ADHS Diagnose - aber ‚nur‘ leichte Symptomatik

Hallo zusammen,

ich (weiblich, 26) bin gerade etwas aufgewühlt, daher würde ich mich über einen Austausch und eure Erfahrungen freuen.
Am Montag hatte ich endlich meinen ersten Termin zur Diagnostik von ADHS (bei einer Psychotherapiepraxis, die sich unter anderem darauf spezialisiert hat). Der erste Eindruck von der Therapeutin war in Ordnung, sie wirkte leider etwas desinteressiert, nahm sich aber immerhin ausreichend Zeit für die Anamnese. Sie fragte sehr allgemein, welche Symptome ich aufweisen würde, was ich in dem Moment schwierig fand. Dadurch erzählte ich relativ schwammig (und das, obwohl ich mir extra Notizen vorbereitet habe). Nachträglich würde ich sagen, dass ich 1.) meine Probleme und meinen Leidensdruck nicht gut verdeutlicht habe 2.) gefühlt die Hälfte der Symptome vergessen habe zu erwähnen (was sicher auch auf meine Nervosität zurückzuführen ist…).
Sie hatte mir im Voraus außerdem den WURS-K und ASRS-V1.1 zugesendet sowie einen Fragebogen für meinen Partner. Sie meldete mir zurück, dass ich bei beiden Fragebögen eine Punktzahl genau am Cut-Off-Wert erzielt habe, was für sie in Kombination mit meinen Schilderungen auf eine eher leicht ausgeprägte Symptomatik hinweist. Sie wolle beim kommenden Termin noch ein weiteres Interview mit mir durchführen und dann ggf. die Diagnose stellen - einen Bedarf für Psychotherapie sehe sie aber nicht. Empfohlen hat sie mir in dem Zuge aber eine medikamentöse Einstellung durch einen Psychiaterin. Da ich auf lange Wartezeiten gefasst bin, habe ich mich vorsorglich um eine psychiatrische Anbindung kümmern wollen - im Grunde hat mir die Psychiaterin aber mitgeteilt, dass eine medikamentöse Einstellung bei leicht ausgeprägter Symptomatik keinen Sinn machen würde. Ich solle mich nach Erhalt der Diagnose trotzdem nochmal melden.

Im Grunde hat sich dadurch meine anfängliche Befürchtung bestätigt, dass die Symptomatik nicht stark genug ist und ich meine Problematik aufgebauscht wahrnehme, was ich sehr frustrierend finde. Daher meine Fragen an euch: habt ihr es schon mal erlebt, dass eure Symptomatik als nicht behandlungswürdig eingestuft wurde? Und falls ja, wie seid ihr weiter vorgegangen?

Ich freue mich auf eure Antworten :blush:

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Liebe @thepsychologist
Hast Du die Dokumentation Hirschhausen und AD(H)S gesehen. Hirschhausen wurde auch diagnositiziert, „moderates AD(H)S“, als „Moderator“ würde ihn das nicht überraschen.
Immerhin wird bei Dir AD(H)S nicht ausgeschlossen, und eine weiteres Gespräch findet statt.
Ich würde mal hier die Listen der Symptome durchschauen:

Ich würde mich dann sehr gut vorbereiten - mit den griffigsten Symptomen. Du hier mit Deiner Symptomatik ja abchecken kannst.

Ich war im Leben nie auffällig, also von aussen wäre nie jemand auf den Verdachts auf AD(H)S gekommen, und selbst wo ich mal psychologische Hilfe geholt hatte. Da ich immer gerne allen schlechten GEfühlen auswich und „vermied“, nicht-anfing, auf bessere Zeiten wartete, bekam ich echt Probleme mit der Prokratinatinon. In einer Selbsthilfegruppe, wurde gerade zur Anfangszeit jemand auf AD(H)S diagnostiziert.
Ich beobachtete in Folge mein Prokrastionationsverhalten, und stellte fest, dass Blockaden dahinter steckten. Ich zwar eben nicht wirklich „depressiv bin“ auch nicht „Bipolar“ aber eben Mühe mit den Stimmungen habe, und das eine Begleiterscheinung fast der meisten AD(H)Sler ist - welches dann auch zu einer Depression führen kann.
(Kam verwirrend noch dazu dass meine Mutter depressiv war, ich da emotional involviert war).

So bin ich für mich sicher, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit von ADS betroffen bin, allerdings habe ich auch keine Diagnose.
Ich kenne nun meine Issues.

