ADHS bei 13jährigem- Behandlung, Schule, Strategien?

Hallo alle,
ich wollte das hier lieber im geschützten Bereich posten, darum nicht bei den Kindern und Jugendlichen, da der Bereich frei zugänglich ist.
Ich versuche mich kurz zu fassen.
Ich habe meine Diaganose seit 8 Monaten und bin gut auf Medikinet adult eingestellt.
Kam nur auf die Idee, mich testen zu lassen, weil in einem Gespräch mit einer Psychologin in einem Beratungstermin der Schulpsychologie zu meinem Sohn, damals noch 12, das Thema ADHS aufkam und ich sagte:„Hä, das ist bei mir doch auch so?“

Mein Sohn ist seit Dezember in der Diagnostik gewesen, seit einer Woche haben wir die Diagnose.

Kurz zum Kind:

  • Er ist 13,9, überdurchschnittlich groß (1.76m) , leicht übergewichtig
  • sehr lieb, gerechtigkeitsliebend, fürsorglich, reflektiert, sensibel, teilweise aber sozial unangemessen (zu laut, zu heftig, merkt nicht, dass andere gerade was ganz anderes wollen und brauchen als er
  • wirkt sehr jung, tollpatschig, „aus dem Mustopf“, reagiert oft unangemessen emotional (schon immer)
  • noch nicht pubertär, Stimme noch eher hoch, erste Haare wachsen aber schon seit der 5. Klasse
  • wenig Freundschaften, die aber langjährig, stört ihn aber nicht. Er hat gerne seine Ruhe, liest, spielt mit seinem jüngeren Bruder, schreibt an seinem Fantasy-Epos, fährt mit dem Rad rum, zockt Mariokart. FreundInnen müssen ihm 100% gefallen, sonst ist er lieber alleine
  • in sozialen Settings spielt er oft mit den Kleineren, tobt, lässt sie auf sich rumklettern, gibt Spielideen vor oder sucht sich eine ältere Person mit gleichen Interessen - oder zieht sich zurück und liest.
  • braucht viel Schlaf, 10-12 Stunden, sonst ist er komplett weinerlich und unkonzentriert
  • in der Grundschule hatte er nur super Noten und hat sich immer hervorragend selbst organisiert. Die Grundschule hatte entschieden, ihm ohne Diagnosen die Rechtschreibleistungen einfach nicht zu werten. Seit 2 Jahren ist er jetzt auf dem Gymnasium und die Noten sind auf Talfahrt gegangen. Er muss wahnsinnig viel selbst organisieren, Teams checken, Untis checken, das ist zuviel, er vergisst Termine, er kommt zu spät, steht im falschen Raum, beantwortet Fragen zu schwammig, beantwortet Aufgaben an der Aufgabenstellung vorbei. Er ist super resilient und hat sich da wieder ordentlich hochgekämpft, aber es ist trotzdem frustrierend, wenn nach intensivem Lernen doch wieder eine 4 oder 4- dabei rauskommt.
  • Vater ist im 5. Lebensjahr ausgezogen und seitdem eher mal am Wochenende präsent. Die Beziehung mit den Kindern ist aber liebevoll, er wird über alles informiert und mit einbezogen, letztendlich treffe aber ich die Entscheidungen.

Ergebnisse der Diagnostik:
Zusammenfassung:

  • ein freundlicher 13jähriger, der körperlich altersentsprechend entwickelt ist, jedoch 2-3 Jahre jünger wirkt
  • er hat eine sehr deutliche isolierte Rechtschreibschwäche, das Lesen ist sein großes Hobby und da ist er im Durchschnitt. Es wurde nur die HSP gemacht.
  • Kind ist im oberen Durchschnittsbereich der Intelligenztestung - WISC IV- (IQ 112), werden die Aufgabenblöcke rausgerechnet, bei denen die Konzentration relevant ist, dann ist er knapp überdurchschnittlich intelligent (IQ116)
  • Es gibt eine deutliche Diskrepanz zwischen den intellektuellen Fähigkeiten und den schulischen Ergebnissen, die einen wahrnehmbaren Leidensdruck verursachen
  • überdurchschnittliche Ergebnisse gab es im Bereich der fluiden Intelligenz und im Sprachverständnis, der Rest ist als „durchschnittlich“ bewertet, mir wurde im Auswertungsgespräch mündlich gesagt, Konzentration und Verarbeitungsgeschwindigkeit seien unterdurchschnittlich
  • Bei der Überprüfung, Aufmerksamkeit auf mehrere Reize zu richten, waren die Ergebnisse gut, die Reaktionszeit aber unterdurchschnittlich
  • Reaktionszeit nimmt im Verlaufe der Testung ab, Kind formuliert auch „ist anstrengend“, wirkt müde
  • Auswertung der Fragebögen (Kind, Mutter, Vater, 1 Lehrkraft, 1 Schulhelfer): sehr auffällig, besonders Unaufmerksamkeit, Impulsivität, Funktionsbeeinträchtigung, Leidensdruck

