AD(H)S Fremdbild und Realität/oftmals eine ziemliche Diskrepanz

Mein Neurologentermin diese Woche hat mir mal wieder bewußt gemacht, dass meine Coping-Strategie scheinbar wirklich gut funktioniert.

Nur weil ich viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres lege, mich gewählt artikulieren kann, einen ganz gut bezahlten Job habe, in dem ich mich sehr engagiere und zugab, perfektionistisch zu sein, meinte mein Neurologe, dass ich auf ihn nicht den Eindruck einer gescheiterten Persönlickeit machen würde und ich doch insgesamt auf sehr hohem Niveau „jammern“ würde.
Das Leid, das Chaos, die Energie, die man aufbringen muss, um überhaupt halbwegs im Alltag zu funktionieren… all das verbirgt man scheinbar so geschickt hinter der Fassade, dass Außenstehende es entweder wirklich nicht sehen oder nicht sehen wollen.

Das zieht sich eigentlich durch mein ganzes Leben. Als ich diagnostiziert wurde, konnte es eigentlich niemand so recht glauben und auch heute noch werde ich, wenn ich mich oute, ungläubig angeschaut. Menschen, die mich nur oberflächlich kennen, würden mich nie für eine ADSlerin halten, was mich immer in ziemliche Erklärungsnot bringt.

Ich bin es langsam leid, das aufgrund der unausgewogenen Berichten in den Medien und der emotional geführten Diskussionen über AD(H)S in der Öffentlichkeit verzerrte Bild des ADHSlers als absoluten Chaoten, der überhaupt nichts auf die Reihe kriegt und von HarzIV lebt oder eben das vom hochbegabten Überflieger, zurecht rücken zu müssen.

Welche Erfahrungen habt ihr bisher gemacht?

Die mediale Berichterstattung über ADHS ist in den letzten Jahren sukzessive immer besser geworden, zwar weiterhin mit viel Luft nach oben, aber trotzdem besser. Die Medien, die zuvor seit ungefähr 1990 20 bis 25 Jahre lang stupides ADHS-Bashing betrieben haben (die Clique um Astrid Randerath von Frontal 21, Jörg Blech vom Spiegel nur als die haarsträubendsten Beispiele), sind in Deutschland wie auch international in Europa und quasi weltweit (in USA war man schon 1994 im Time Magazine so weit wie heute in Deutschland <LINK_TEXT text=„http://content.time.com/time/magazine/0 … 18,00.html“>TIME Magazine -- U.S. Edition -- July 18, 1994 Vol. 144 No. 3</LINK_TEXT> ) mittlerweile umgeschwenkt auf Ratgeber-Berichterstattung, bei dieser Berichterstattung ist wie gesagt weiterhin Luft nach oben, aber das sind Welten im Vergleich zu 2007 z. B.

Das größere Problem ist nach wie vor die Ärzteschaft, da tut sich zwar auch was in die positive Richtung, aber, so zumindest mein Eindruck, langsamer als in den Medien. Die nachfolgenden Ärztegenerationen wie auch die Psychologen sind dabei auch nicht das Problem, dort ist man hinsichtlich ADHS viel stärker aufgeschlossen als die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten, die heute 50 Jahre alt sind. Aber jene etablierten, in ihren tiefenpsychologisch ausgerichteten Praxen fest sitzenden 50-jährigen Psychiater und Psychologen (die insgeheim um ihre Existenzberechtigung bangen), die dort noch bis zu ihrem Ruhestand mit 65 die nächsten 15 Jahre blockieren werden, die sind das Problem.

Siehe dazu der Semmelweis-Reflex: Semmelweis-Reflex – Wikipedia

Desweiteren, so habe ich es immer wieder erfahren dürfen, sind das Gros der Ärzte (ungefähr 50 bis 60%) von ihrer Persönlichkeit der Antipol zu ADHS (Stichwort Preußischer Militärarzt) und haben quasi von Natur aus keinen Draht und kein Verständnis für ADHS-Patienten und deren ihrer sehr unterschiedlichen Persönlichkeit.

