann ja viele verschiedene Facetten haben, und die Symptome überschneiden sich mit denen anderer Erkrankungen und mit Persönlichkeitsmerkmalen neurotypischer Menschen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr beschleicht mich der Gedanke, dass meine eigene Einschätzung vielleicht sogar genauer sein könnte, als die eine:r Fachärzt:in, der oder die mich lediglich ein paar Stunden befragt. Schließlich kenne nur ich meine komplette Lebensgeschichte von Beginn an und mit allen dazugehörigen Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen. Mit entsprechendem Hintergrundwissen, ein paar Kenntnissen zu möglichen Differenzialdiagnosen, und wenn man ein oder zwei Menschen befragt, die einen gut kennen, müsste sich daraus eigentlich ein recht genaues Gesamtbild ergeben. Und letztenendes ist ja primär entscheidend, ob ich eher eine ADHS–Symptomatik aufweise, oder eher nicht, und wie sehr mich das belastet. Die Grenzen scheinen fließend zu sein. Vor dem Hintergrund wird auch der Gedanke, Methylphenidat mal zur Probe einzusetzen für mich zunehmend attraktiver.

Das ist echt so schlimm… ich hatte von einer ärztlichen Therapeutin die Verdachtsdiagnose ADS bekommen. Als ich meiner Psychiaterin davon erzählte meinte sie nur, sie glaubt nicht, dass ich das habe. Sie kann zwar mit mir eine Testung machen, aber das würde mich dann über 200 Euro kosten. Mein neuer Psychiater hatte dann durch Tests und Gespräche die Diagnose ADS bestätigt. Kostenlos.

Selbiges mit der Verdachtsdiagnose auf ASS, die ich kürzlich von einer Therapeutin gestellt bekam. Als ich die Psychiaterin darauf ansprach meinte sie nur, Nein sie können mir in die Augen schauen, also haben Sie das nicht.

Deshalb gehe ich jetzt auch nur noch zu dem Psychiater, da fühle ich mich wenigstens ernstgenommen. Und bekomme auch eine entsprechende Medikation, die mir die alte Psychiaterin verweigerte.