Das war jetzt erstmal nicht überraschend. Wir machen beim Kinderarzt ein Blutbild und ein EKG und machen dann eine Eindosierung mit Medikinet.
Außerdem bietet die Praxis eine „Lernen lernen“-Therapie an, wir haben 3 Terminezwischen Juli und Oktober, es geht dort vor allem um Selbstorganisation und Strategien. Danach findet ein weiteres Auswertungsgespräch statt.

Schule:
Kind ist in der 8. Klasse Gymnasium. Die Lehrkräfte sind freundlich und bemüht, aber auch überfordert und ahnungslos („Das habe ich im Studium nie gelernt! Da weiß ich nichts drüber! Wir haben keine Sonderpädagogin!“). Ich habe mehrmals den Kontakt zum zuständigen Beratungszentrum hergestellt, die bieten Schulungen zu LRS an- wurde seitens der Schule nicht wahrgenommen.
Ich habe den Eindruck, die Lehrkräfte hätten gerne eine Lösung ex machina- Kind übt die Handschrift und sie wird sofort besser! Hurra!- Sorry, die üben wir seit der ersten Klasse inklusive mehrerer Jahre Ergotherapie.

Beim Elternsprechtag neulich wussten die meisten Lehrkräfte nichts von der Diagnostik „Sowas erfahre ich immer erst in den Konferenzen“/ „Ich wusste nicht, dass ich ihn auch mündlich abfragen darf, können Sie mir da was schicken?“/ „Er ist merklich intelligent, versteht neue Inhalte oft als allererster, aber in den Klassenarbeiten kann er den Lösungsweg nicht erklären, total schade!“ „Bleibt unter seinen Fähigkeiten“- ahhhhhhh!

Teilweise werden dem Kind Dinge vorgeworfen oder abgefordert, die Teil der ADHS sind, man erinnere sich an die Nachricht von „Frau Email“, obwohl bekannt ist, dass er in der Diagnostik ist.
Es fanden und finden immer wieder Gespräche statt, in denen ich immer wieder vermittle, was das Kind realistisch leisten kann und die Lehrkräfte sind immer wieder überfordert. Ich verstehe das auch, es sind 30 Kinder in der Klasse und jedes hat sein Päckchen. Trotzdem ist es unbefriedigend.

Meine große Frage ist momentan, wie wir mit der Schule weitermachen.

Der Vater und ich sind beide nicht leistungsbesessen. Das Kind soll vor allem glücklich und zufrieden mit sich sein, ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, sich seinen Talenten entsprechend entfalten können. Die Schule ist schon stark leistungsorientiert, was mir bei der Anmeldung nicht klar war, dabei aber sozial gut aufgestellt, es gibt wenig Konflikte an der Schule, ein nettes Miteinander, gemeinsame Ausflüge und Auftritte, wenig Mobbing und Hänseleien.
Das ist deshalb so wichtig, weil unser Kind sehr sehr sensibel ist. Jemand erschlägt eine Wespe- Kind fängt an zu weinen und muss sich rausziehen, weil man doch keine Tiere töten kann, einfach so. Diskussion über Mobbing, Trauer, Ungerechtigkeit- Kind weint. Kind wird ungerecht behandelt- Kind brüllt laut ohne Worte in den Raum und muss sich draußen abregen. Damit können an der Schule sowohl die Lehrkräfte als auch die Kinder der Klasse relativ gut umgehen. Kind ist bestimmt nicht „cool“ oder der Beliebteste, wird aber eben auch nicht gehänselt oder ausgeschlossen.

Wir wohnen in der Berliner Innenstadt. Diese „emotional-soziale Unreife/Entwicklungsverzögerung“ würde ihn an vielen anderen Schulen zum perfekten Opfer machen. Er ist nicht cool. Er will auch keine Strategien lernen, um in solchen Momenten anders zu agieren und weniger angreifbar zu sein. Er will einfach er selbst sein, was ich von ihm sehr charakterstark finde. Mein Sohn möchte unbedingt erstmal an der Schule bleiben, er ist ein sehr loyales treues Seelchen.