Dazu hier noch diese Links:

<LINK_TEXT text=„DocCheck … artgerecht“>Leben wir artgerecht? - DocCheck</LINK_TEXT>

<LINK_TEXT text=„DocCheck … psychiater“>ADHS : Geballte Inkompetenz und Ignoranz der Psychiater - DocCheck</LINK_TEXT>

Desweiteren ist sowohl medial als auch in der Ärzteschaft ein Problem, dass dort immer wieder mit Prävalenzen von ADHS unter der erwachsenen Bevölkerung von 2,5% bis 4% gearbeitet wird. Entsprechende Prävalenzstudien sind methodisch fragwürdig ähnlich wie die Wahlumfragen in USA, die die Trump-Wähler dort nicht gesehen haben (Michael Moore: „I don’t believe any of these Rust Belt polls.“…analog dazu: I don’t believe any of these ADHD prevalence studies.). Wer als Arzt oder Journalist von 2,5% ADHS in der erwachsenen Bevölkerung ausgeht, der checkt gar nicht, dass nicht nur die ADHS haben können, die als äußerlich sichtbarer, desorientierter Total-Chaot durch die Welt torkeln, der checkt gar nicht, dass wahrscheinlich das Gros der Symptomatik wie auch der Anzahl der ADHS-Patienten unter der Oberfläche läuft, in den Konsequenzen für das Individuum nicht weniger schwer, aber nach außen nicht sichtbar oder zumindest erst auf den 2
oder 3. Blick sichtbar…

Man hat mir schön öfter mal nachgesagt, dass ich als Kind bestimmt ADHS dignostiziert bekommen hätte.
Also im Freundes-, Bekannten und Kollegenkreis wäre als solches von meinen Chaotisch kreativen Charaktereigenschaften her gesehen erstmal keiner überrascht und doch würde wohl jeder sagen dass ich bestimmte keine Medis benötige.

Aus ärztlicher Sicht sprechen eigentlich auf dem ersten Eindruck mein Auftreten, Lebenslauf, Beruf und soziales Netzwerk etc… auch dagegen.

Vor allem hasse ich es, dass dann daraus resultiert wird das man ja nichts zu jammern hat und es einen doch gut geht.
Das was man dafür tut und was es an Energie kostet, die auch an der Gesundheit zerrt das wird eben nicht gesehen.
Wieviel Leid und Kampf dahinter steht um ein Gewisses Level oder manchmal auch nur den Anschien von Level, dahinter zu erhalten :o

In meiner Nachbarschaft lebte ein Junge mit einem Gendeftkt, er hat kein Sättigungsgefühl. Mit ganz viel Eigenleistung z.B. Schlösser in den Küchenschränken , akribischer Ernährungsplan etc. ppp. hat es die Familie geschafft das der Bursche nicht zu dick wir.
Als die Familie dann eine Kur beantragt hat wurde diese nicht bewilligt, dar der Junge nicht dick genug für seinen Gendefekt war. :roll: :roll: :roll:

Man bekommt z.B kein unrt. Medikinet von der Krankenkasse übernommen, weil man ja "nicht"s hat. Das es dazu beiträgt eben nicht ganz aus dem Arbeitsleben und sozialem Leben zu knallen sehen sie nicht. Knalle ich raus und nichts geht mehr dann würde ich es bekommen.

Es ist wirklich das Dogma was an ADHS anhängt, was die Medien da vor vielen Jahren noch echt verschlimmert haben.

Es wird wohl noch ewig dauern bis in Deutschland da ein realistisches Bild entsteht.

allerdings @Overthesky meine beiden ADHS-DOcs sind Ü60 und Ü50 und die „Moderne“ best Fortgebildete Madam mit weit unter Null Ahnung war U50 . :wink:

Es stellt sich ja auch die Frage wie weit ADHS im Studium überhaupt behandelt wird.

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Also ich kann Nelumba nur zustimmen, denn auch mein Arzt, der mich vor fast 20 Jahren diagnostiziert und sich nun mit Anfang 70 in die Rente verabschiedet hat, ist eigentlich „Alte Schule“ und hat sich sogar als Allgmeinmediziner seit den 70er Jahren mit ADS/ADHS beschäftigt und seine Patientenklientel bestand in den letzten 15 Jahren zu 70% aus ADHSlern.

Er hatte ziemliche Probleme, all seine „Sorgenkinder“ bei Kollegen unterzubringen, obwohl er wie wild in der Gegend herum telefoniert hat.

