Ich bin kein Fan von selbsterfüllenden Prophezeihungen. Mir wurde im Alter von 21 Jahren ADHS diagnostiziert, nachdem ich bereits vorher auffällig wurde mit einer gesamten Bandbreite von (z.T. vermuteteten) psychischen Störungen, wie Autismus, Borderline, Bipolar, Angststörung, Panikstörung, Zwangsstörung, soziale Phobie, nicht stoffgebundene Sucht.
Mir wurde eingeredet, ich leide allen Ernstes unter allen (!) oben genannten Dingen. Ich hielt das für den größten Humbug, den ich in meinem gesamten Leben gehört habe, und suchte eine ADHS-Diagnose auf. Denn merkwürdigerweise ließen sich all meine Verhaltensweisen (alle!) durch ADHS erklären. Ich erfüllte alle Symptome von ADHS. Alle. Selbstverständlich wurde mir ADHS-C diagnostiziert, und alle (!!!) obrigen Diagnosen als Humbug ausgeschlossen. Mir wurde medikamentöse und Verhaltenstherapie geraten.
Meine Eltern (Vater Arzt, Mutter Krankenschwester) haben im Kindesalter bereits ADHS vermutet, es gab auch Auffälligkeiten im Kindergarten. Allerdings haben sie durch Gaslighting die Erzieherinnen dazu gebracht, Ruhe zu geben, und eine ADHS-Symptomatik wurde nicht mehr weiterverfolgt. Vielen Dank an meine Eltern an dieser Stelle.
Und jetzt? Zu meiner alten Psychiaterin, die mich mit Zwangsstörung diagnostiziert hat, werde ich nicht zurückgehen. Da kommt nämlich wieder das Stichwort selbsterfüllende Prophezeihung. Sie hat mir Sertralin verschrieben, mir aber weismachen wollen, die „wirkliche“ Lösung ist Verhaltenstherapie. Warum selbsterfüllende Prophezeihung? Bevor überhaupt geschaut wird, ob Sertralin hilft, wurde mir bereits die Wirksamkeit ausgeredet und stattdessen auf Therapie verwiesen. Ironischerweise wurde mir von der Therapeutin dann gesagt, Therapie ist keine selbsterfüllende Prophezeihung, insbesondere, wenn Medikamente bereits helfen. Therapie ist auch keine Beschäftigungstherapie.
Es gruselt mich massiv, mir jetzt mit einer ADHS-Diagnose Hilfe zu suchen. Ich glaube nicht an selbsterfüllende Prophezeihungen, deswegen werde ich keine Therapie suchen, denn ich weiß, eine Therapie funktioniert nur, wenn man sie will. Ich will keine Therapie, da meine Probleme meiner Ansicht nach nur medikamentös zu lösen sind und quasi ausschließlich biologischer Ursache sind.
Das oben genannte Sertralin hatte tatsächlich eine Wirkung. Es hat meine rasenden Gedanken verhindert, ich mein, 200mg Sertralin haut schon ordentlich rein. Allerdings hat es keinerlei Effekt auf typisches ADHS-Verhalten wie Impulsivität, Unterstimulation gezeigt. Ich habe es wieder abgesetzt, da die Psychiaterin mir quasi eingeredet hat, dass „Medikamente nicht die Lösung sind“. Okay. Was soll denn dann die Lösung sein? Selbsterfüllende Prophezeihungen?
Wenn ich schon bei so etwas Trivialen wie SSRI auf massiven Wiederstand gestoßen bin, was hat mich dann bitte bei Stimulanzien zu erwarten? Eine Verhörung? Schufa-Überprüfung? Einsicht in Bankkonten? Erst recht, wenn ich dann noch sage, ich bin an einer Therapie nicht interessiert. Dabei weiß ich, dass mein Hauptproblem massive Dopamin-Dysregulation ist, und ich unter ständiger Dopamin-Mangel sowie massiven Dopamin-Crashes leide, sobald ich mal Dopamin kriege.
Ich befürchte jetzt schon, dass ich nie die Hilfe kriege, die ich brauche. Online über ADHS-Behandlung etc. zu lesen ist immer schön, da es so systematisch ist, so plausibel, die Wirkungsweise der Medikamente, die biologischen Ursachen. In der Praxis (doppeldeutig gemeint) sieht die Realität ganz anders aus. Plötzlich wird die ADHS-Diagnose nicht ernstgenommen, plötzlich wird medikamentöse Behandlung verweigert, plötzlich wird man quasi genötigt, Therapie zu machen. Alles, außer vernünftig zu behandeln.
Manchmal habe ich den Eindruck, rund um die Uhr mit Inkompetenten zu interagieren, und es nervt mich, so zu tun, als würde ich nicht mit Inkompetenten interagieren.
Ich finde es entmenschlichend, Leute, die wissen, was ihr Problem ist, und nach ernsthaften (wirksamen) Lösungen interessiert sind, um ihr Leben unter Kontrolle zu kriegen, auf massiven Wiederstand stoßen. Denn wenn man versucht, seine Probleme eigenständig zu lösen, und es nicht schafft, regen sich die Leute auch wieder auf. Man kann es keinem recht machen.
Ich sehe schwarz. Die Lösung meiner Probleme ist greifbar nahe, Medikamente zur Behandlung von ADHS, und je näher ich mein Ziel erreiche, mein Leben unter Kontrolle zu kriegen, desto weiter weg entferne ich mich.