Es ist also ein bisschen die Wahl zwischen „Leistungen unter Möglichkeit, Selbstbewusstsein davon ggf. tangiert, aber sozial in Ordnung“ und „Schule kann vielleicht mit ADHS/LRS besser umgehen, bessere Noten, dafür wahrscheinlich sozial mehr Kritik, Ausgrenzung, Kommentare durch Peer Group“

Die Klassenlehrerin empfiehlt den Schulwechsel, wohin weiß sie aber auch nicht.

Ich habe die Psychiaterin gefragt, was sie wichtiger fände- konnte sie nicht beantworten, wie auch. Sie schlug dann vor, einer der Lehrer beim Elternsprechtag auch schon, dass man zuerst den KlassenlehrerInnen- und FachlehrerInnenwechsel nach der 8. Klasse abwartet. Wenn da alles in Ordnung ist, das Kind bis zur 10. Klasse auf diesem Gymnasium lassen und dann auf eine Gesamtschule wechseln lassen, da er dann ein Jahr mehr Zeit hat bis zum Abi und das ganz schwierige SchülerInnenklientel tendenziell vielleicht auch nach der 10. schon abgeht.

Auch die Wirkung des Medikinet ist ja erstmal abzuwarten. Vielleicht funktioniert es so gut wie bei mir und einige der Schwierigkeiten erledigen sich von selbst.

Zudem stehen wir schon eine Weile auf einer Warteliste für eine LRS-Therapie, es soll im Dezember losgehen (16 Monate Wartezeit!)Die LRS-Fachkraft des Gymnasiums macht auch einmal wöchentlich ein Training mit den Kindern, aber das ist eben auch nur eine Person, die einmal eine Fortbildung gemacht hat, ohne das schmälern zu wollen.

Insgesamt habe ich volles Vertrauen, dass dieser resiliente, patente, liebevolle kleine Kerl seinen Platz finden und seinen Weg gehen wird. Ich möchte es ihm natürlich leichter machen, als es das bei mir und vielen von Euch war.

Besonders stellt sich mir die Frage der Balance zwischen - Ich helfe ihm kleinschrittig und erinnere ihn immer wieder, weil er es nicht alleine kann- (das ist intuitiv das richtige, auch wenn es mich anstrengt) und - Ich lasse ihn alleine machen, er muss das schließlich lernen, er muss selbstständiger werden - (sagt seine Klassenlehrerin z.B, die aber auch von ADHS keine Ahnung hat). Was meint ihr dazu?

Ich habe gar keine konkrete Frage eigentlich, aber vielleicht hat euer Schwarmwissen ja Ideen, Anregungen, eigene Erfahrungswerte. Die würde ich gerne lesen.
Danke! :heartpulse:

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Hmmmmh… Das Schuljahr ist ja jetzt fast vorbei.

Es sieht ja so aus, als würde er ja jetzt bald mit Medikinet anfangen… Ich würde das erstmal abwarten und dann weiter schauen. Nen Schulwechsel ist ja auch immer mit Stress verbunden.
Da die Ferien bald anfangen, ist ja die Möglichkeit da, ihn auf die Medis soweit einzustellen, dass er dann im neuen Schuljahr evtl. wesentlich besser wieder einsteigen könnte.
Wäre jetzt soweit meine Überlegung.

Falls das doch alles einfach nicht will, würde ich einfach mal versuchen ne Probewoche auf einer Gesamtschule oder Realschule zu machen. Dann kann er ja hinterher immer noch entscheiden, wie er damit klar kommt.
Ich drück die Daumen, dass ihr eine Lösung findet :heart:

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naja, dein Sohn ist dreizehn… und anscheinend auch in sich selbst ruhend trotz der Defizite… ich denke, er kann sich schon sehr gut selbst äußern, wie sich das eine oder andere für ihn anfühlt… mein Sohn war sehr klar in dem Alter, lieber Realschule gut gemacht, als an dem Druck im Gymnasium (Bayern!) gescheitert… und er hatte da für sich ein sehr gutes Gespür…

wäre ich in deiner Situation, würde ich zunächst mal die Medikation abwarten… und wenn er sich dort wohl fühlt und das soziale Umfeld soweit gut ist, würde ich keinen Schulwechsel anstreben… klar ist, dass der Druck mit jedem Schuljahr steigt und die Pubertät ist auch im Anmarsch… es wird so oder so demnächst kniffelig… dann noch einen Schulwechsel riskieren, der ihn möglicherweise aus dem Gleis hebt… das kann richtig nach hinten los gehen

aber so, wie du schreibst, machst du das glaube ich schon ganz gut…

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Ich würde ihn auf jeden Fall erstmal in dieser Schule lassen und die Eindosierung mit Medikinet abwarten!