Ich denke, es sind wirklich eher die psychosomatischen Heilpraktiker, die ADHS aufgrund ihrer Anhängerschaft zu esoterischen Cirkeln und ihrem Hass auf die Pharmaindustrie leugnen und damit die Diskussion immer wieder neu entfachen bzw. am köcheln halten. In diesen verblendeten „Querdenkern“ sehe ich eher eine Gefahr dafür, dass diese unselige Diskussion uns noch länger erhalten bleiben wird.

Was ich an diesen Möchtegern-Psychologen einfach nicht verstehe, ist die konsequente Ignoranz der Leidensgeschichten der Betroffenen, die es ja mittlerweile mannigfach vorliegen. Bringt man das in deren Foren zur Sprache, wird man umgehend gesperrt. Die Wahrheit wollen die leider nicht hören bzw. lesen. Denn die würde ihr ja ihr Weltbild von der ach so bösen Leistungsgesellschaft, die der Schuld an allem gegeben werden kann, zerstören.

Ich habe (vor der Diagnose) auch oft gehört, ich solle mich nicht so anstellen, andere haben es schließlich auch schwer. Das ist von der Formulierung her ein bisschen das Ziehkind von „in Afrika hungern sie, und Du willst deine Leber nicht essen“ und „geht doch arbeiten“, aber im Gegensatz zu den beiden konnte ich dem nicht wirklich etwas entgegensetzen, denn ich habe schlicht keine Ahnung, wie und wie sehr andere an der Leistungsgesellschaft leiden, so im Vergleich. Was ich allerdings weiß: Wenn es stimmt und sie macht uns alle kaputt, dann gibt es keinen Grund, das auch noch zu verteidigen.

Mir hat niemand geglaubt, als ich anfing, mich für eine Diagnose zu interessieren. Weil ich über Jahre hinweg wohl richtig gut im „Masking“ geworden war. Bis zu dem Punkt, wo ich einiges geleistet gekriegt hatte, das sogar Neurotypische beeindruckt hat - nicht zuletzt um ihnen und mir selber meine Existenzberechtigung als Selbständiger zu beweisen. Nur wurde das immer schwerer aufrechtzuerhalten und ging am Ende gar nicht mehr. Das wiederum hat außer mir kaum jemand mitgekriegt.

In diesem Jahr hatten wir ja alle Gelegenheit, den Begriff „Präventionsparadoxon“ kennenzulernen, also das Phänomen, dass die Maßnahmen zur Verhinderung einer Krise so erfolgreich sind, dass deshalb die Krise von vielen als nicht so schlimm und wiederum deshalb die Maßnahmen als übertrieben wahrgenommen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es ein ähnliches Paradoxon für Coping-Strategien gibt.

Unter den alten Hasen sind die, die einen Draht zu ADHS haben bzw. sich mit ADHS auskennen und beschäftigen bzw. ADHS-Patienten behandeln, eine kleine, aber umso engagiertere Minderheit innerhalb ihrer Jahrgänge der Ärzteschaft von ungefähr 10% (also unter Allgemeinmedizinern, Psychiater, Neurologen, Kinderärzten). Diese alten Hasen gehen mehr und mehr in den Ruhestand oder wurden aus der ärztlichen Versorgung von ADHS-Patienten heraus gemobbed durch Krankenkassen, KVen etc. bzw. die institutionalisierte ADHS-Gegnerschaft.

Unter dem, was an Ärzten nachkommt, ergibt sich folgende Konstellation:

  1. Der Prozentsatz von Ärzten, die mehr oder weniger ausgeprägt dem ADHS-Spektrum zuzurechnen sind und die dementsprechend einen natürlichen Draht zu ADHS haben, nahm in den letzten 20 Jahren ab bzw. nimmt wahrscheinlich weiter ab. Die Gründe für diese Abnahme sind mutmaßlich der immer härter gewordene NC (in den 80ern gab es noch Ärzteschwemme und eher moderate NCs, da studierte man tendenziell stärker Medizin aus Leidenschaft und gefühlter Berufung und nicht, weil man das beste Abitur hatte. Overthesky fasst sich an die eigene Nase.) und seit ungefähr 2005 ein für ADHSler angesichts des selbstgesteuerten Lernens im Unterricht ungünstiges Schulsystem, dass bei den NCs ADHSler immer stärker aussiebt.