Ich bezweifle, dass mir jemals Stimulanzien verschrieben werden. Vielleicht sollte ich die Hoffnung komplett aufgeben und mit Atomoxetin anfangen. Wohl wissend, dass es Medikamente wie Concerta gäbe (die ohne ADHS-Behandlung im Kindesalter gar nicht verschrieben werden), die meine Kondition besser behandeln könnten. Im besten Falle wird mir Ritalin verschrieben und ich kann mich an den Dopamin-Crashes ergötzen, die mit Concerta/Vyanese weniger aufträten. Concerta und Vyanese werden wohl nur verschrieben, wenn im Kindesalter Behandlung erfolgte.
Ich sehe schwarz. Sehr schwarz. Egal, was ich tue, es ist falsch, egal, was ich nicht tue, es ist falsch. Ich suche keine Hilfe, mein Leben entgleitet mir, ich suche Hilfe, stoße auf Widerstand, Anschuldigungen, Vorwürfe. Man muss sich das mal vorstellen. Da sitzt jemand beim Arzt/Psychiater/Therapeuten, weiß haarscharf, was das Problem ist (ADHS), und wird dann wie der letzte Junkie behandelt. Was stimmt mit den Leuten nicht? Was stimmt mit den Leuten nicht, wenn Leuten, die verzweifelt darum kämpfen, ihr Leben unter Kontrolle zu kriegen, keinerlei Unterstützung kriegen?
„Wie konnte das nur passieren?“ steht des Öfteren in Zeitungen über das abrupte Ende von Leuten, die mit mentalen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. „Warum hat sich diese Person keine Hilfe gesucht?“. Heutzutage bin ich schlauer, da ich das gesamte Gesundheitssystem, inklusive mentales, durch hatte, von oben bis unten. Ich kenne das Gesundheitssystem so gut wie kein anderer, was offensichtlich ist, wenn meine Eltern dort arbeiten. Vielleicht hat eine solche Person nach Hilfe gesucht, bevor es zu spät war, wurde aber nicht ernst genommen, lächerlich gemacht etc. Vielleicht wurde dieser Person gesagt, ADHS ist nicht real. Vielleicht wurde dieser Person gesagt, sie ist selbst schuld, es ist alles eine Frage der Willensstärke, vielleicht wurde dieser Person gesagt, es gibt keine biologischen Ursachen, das ist lediglich Ausredensuche.
Es scheint mir so, Therapeuten, und insbesondere Psychiater, haben kein Interesse daran, jemanden zu helfen, der weiß, dass er sich stetig dem Abgrund nähert, und sehr gerne verhindern möchte, diesen Abgrund zu erreichen. Es scheint mir so, es wird nur Leuten geholfen, die 1mm vor dem Abgrund sind, inklusive Vorwürfe („Warum hast du nicht eher Hilfe gesucht?“).
Ich habe bereits allerlei Aktivitäten in meinem Leben aufgegeben, die lediglich Zeitverschwendung sind. Mein Alltagsablauf dreht sich nur noch um Arbeiten, die einzige Aktivität, die mit Hyperfokus gut ist. Allerlei andere Dinge wie Hobbies, Spaß mit anderen Leuten haben etc. habe ich aufgegeben, da bereits eine kleine Unregelmäßigkeit in meinem Leben mich aus der Bahn wirft.
Warum? Da ich die Hoffnung auf ein besseres Leben noch nicht aufgegeben habe. Wenn ich diese Hoffnung nicht hätte, wäre ich bereits vollends dem Hedonismus verfallen. Meine Hoffnung ist immer noch da, dass jemand mein Potential sieht, mich versteht.
Verzweiflung existiert nur, wenn Hoffnung existiert. Ich bin zutiefst verzweifelt, da ich sehr starke Hoffnung sehe, welche sich unerreichbar anfühlt.
Schönes Leben, was ich im Moment führe! Nicht. Und dann wird mir allen Ernstes vorgeworfen, ich wäre faul, dabei mache ich quasi nichts mehr, was keinen Nutzen mehr hat, nichts mehr, was Zeitverschwendung ist, nur, um zu überleben. Und dann wird mir ernsthaft Hilfe verweigert. Ich bin das perfekt Arbeitstier, ich arbeite gerne, es macht mir Spaß, es stimuliert mich, gibt mir neues Wissen, neue Techniken, unter der Vorraussetzung, dass mir geholfen wird, nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
Gleichzeitig sehe ich extrem schwarz, denn meine Zeit, sie läuft davon, meine Zeit, mein Leben zu richten, läuft davon, und ich weiß genau warum, aber ich kann es nicht verhindern. Weil ich nicht denken kann, weil ich nicht denken kann wegen extremer Dopamin-Dysregulation. Es funktioniert einfach nicht. Ich kann nur denken, wenn ich 24/7 esse, masturbiere, Pornos schaue, Computerspiele spiele, dusche, Zug fahre, Musik höre oder andere absurde Dinge tue, die mich stimulieren.
Warum sollte ich nicht schwarz sehen, wenn ich das Gefühl habe, eine Anleitung zum Unglücklichsein zu verfolgen? Nimmt mich überhaupt irgendjemand ernst? Nicht einmal auf einem emotionalen Level. Aber selbst auf einem rationalem Level werde ich nicht ernst genommen. Warum? Was soll ich bitte noch tun?