Kennst du die Unterschiede der mph Präparate? Finde ich wichtig.

Man muss oft verschiedene Präparate ausprobieren. Beim Medikinet kommt es sehr darauf an wie lange es bei deinem Sohn wirkt - meist muss man jedoch nach 5-6 Stunden die nächste Kapsel zusammen mit einem Essen nachnehmen.

Ich fand bei den Kindern concerta am besten.

Aber jetzt mal ein Schritt nach dem anderen. Wir haben alle Schulformen mit mehreren ADHS Kindern kennengelernt und hatten viele Wechsel!

Am besten für ADHS Kinder ist tatsächlich Frontalunterricht. Wir haben auch das ADHS Gymnasium von Cordula Neuhaus angeschaut.

Auf den verschiedenen Gymnasien hatten wir kaum Unterstützung der Lehrer - das ist einfach nicht leistbar. Wichtig ist, dass das Kind vorne sitzt.

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Liebe @Katz
ich finde @Seven hat das gut auf den Punkt gebracht. Frage Deinen Sohn, wie es ihm geht und was er dazu meint. Vielleicht hat er seine ganz eigene Meinung dazu. Wir Mütter machen uns oft zu große Sorgen. Ich habe 2x einen Sohn, aus 2 Beziehungen. Der ältere ist undiagnostiziert durch die Schule gekommen. Er ist definitiv betroffen, aber mittlerweile erwachsen. Er weiß um meine Diagnose und die seines kleinen Bruders. Da Du vom Fach bist, fasse ich nur kurz die Schulwege der beiden zusammen. Gerade auf den jüngeren bezogen (fast 12) ähneln sich viele Beschreibungen Deines Sohnes.

Sohn1:
reguläre Grundschule (geburtenschwacher Jahrgang, deshalb nur 16 Schüler, ideal)
dann knapp Bildungsempfehlung Gymnasium
5. Klasse: Gymnasium, viel Nachhilfe meinerseits nötig und Tränen beim Kind
6. Klasse: Wechsel auf eine Montessorischule (Umzug in eine andere Stadt, keine freien Plätze auf den Gymnasien)
Hier war vor allem das Umfeld gut. Allerdings fehlte Struktur. Er hat sich wohl gefühlt, ist aber in der Hängematte abgesackt. Zudem hat er eine LRS. Realschulabschluss. Er macht gerade eine Ausbildung zum Erzieher.

Sohn 2:
Diagnose ADS, stark ausgeprägte Reizfilterschwäche
Reguläre Beschulung ist aufgrund deren nicht möglich. Er ist Förderschüler mit Schwerpunkt Lernen und Motorik und geht auf eine Förderschule für Körperbehinderte. Das sehr ruhige Umfeld ist perfekt. Momentan sind es 12 Schüler + Klassenlehrerin + Colehrerin. Er benötigt dort dennoch Kopfhörer mit Noice cancelling. Allerdings ist ihm oft langweilig. Hier bin ich nicht sicher, ob es an einer Unter- , Überforderung oder mangelndem Interesse liegt. Er ist fröhlich und spielt gerne mit anderen, aber auch hier pickt er sich die Freunde gezielt und ist schnell wieder im stillen Zimmer. Das habe ich als Kind auch so gemacht.

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Das ist ein guter Hinweis und bis jetzt war es so, dass ihm die Übergänge nicht leicht gefallen sind. Wechsel aus der Kita in die erste Klasse, von der dritten in die vierte (Klassenlehrerinnenwechsel), aus der Grundschule ans Gymnasium. Das hatte ich gar nicht bedacht.