Bei Overthesky hatten sich die ADHSler im Semester schnell gefunden, N., R., A., N. und Overthesky (plus 2 oder 3 andere die mal dabei waren, mal nicht dabei waren), mehr waren wir bei 120 Studenten im Semester de facto nicht. Heute arbeitet N. in der Psychiatrie als Psychiater, die andere N. ist aus der beruflichen Tätigkeit wegen Kindererziehung ausgeschieden, Rückkehr nicht sicher, A. musste das Studium frühzeitig krankheitsbedingt beenden, Overthesky hätte lieber von Anfang an auf sein Bauchgefühl hören sollen anstatt zu meinen, er müsse sein 1er Abitur zu irgendwas nutzen., nebenbei waren die anderen über Wartezeit oder bis zum Physikum in Osteuropa studiert ins Studium gekommen, nicht über NC. Ein einziger von 5 aufgeführten ist quasi verfügbar für die ärztliche Versorgung von ADHS-Patienten.

  1. unter dem, was an Ärzten nachkommt, über ADHS Bescheid wissen (und die meisten wissen nicht mal einigermaßen Bescheid oder wissen nicht mehr als jeder Laie) ist das Eine, Bock haben, ADHS-Patienten zu betreuen, ist das andere. Und die meisten der „Stino“-Ärzte haben schlicht keinen Bock dazu.

Bei den heute 30 bis 40 Jahre alten Ärzten ist das Wissen und das Bewusstsein über ADHS schon einigermaßen bis teils deutlich stärker vorhanden als bei den 40 bis 50-Jährigen, der Wille zur Opferbereitschaft bzw. zum Dienst an den Patienten aber tendenziell eher weniger als bei den 40 bis 50-Jährigen, Millenials lassen grüßen.

Unter den heute 50 bis 65-jährigen Ärzten, die ich zuvor als Blockierer und Problem bezeichnet habe, selbst da sickert mehr und mehr durch die wahre quantitative Bedeutung von ADHS unter Patienten in ambulanter wie stationärer Psychiatrie bzw. beim Allgemeinmediziner, aber dort wird entweder gekränkter Stolz und tiefe Scham, es Jahrzehnte lang in der alltäglichen medizinischen Praxis jeden Tag falsch gemacht zu haben, still und heimlich verschwiegen oder es wird verdrängt und man hält weiter fest an so, wie man es halt zuvor schon gemacht hat. Wie soll ein Chefarzt, der 20 Jahre lang als Chefarzt und zuvor als Oberarzt ADHS-Patienten in seiner Klinik die Diagnose abgesprochen hat bzw. nicht ernst genommen hat bzw. eine entsprechende Diagnostik unterlassen oder gar blockiert hat, wie soll der jetzt sein Versagen über 20 Jahre vor der gesamten Klinik eingestehen?!..

Meine Heilpraktikerin hat am wenigsten Probleme gemacht was die Diagnose betraff, die studierte Psychotante war da die Schlimme.

Es zieht sich doch auch durch bei den Pädagogen und bei den Eltern. Es wird ja nicht nur bei uns Erwachsenen kontrovers diskutiert sondern auch weiterhin bei den Kindern,

Abseits von Ärzten und Psychologen, die zwar nicht durch ideologische Borniertheit wie die Heilpraktiker (Heilpraktiker kann nahezu jeder werden und man ist damit gänzlich fachfremd, was ADHS angeht) auffallen, aber durch Desinteresse und Nicht-Engagement hinsichtlich ADHS sich hervortun (ich persönlich habe mittelfristig die größte Hoffnung für die ärztliche Versorgung von ADHS-Betroffenen in Deutschland durch ausländische Ärzte aus Osteuropa, Südosteuropa und von weltweit, bei Bulgaren, Rumänen, Ukrainern, Georgiern etc. ist zwar kulturell das Wissen über ADHS im Vergleich zu Deutschland gleich Null, aber das kann sich bei entsprechenden Ärzten aus der Ukraine z. B. mit entsprechender persönlicher Veranlagung in den nächsten 10 Jahren ungefähr sehr deutlich ändern noch) , sind das Problem im Bereich der Kinder und Jugendlichen die Sonderpädagogen, die ein in ihrer „Pädagogik-Szene“ <URL url="Neue Lernkultur bei ADHS - Heilsbringer oder vom Regen in die Traufe? text=„viewtopic.php?f=17&t=159“>Neue Lernkultur bei ADHS - Heilsbringer oder vom Regen in die Traufe? stark ideologisiertes Bild von ADHS von Semester 1 bis zur praktischen Arbeit als Sonderpädagogen vermittelt bekommen…

Heilpraktiker kann vielleicht jeder werden , aber die Ausbildung ist nicht zu unterschätzen und schafft auch längst nicht jeder.