Die Psychiaterin der Praxis möchte das sogar gerne noch vorher machen, da nach der 8. die Lehrkräfte komplett wechseln und sie gerne eine Einschätzung der Wirkung von den Lehrkräften hätte, die ihn auch ohne Medikament kennen.
Ich habe eigentlich große Erwartungen ans Medikinet oder generell an Stimulanzien, weil sie bei mir so toll gewirkt haben. Ich versuche, das nicht zu sehr zuzulassen, falls es bei ihm eben nicht so gut wirkt.
Einmal habe ich ihm am Wochenende 10 mg retardiertes Medikinet gegeben, wir waren die ganze Zeit zusammen und ich weiß, dass er keine Herzprobleme hat. Er konnte sich nach eigener Einschätzung viel besser konzentrieren, war für seinen Bruder etwas sehr drüber. Ich habe nur festgestellt, dass er über eine lange Bahnfahrt durch Berlin sehr konzentriert lesen konnte und trotzdem ansprechbar war, sonst muss er immer schnell mal erzählen, was gerade im Buch passiert oder ist dann so tief drin, dass man ihn anfassen muss, damit er merkt, dass man gerade mit ihm spricht.

Guck mal, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen, obwohl in meinem eigenen Unterricht regelmäßig Gastkinder zur Hospitation sitzen. Super Idee! Realschulen gibt es gar nicht mehr in Berlin, alles, was ab der 7, Klasse nicht Gymnasium oder Förderzentrum ist, geht auf die ISS (Integrierte Sekundarschule) und die Differenzierung erfolgt über ein Kurssystem mit bestimmten Fächern wie Kunst oder Sport, die dann alle zusammen haben.

Von Herzen Danke :heartpulse:
Ich glaube, die Lösung ist: auf den Weg und mein Kind und mein Bauchgefühl vertrauen.
Was gar nicht so leicht ist, weil von allen Seiten immer Ratschläge kommen und ich will ja natürlich das Beste für ihn. Aber die Ratschläge von Menschen, die ich mag und deren pädagogische Ansichten zu meinen passen, sind: Vertrau dir, vertrau den Kindern, ihr macht das toll, sei weiter liebevoll, fürsorglich, ansprechbar, offen, das ist genau richtig alles.
Ommmmmm.

Das stimmt. Er wirkt oft jünger und relativ unselbstständig, trotzdem trifft er die finalen Entscheidungen und das weiß er. Auch im Bezug auf Medikament ja/nein etc. Das Gymnasium war sein Wunsch, ich hätte ihn gerne auf einer privaten Gesamtschule gehabt. Er sagt, dass er die Lehrkräfte und Kinder und die Schule so mag und bleiben möchte. Ich akzeptiere das. Vor ein paar Monaten hatten wir ein Gespräch, bei dem ich ihm das Schulsystem noch mal erklärt habe, da hat er erstmalig verstanden, dass er an einer ISS (Integrierte Gesamtschule) ein Jahr länger bis zum Abi hätte und das bei einer Bewerbung um einen Studienplatz oder eine Ausbildung niemand sagen würde „Ha, der hat zwar einen Durchschnitt von x, war aberauf dem xy-Gymnasium, wir nehmen den!“ Daraufhin war seine Idee auch, erstmal an der aktuellen Schule zu sehen, wie es weitergeht und dann immer wieder neu zu evaluieren.

Unbedingt, das war auch die Ansicht der Psychiaterin, der Klassenlehrerin und die meines Menschenverstandes :laughing:

Hör auf ey, ich hoffe nur, dass er nicht so mies pubertiert wie ich damals. Ich habe ALLES mitgenommen. Mit 15 betrunken nach Hause kommen und in den Mülleimer kotzen, dramatische Heulanfälle, Lippen schwarz geschminkt, hach ja.
Aber er ist noch so kindlich, schämt sich wenig, Coolness ist ihm Wurst, er umarmt und küsst mich und seinen Bruder und Vater vor seinen KlassenkameradInnen, liest Comics, wenn es um Sex geht, ist alles eklig, wenn es um Liebe geht, alles peinlich und unvorstellbar… ich bin sehr gespannt.

Danke! Ich hoffe es. Schule, psychologische Beratung und Psychiaterin finden ihn in seinem sozialen Umfeld gefestigt und gut unterstützt, er wirkt auch nicht neben der Spur. Ich versuche, ihm die Anerkennung und Wertschätzung, die er gerade über Noten nicht generieren kann, so zu geben und ihm beizubringen, wie er sie sich vor allem selbst geben kann (Affirmationen, Dankbarkeit etc.)
Erfreulicherweise hat die Klassenlehrerin auch angefangen, unter jede Arbeit zu schreiben, was sie richtig gut fand, z.B., dass sie merkt, dass er sich mit der Schrift mehr Mühe gibt, dass dieser Gedanke super war und ausgebaut werden sollte, dass xy ein richtig gutes Argument war etc.

Ich weiß über die unterschiedlichen Wirkungskurven (?) Bescheid und dass Medikinet eben mit Essen funktioniert. Muss ich noch was wissen?
Die Ärztin sagte, Medikinet sei die erste Wahl, wirke allerding bei 30 % der Jugendlichen nicht. Mal sehen.

Das wird aktuell rotiert. Die Kinder haben immer eine „Lernfamilie“. Im letzten Monat waren das drei sehr verquatschte Mädchen, das ging schief.
Nächste Woche habe ich einen Termin mit der Klassenlehrerin und dem Schulhelfer, da werde ich das ansprechen.
Es soll auch eine Schulhilfekonferenz mit allen Lehrkräften und der Schulpsychologie stattfinden, da sollte ich das auch ansprechen.

Ist ja aktuell wahnsinnig verpönt. Es gibt allerdings Studien dazu, die sich mit meinen eigenen Beobachtungen aus der Schule decken: Neurotypische Kinder aus sehr unterstützenden, bildungsaffinen Elternhäusern können gut mit alternativen Formen umgehen und profitieren davon. Viele neurodiverse Kinder und Kinder an Brennpunktschulen profitieren vom Frontalunterricht mehr. Habe ich im Referendariat angebracht, meine Seminarleitungen hätten mich mit Blicken fast umgebracht :sweat_smile:

Das passiert 100%ig, ich beschließe nichts über seinen Kopf hinweg und er hat das letzte Wort (nicht in punkto „Was essen wir“ :sweat_smile: ). Das mache ich schon immer so, sein Vater auch und beide Kinder treffen eigentlich immer sehr vernünftige, gut nachvollziehbare, rational und emotional begründbare Entscheidungen.

Ich mache mir wirklich Sorgen, allerdings werden die auch massiv von außen an mich rangetragen. In der Grundschule hieß es, er sei ein Einzelgänger und habe eventuell Dyspraxie, die Ergotherapeutin hat gestaunt. Jetzt erzählt mir die Klassenlehrerin, er sei nicht in die Klasse integriert und sie habe Angst, dass er früher oder später gemobbt werde, sein Erleben und mein Eindruck sind ein anderer. Da war der Ton bei mir am Gymnasium aber deutlich schärfer untereinander (in den 90ern).
Ich habe den Eindruck, dass die Lehrerin es ganz lieb meint, aber auch so richtig überfordert ist. Sie möchte schnelle Lösungen. Ich möchte das Kind sich in Ruhe entwickeln lassen. Dann ist er halt unangemessen fröhlich oder sensibel, dann ist er halt verschusselt und verpeilt, dann ist er halt viel kindischer als die anderen Jungs in der Klasse. So lange er gesund und zufrieden ist, ist das doch kein Drama.

Ich auch und das finde ich auch völlig okay so. Ist doch super, wenn die Kinder ihre Grenzen erkennen und merken, wann sie sich zurückziehen müssen.

Auch dir ganz lieben Dank für deine Einblicke und Einsichten!

Magst du erzählen, wie es da war? Haben sie irgendwas ganz anders gemacht als an anderen Schulen?

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Hmmmh… darüber habe ich gar nicht so wirklich mal drüber nachgedacht. :rofl:
Frontalunterricht muss ja per se nix Schlechtes sein. Wird aber immer verpöhnt.

Man muss den Unterricht auch gestalten und man kann auch Frontalunterricht gut machen für alle. Hat echt was damit zu tun, wie mans macht. Andere Unterrichtskonzepte können auch schlecht gemacht sein und die Schüler lernen nix.
Es allen Recht machen kann man ohnehin nie, aber man kann versuchen so kompromissbereit und orientiert wie möglich zu arbeiten, um die Schüler an dem Punkt abzuholen, wo sie stehen.