Arzt, Psychotherapeut etc… kann zwar nicht jeder werden, das Studium ist bestimmt weit aus umfangreicher wie das was ein Heilpraktiker lernt , aber das schützt uns auch nicht vor all den Pappnasen im Weißkittel.

Heilpraktiker für Psychotherapie müssen sich auch mit ICD Diagnosen etc. auch auseinandersetzen und die werden auch geprüft.
Die habe sich sehr wohl mit ADHS auseinandergesetzt , gehen die Sache nur mit einem ganz anderem Ansatz an und sehen da die Grenze nicht .

Wie bei allem gibt es solche und solche, schere bitte nicht alle über einen Kamm es gibt welche die einen guten Job machen und die Schulmedizin gut mit im Blick halten.

Die studierten haben bei mir mehr kaputt gemacht, wie die Heilpraktiker, bei denen habe ich nichts zu beanstanden.

Was Heilpraktiker_innen angeht, stimme ich Nelumba zu. Man sollte nicht verallgemeinern. Adxs ist ein Thema, was in der Ausbildung dran kommt, aber in den Lehrbüchern (die ich kenne) nur kurz „angerissen“ wird. Wie ausführlich es besprochen wird, kommt vermutlich auf Ausbildungsinstitut und Lehrperson an.

Ich denke, dass es (wie auch bei Ärzt_innen) auf die Eigeninitiative ankommt. Leute die sich dafür interessieren, eignen sich das wissen selbstständig an. Auf diesen Mehraufwand haben halt nicht alle Lust. Bzw sie wenden ihre Zeit und Energie halt für andere Themen auf. Das kann man niemandem zum Vorwurf machen. Was ich einigen Behandler_innen vorwerfe ist, ihre Ignoranz oder Abwehrhaltung gegenüber ihnen (mehr oder weniger) fremden Themen. Ich wünsche, Leute könnten besser zugeben, von etwas keine Ahnung zu haben. Und dann evtl helfen, weiter zu vermitteln. Oder sich mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzen.

Wen ADHS in der Quantität ein Exoten-Thema wäre, dann könnte man das nur bedingt zum Vorwurf machen. Aber bei um die 50% ADHS unter den Patienten in der zumindest stationären Psychiatrie <URL url="59% Häufigkeit von ADHS in der stationären Psychiatrie laut Studie text=„viewtopic.php?f=7&t=124“>59% Häufigkeit von ADHS in der stationären Psychiatrie laut Studie ist ADHS kein quantitativ exotisches Thema, sondern ein zentrales Thema, wenn nicht „das“ zentrale Thema in der Psychiatrie, um das sich gefälligst jeder Psychiater zu kümmern hat! Jeder, und nicht nur die, die sich intrinsisch dafür interessieren!

@Andromache - um wieder back to topic zu kommen…

Ich bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich mit ADHS zu tun hat.
„Frau in mittleren Jahren“ reicht schon aus, um alle Schubladen auf und wieder zugehen zu lassen. Das verengt sich in Zusammenhang mit Übergewicht noch mehr.
Mein Hasslingswitz: „Da geht ne Frau mit Schmerzen zum Arzt…“
Wärst du jetzt eher schlampig, würde Dir auch nicht geholfen, denn dann müsstest Du Dich eben „ein wenig zusammenreißen“ - man kann ja, nur „weil man sich gehenlässt“ nicht „einfach“ irgendwelche Medikamente nehmen. Das wäre ja nochmal schöner, weil ja die Person, die einen behandelt, ausschließlich durch eigenen!!! Fleiß und eigene!! Leistung und Disziplin dort gelandet ist wo sie jetzt ist. (<- Ironie).

ÄrztInnen (nicht alle, aber viele!) denken gerne in Stereotypen - da ihnen oft die Werkzeuge für die richtige Einordnung fehlen. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen.
Da wird der Schritt weiter, der Blick hinter die „Kulisse“ nicht vollzogen. Das System lässt das auch rein zeitlich nicht zu.

Darüberhinaus lernt man im Medizinstudium nicht unbedingt wissenschaftlich zu denken.
Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung werden in die medizinische Praxis übernommen, aber die Fähigkeit, diese zu bewerten, wird idR. im Studium nicht erlangt. Ein Medizinstudium ist eben erfahrungsbasiert.

„Das aktuelle breite Pflichtcurriculum des Medizin- und Zahnmedizinstudiums lässt den Studierenden bisher wenig Freiraum, sich mit dem Thema Wissenschaftlichkeit intensiver auseinanderzusetzen. Eine explizite Verankerung der Vermittlung von Wissenschaftskompetenz fehlt in den geltenden Approbationsordnungen der Human- und Zahnmedizin.“
<LINK_TEXT text=„News: zm-online … instudium/“>Mehr wissenschaftliches Arbeiten im (Zahn-)Medizinstudium: zm-online</LINK_TEXT>

Es gibt Initiativen, daran etwas zu ändern.

Diese fehlende Wissenschaftlichkeit blockiert sinnvolle Entwicklungen und verfestigt Einstellungen und Sichtweisen, weil das Werkzeug zur Überprüfung (Empirie) fehlt. Das schlägt sich dann besonders verheerend nieder, wenn Diagnostik und Therapie durch „brancheninterne“ Stereotype und Vorurteile gegenüber PatientInnen oder Krankheiten und ihre Ursachen geprägt sind.

Nur, der Vorwurf der „Verwissenschaftlichung“, der gerne mal aus esotherischen Kreisen zuungunsten einer wissenschaftsbasierten Medizin ins Feld (für ein Heilpraktikerwesen) geführt wird, ist damit halt eben gar nicht zutreffend, ganz im Gegenteil. Daher gehe ich auch nicht zu jemandem der noch weniger Wissenschaftskompetenz mitbringt …

Es geht mir sehr ähnlich, auch ich eine erfolgreiche Frau (in letzter Zeit mit ein zwei Rückschlägen), mein Studium gemeistert und mich beruflich laufend weiter entwicklet. Das wirklich schlimme an der Thematik finde ich, dass ich manchmal in schwachen Minuten mir selber nicht glaube, dass ich unter ADHS leide. Auch habe ich es lange nicht in Betracht gezogen, dass ich ADHS haben könnte, obwohl ich Pädagogin bin und lange mit ADHS betroffenen Kinder gearbeitet habe. Die Symptome sind bei „neutraler“ Betrachtung sonnenklar. Eigentlich traurig, wenn ich darüber nachdenke…

Andro, Heiter & Anna:

Ja, Ja - J A. Ich verstehe so gut was ihr durchmacht und ich habe auch für mich noch nicht den Weg dort heraus gefunden. Irgendwie schummelt man sich ja vorbei, kompensiert und WILL AUCH UMS VERRECKEN NICHT, dass jemand sieht wie man ist wenn man sich selbst nicht unter falscher Kontrolle hält.

Das zerstört das eigene Selbstbild und man zweifelt an sich und seiner Diagnose, u. A weil man wieder auf sich projiziert was die anderen vermeintlich durch diese Schauspielerei wahrnehmen (dürfen).

Gleichzeitig frisst es 90% der Energie sich beruflich oder auch im privaten Treffen mit normalen Bekannten etc. so anzupassen.

Wenn man das mal nicht schafft, bricht schnell das eigene Kartenhaus zusammen während man dennoch von anderen das Gefühl bekommt, man leide nicht wirklich unter ADHS (oder hat es gar).

Und das reicht leider bist fast in den engsten Kreis. Ich pers. kann lediglich vor meiner Frau und vor meinen besten zwei Freunden „ich sein“ und werde gesehen, wie ich bin.

Aber, und hier liegt der Vorteil: Ich habe die Erfahrung gemacht dass ich diesen engsten Menschen vertrauen kann ihrem Bild von mir zu vertrauen wenn ich meinem Bild von mir nicht vertrauen kann. Das hilft zumindest auf der Basis des selbst. Denn für die Leute die ihr wirklich nah an euch ran lasst uns die euch nehmen wie ihr seid: für die wird nicht der geringste Zweifel bestehen.

Aber Beruflich nein Defizit zu tragen und zu akzeptieren und auch vor anderen zu rechtfertigen ist so schwer …

Oder von anderen, auch etwas engeren, Freunden gehörten gesehen zu werden wenn man über dieses Leid spricht, Bzw. mal gerne darüber sprechen würde aber sich nicht traut. Weil man sich nicht selbst traut.