„Lehrer werden ist nicht schwer, Lehrer sein dagegen sehr.“ - Zitat meiner ehemaligen Lehrerin aus dem Abi im Fach Erziehungswissenschaften. (Die Gute hatte schon immer eine leichte Meise. :no_mouth:)

Ich kann mich aber aus meiner Schulzeit erinnern. Gruppenarbeiten und sowas waren immer die totale Hölle. :flushed:
Hat mich richtig frustriert, weil ich einfach nie mit kam, nie richtig Ideen einbringen konnte, und nicht wusste, was ich jetzt überhaupt da machen sollte. Ich fühlte mich immer völlig Fehl am Platz. Alleine arbeiten an Aufgaben? Frag am Besten gar nicht erst. :eyes:

So langsam erscheint mir das alles Logisch. :flushed:

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Katz…

Genau, du packst das. Bauchgefühl, dem Kind vertrauen, dir selbst vertrauen, ihr macht das gut. Liebevoll, einfühlsam und offen sein, dann seid ihr alle zusammen auf dem richtigen Weg. Ich wünsche euch echt vom ganzen Herzen viel Glück und Erfolg für die kommende Zeit. :heart:

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Ich glaube du meinst deine Ratschläge meistens nett, aber ich empfinde deine Kommentare häufig sehr verunsichernd und wenig hilfreich. Ich würde mir wünschen, dass du deine persönlichen Erfahrungen etwas raus lässt und eher individuelle Ratschläge gibst.

Das ist wirklich lieb gemeint, aber mir ist das einfach sehr stark aufgefallen.

Das halte ich zB für eine sehr gewagte Äußerung.

Hast du Quellen für die besagten Studien?

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Liebe @Katz ich gebe zu das ich nur Deinen Eröffnungs Beitrag gelesen habe, und auch noch nicht bis zum Schluss, vieles davon klingt für mich sehr vertraut, was mir bis zur Hälfte des Textes sofort durch den Kopf schoss war das mich Deine Schilderungen sehr an das Autismus Spektrum erinnert, mehr fällt mir dazu gerade nicht ein, aber wenn ich alles gelesen habe, dann melde ich mich vielleicht noch mal, Sorry bin seit einiger Zeit extrem unter Stress, deshalb nur soviel von mir. :heart:

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Mein Sohn ging nach der Grundschule auf die Montessori-Schule. War ein echter game changer für ihn. Kein Notendruck, viel Projektarbeit, sehr viel Wertschätzung für ihn als Person und seine sozialen Fähigkeiten, gute Beziehungen in der Gruppe und zu den Lehrer:innen. Er hat LRS und bei der Diagnostik wurde er schon darauf hingewiesen, dass er sich auch noch auf AD(H)S testen lassen könnte. Während seiner Zeit auf der Monte hielt er es nicht für nötig. Aber als es dann auf den Quali und die mittlere Reife zuging, wollte er von sich aus die Diagnostik, um Chancengleichheit zu haben (seine eigene Begründung). Die Diagnostik war dann auch positiv und für die Vorbereitungen zum Quali nahm er Medikinet. Damit lief es ganz gut. Danach hat er es wieder abgesetzt und 2 oder 3 Monate vor der mittleren Reife (externe Prüfung mit Noten) ließ er es sich wieder verschreiben. Hat geklappt und jetzt macht er auch (Gruß an @Lupine ) die Erzieherausbildung ( mit Mathe und Englisch für´s Fachabi). Das klappt jetzt aber nur noch mit regelmäßiger Einnahme von Elvanse. Projektarbeit, Referate und praktische Angebote klappen gut. Lange Schulaufgaben sind schwierig, die Zeit langt ihm nie. Einiges kann er durch mündliche Beiträge kompensieren.

Sein jüngerer Bruder ist gerade 13 Jahre alt geworden und geht auf die Mittelschule (Bayern). Auch er hat ne LRS und mit Sicherheit auch ADS, wenn er ne Diagnostik erhielte. Die Noten sind ein Auf und Ab. Trotzdem geht er gerne zur Schule. Er hat einige Freunde und die Lehrer:innen mögen ihn auch. Was ich sagen will: So pauschal zu behaupten, ob Frontal- oder Projektunterricht bei ADHS besser wären oder nicht, bringt mAn nicht so viel. Entscheidend sind die Beziehungen, die man hat - Lehrer:innen, die wertschätzend und fördernd sind, gute Freunde in der Klasse, Eltern, die nicht gleich Panik schieben, wenn mal die Versetzung gefährdet ist usw. Resilienz erlangt man durch tragfähige Beziehungen, nicht durch Noten. Ich glaube, @Katz , da hast du nen ganz guten Riecher für … und dein Sohn auch. :+1:

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Das hat sich hier tatsächlich noch niemand offizielles gefragt.
Für mich spricht einiges dagegen, ich hatte mich aber auch schon mal gefragt. Bin aber ehrlich gesagt kein Profi bzgl ASS. Ich schaue gleich mal, was ich da noch finden kann.
Ich habe es auch nicht angesprochen, wäre das bei der Diagnostik aber wahrscheinlich aufgefallen, oder?