Weil es hätte ja auffallen müssen. Weil andere Menschen auch Probleme haben. Weil man in einer Therapie sitzt aber zu jedem Satz ein „… aber andere Menschen haben ja noch mehr Stress/Arbeit/XYZ und stellen sich nicht so an“ an die eigenen Beschreibungen der Last klemmen will.

Weil man in jeden Gespräch auf wichtiger Ebene nachdenklich und distinguiert nickt und den Eindruck bei jedem erweckt man wäre Aufmerksam, Bewusst, professionell und strategisch bereis am Strippen ziehen - vllt. klappt das ja manchmal auch wirklich so - und es dann glaubt . Obwohl im eigenen Kopf ein großes Schwarzes Loch jeden Ansatz von Gedanke frisst den man zu machen bereit wäre - oder alternativ man in diesem einen Teppichmuster mit den Augen fasziniert gefangen ist. Weil man öfter die Dinge sieht die man vermeintlich selbst andere sehen lassen will.

Der Kampf gegen die eigene Selbstakzeptanz ist mit der größte den wir führen und der Verlust bedeutet auch den Verlust über den Schild gegen fremden Meinungen.

Stay firm, Kriegerinnen und Krieger. Erlaubt euch selbst eure Diagnose. Denn ADHS ist eben nicht sofort für alle offensichtlich - gerade dann nicht wenn viele zum charakterlichen Chamällion werden müssen um klar zu kommen im Leben … und die vielen von uns, die das nicht schaffen oder die Möglichkeit nicht haben, werden vom System schnell überrollt. Und ja, das sind sicher nicht wenige und es ist unfair, falsch und darf nicht passieren.

Wir müssen uns selber aber bewusst machen uns nicht zu verneinen, nur weil wie mit der selben Grundlage (ADHS) mehr Glück hatten im Lotto der Parameter und es (irgendwie) geschafft hat ohne unterzugehen. Das heißt nicht, dass man es selbst nicht hat.

Und gar keines Falls ist ADHS etwas, dass irgend jemand ohne sich intensiv mit euch zu befassen kategorisch ausschließe darf.

Es ist schwer gegen diese populistische Spitze des Symptom-Eisberges zu bestehen, vor allem weil diese Spitze für viele von uns nicht ausgeprägt im Vordergrund steht sondern der fucking Todes-Eis-Klotz darunter. Und hier muss in Deutschland sehr viel mehr Aufklärung betrieben werden. Aber: Vertraut auf euer Wissen - ihr kennt euch schon das Leben lang, und die Öffentlich hat nicht die Diagnose zu definieren und für euch zu überschreiben.

Fuck all Doubts And Love Yourself.

LG
Kuchen

Nachtrag; Offensichtlich war das auch ein Statement an mich selbst gerade.

Aeh, aber kurzer Nachtrag als männlicher Teilnehmer: ziemlich sicher hat Anna recht, wenn sie sagt dass euch die Schubladen nur so um die Ohren fliegen. Wahrscheinlich die größte zusätzliche Hürde zu dem Struggle, den ich beschrieben habe.

Es braucht mehr von euch auf der Welt.

meiner erfahrung nach wird ad(h)s ausschließlich auf den bewegungsdrang reduziert, deswegen haben die leute, denen ich davon erzählt habe, erstmal ungläubig geguckt. sie meinten, dass sie das bei mir ja überhaupt nicht sehen. ich wäre doch ein recht ruhiger typ. ich habe auch den eindruck, dass eine erklärung von ad(h)s mit den anderen eigenschaften wie starke impulsivität, augenscheinliche vergesslichkeit, unkonzentriertheit etc. schnell abgetan wird, mit den worten: das hab ich ja auch… das war zumindest meine erfahrung. manche eigenschaften haben eben auch einen schmalen grad. wer sucht nicht oft nach autoschlüsseln… aber wenn ich regelmäßig 3x die treppen runter und wieder rauf laufe weil ich was vergessen habe…

ich glaube auch, dass viele sich über all die jahrzente eine strategie zurecht gelegt haben wie man mögliche extreme eigenschaften unterdrücken kann, das ist es ja z.b., was das leben mit adhs so anstrengend macht, geht mir zumindest so. und deswegen können die leute das auch kaum glauben. meine partnerin ist eigentlich die einzige person, bei der ich mich am wenigsten zurückhalte und dann eben leider auch diejenige, die aus meinem umfeld am meisten darunter leidet.

Danke, @adscake für deine Rede.
Ist zwar grad nicht mein Thema, aber ein mit meiner adhs verknüpftes Thema zieht mich runter und schon allein dein empowernder Tonfall hat mir grad echt gut getan. merci!

Was mir zur Zeit noch häufig durch den Kopf geht und peripher mit der Fremdbild-Realität-Diskrepanz zu tun hat:

[Ich bin eine Frau und nie durch (typische jungenhafte) Hyperaktivität aufgefallen. Ich habe sowohl von ADHS und ADS Eigenschaften. Die externalisierten wie Hyperaktivität habe ich aber mittels verschiedener Strategien unterdrückt oder versteckt.]

Seit einiger Zeit, verstecke ich meine Unruhe oft nicht mehr. Ich zappel morgens wild mit dem ersten Kaffee zu Hause herum (mein Freund darf das sehen und das ist okay). Und auch sonst wird hier mehr gewippt, gezappelt, bewegt, gestreckt… usw. Homestudying und ein „alternatives“ Umfeld machen mich mutig genug dafür.

Naja um jetzt mal zum Punkt zu kommen:
Ich glaube, dass die Psychoeducation über ADHS im Allgemeinen und
die über Besonderheiten bei Frauen mit ADHS im Speziellen
mir erst aufgezeigt haben, was ich da die ganze Zeit tue - leiste - verstecke - …
Und dass lasse ich jetzt manchmal einfach.

Und deswegen fange ich neuerdings an zu zappeln. Manchmal genüsslich. Und das tut mir gut.
Und vielleicht kann ich so meine „erwachsene innere Unruhe“ wieder etwas in „äußere“ überführen…? Das wäre doch toll…

Ich denke derzeit auch viel über dieses Thema nach: Coping // Kompensieren // „Masking“
(s. <URL url="„Masking“ als Anpassung an „Neurotypische“... text=„viewtopic.php?f=11&t=1078“>„Masking“ als Anpassung an „Neurotypische“...)
und das hat auch viel damit zu tun („eigentlich wenig überraschend und doch erschreckend“ :wink:)

Mensch mensch, ich sollte wieder häufiger hier im Forum vorbeischauen^^ das tut gut hier.
Bis dann

Jo,jo. Ich habe mein ADHS auch immer mit viel Anstrengung gut kompensieren können, v.a. mit Leistungssport. Bei mir im Umfeld waren auch Viele überrascht als ich die Diagnose vor 3 Jahren erhielt, aber ich denke, das liegt an der medialen Berichterstattung, die halt immer nur die Extremfälle zeigt. Meine ADHS-Ärtzin hatte mir auch 6 Hefte mitgegeben „Gemeinsam ADHS begegnen“. Da fiel mir auf, dass ich vieles schon intuitiv so handhabe wie in den Heften empfohlen. Diese Hefte findet man übrigens auch online.

Herzhaft lachen musste ich oft als ich das Buch „Lass mich, doch verlass mich nicht“ las bzw. die „typischen“ ADHS-Beispiele darin. Bis heute ist mir unklar, wieso neurotypische Menschen mit gewissen ADHS-Eigenschaften so Probleme haben. mitdenSchulternzuck

Erstaunt war ich allerdings, als ich vor 3 Jahren zur Diagnostik bei einer auf ADHS spezialisierten Psychiaterin ging. Die Diagnose stand erstaunlich schnell und wurde hier nach einem Umzug im neuen Bundesland genauso schnell bestätigt. :shock: Ich denke, mein Lebenslauf spricht dafür (ich habe zwar nichts abgebrochen, aber mein 1. Beruf ist ein ADHS-typischer sowie die Sportarten, die ich so betreibe) und eben mein 1:1 Verhalten gegenüber spezialisierten Psychiater*innen (Mimik, Gestik, Sprechtempo, Sprechrhythmus).

Btw. ich habe schon oft gehört, dass ich einen komischen Sprechrhythmus habe. Ja, das stimmt, weil mir immer so viele Dinge gleichzeitig durch den Kopf gehen - ohne Medikation.