Ehrlich gesagt suche ich die seit über einem Jahr selbst, ich kann das ja nicht einfach so behaupten und dann nicht belegen.
Hatte das eines späten Abends gefunden und dann nie wieder.
Ich werde mal eine neue Suchaktion starten.

Jaaaaaaa! Das stimmt. Wir erinnern uns im Idealfall alle an die eine Lehrkraft oder den einen Nachbarn, derdie unerschütterlich vermittelt hat, dass alles halb so wild ist und er sie ganz sicher war, dass man seinen Weg schon gehen würde.

Hach Danke. Ich fühle mich hier heute sehr bestärkt, dass mein Bauchgefühl und meine pädagogische und elterliche Intuition sowie das Vertrauen in mein Kind richtig sind und uns weiterhelfen werden.

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Ich mag deinen Jungen schon vom Lesen! :adxs_wink:

Ich finde es sehr klug von dir, mit der Medikinet-Einstellung jetzt zu beginnen, wenn es nicht „brennt“. Und bis zu den Ferien warten würde ich an deiner Stelle auch nicht, da hast du recht.

Denn wie die Anderen schon sagten, die Pubertät kommt von selbst, und auch wenn er nicht mit 15 in Mülleimer kotzt - die Phase, wo alles doof ist, was die Mutter will, weil es die Mutter will, gehört ja dazu.

Und dann würde es sehr schwer, ihm Stimulanzien schmackhaft zu machen. Dadurch würde er ja angepasster sein können, und das ist das Letzte was Pubertierende wollen. Aber nicht wenn sie das Stimulans für sich selbst schon als vorteilhaft erfahren haben.

Dummerweise ist das auch das Alter, wo der Dosisbedarf stark schwankt - zwischen 11 und 15 (?) stieg er bei meinem großen Sohn von 22,5 mg (Tagesdosis) auf 70 mg. D. h. du kannst leider nicht davon ausgehen, wenn Dosis x zum Zeitpunkt x gut funktioniert, dass es in einem halben Jahr noch genau so ist.

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:heartpulse: Dankeschön, ich auch. Also generell :sweat_smile:.
Das muss ich ihm noch öfter sagen. Aber eigentlich sagen wir uns jeden Tag tolle Sachen zur Einschlafzeit, da wird auch immer noch vorgelesen und gekuschelt.
Das werden sie noch früh genug nicht mehr wollen.

Ich habe mein „, Ich hab dich so / sehr lieb“ neulich variiert zu „Es ist so einfach, dich liebzuhaben, weil du so toll bist“, da hatte er Pipi in den Augen.

Heute hatte er einen mittleren Fahrradunfall mit viel Schreck und jetzt geschwollenen Knien, ich habe ihn trotz krank im Bett abgeholt (nur eine Ubahstation, aber er brauchte vor allem die Liebe und Aufmerksamkeit auf den Schrecken) und der süße Keks hat sich ernsthaft bedankt. Er ist wirklich sehr höflich und lieb.

Ich werde jetzt mal noch rausfinden, wie ich ihn außerhalb der Schule noch sportlich und künstlerisch weiter fördern kann. Die Schule frisst viel viel Zeit, aber das andere ist mindestens ebenso wichtig.

Kunst macht er oft mit mir, aber vielleicht wäre ein externes Angebot in den Ferien zusätzlich auch gut.

Danke für die Rückmeldung. :blush:
Es geht mir tatsächlich nicht um persönliche Erfahrungen, sondern um die Unterschiede bezüglich der Galenik, die oft nicht so bekannt sind. Ich muss überlegen, wie ich mich anders ausdrücken kann. Verunsichern möchte ich nicht.

Zum Thema ADHS Gymnasium von Cordula Neuhaus in Esslingen gibts eine Doku:

Wir hatten die Schule angeschaut, jedoch dort keinen Platz bekommen. Das Konzept ist trotzdem interessant.

Ich kenne es so, dass Fachleute uns immer Frontalunterricht für ADHS Kinder empfohlen haben und das deckt sich absolut mit unseren Erfahrungen.

Die Internetseite der Schule:

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