WEnn man sich der Probleme bewusst ist, muss man sich entscheiden, was man will und was man braucht (was ja auch von den Lebensumständen) abhängt).
Ich für mich selbst, versuche nun die Verhaltensmuster pkto. „Erledigung“ i.a. genau anzuschauen, und zu modifizieren. Das fällt mir schwer, resp. ein bringt die „Krämpfe“ in meinem Leben nicht einfach weg… Es ist sehr schwer aus den VErhaltensmustern, die Gefühlsmuster auslösen (wie Unlust, Verlust allen Selbstvertrauens „dass es geht“, u.v.m)
So tendiere ich auch eine Abklärung zu machen, und abzuklären ob eine Medikamentierung Sinn macht.

Was zu sagen ist, dass ich bin nun kürzlich Rentner gewordenbin, und ich kenne nichts anderes.
Anderseits ist es schade, wenn ich am Morgen voller Ideen bin, und man Nachmittag in einer Low-Energie-State sitze, wo ich kaum fähig bin etwas anzugehen. So habe ich zwar viel Ideen, verwirkliche aber sehr wenig. Es fehlt mir an Konstanz, es ist auch das „zuviel“ „zuviele Baustellen“, und dann eben die Stimmungen, wo man das alles als „sehr schwierig“ empfindet, auch weil es eben viel ist, und man es als „zu viel“ empfindet.
Man erlebt dann halt die täglichen typischen AD(H)S-Struggles (wie ich das nun überall lese und höre, und nun auch Bekannte haben, die von der Symptomatik betroffen sind, und eben die gleichen Probleme haben…).

Ich entdecke hier (und in vielen youtube-Beiträgen) sehr viele Symptomatiken, wo ich nie gedacht hätte*, es könnte irgendwie „nicht ganz der Norm“ entsprechen, nun in der oben verlinkten Symptome-Liste. Gerade diese Art von Unsichheiten, und Ängste, die bei mir ja auch weitgehend die Ursache meiner Blockaden sind.

Man schätzt im übrigen dass 7% der Bevölkerung (auch der Erwachsenen) von AD(H)S betroffen sind, mit den typischen Symptomatiken, die sich halt mehr oder weniger unangenehm aufs Leben auswirken können.
Eine Frau im Forum schrieb, sie wäre gegen 40, hätte eigentlich nie Probleme gehabt, Kinder mit AD(H)S diagnostiziert, sie hätte allerdings das Gefühl sie sei „etwas überfordert“.
Viele Leute mit Burnout werden auf AD(H)S diagnostiziert…
Du musste wirklich KLAR sein, und Dich nicht abwimmeln lassen.

Ich würde mich nun in Ruhe noch auf der Website rumschauen, das wird Dir ein Bild von der Situation machen. Viele erleben ja wohl auch ähnliches wie Du, und möchten eine Diagnose, was anscheinend nicht immer so einfach zu bekommen ist, aber auch, so denke ich, weil selbst die Ärzteschaft, das Problem nicht wahrnimmt.

In dem Sinne wünsche ich Dir viel Kraft, Deinen Weg zu gehen.

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Hallo,

um eine Idee zu bekommen, ob, wie stark und mit welcher Ausprägung du ADHS haben könntest, kannst du den ADHS-Symptomtest auf ADxS.org machen. Es handelt sich um ein Onlinescreening. Eine richtige Diagnostik kann immer nur ein erfahrener Arzt oder Therapeut machen.
Viele User hier im Forum kennen den Test, sodass das Ergebnis hilft, deine Beschreibung besser einzuordnen.

Viele Grüße

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Hallo und herzlich willkommen,

das ist aber genau was bei einer mittelschweren ADHS - bei einer leichten hättest du ja gar keine Hilfe gesucht - angezeigt ist: Medikamentöse Unterstützung allein und Psychotherapie erstmal nicht.

Wie „leicht“ und damit behandlungswürdig die Symptomatik ist, entscheidet sich aber letztlich nicht an irgendwelchen Punktwerten, sondern an deinem Leidensdruck!

Und der ist, wenn ich dich richtig verstehe, doch deutlich höher als die Einschätzung der Psychologin.

Von daher - wichtig für die Psychiaterin ist doch eigentlich nur, dass es eine ADHS ist und dass es für die Symptome nicht eine andere Erklärung gibt.

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Vielen lieben Dank für eure Antworten und teils auch für das Teilen eurer Erfahrungen!

@Päddi

So gesehen ist es richtig, dass es nicht unbedingt die Diagnose braucht - ich kenne meine Probleme ja auch ohne diese. Es ist sicher auch gut möglich, dass man vieles auch ohne externe Hilfe angeht, was ich ja teils auch schon ausprobiere. Dennoch brauche ich ein Stück weit auch einfach die Bestätigung einer Fachperson und möchte testen, inwieweit ich mir durch Medis, Ergotherapie o.ä das Leben etwas einfacher machen kann. Für den Kontext vielleicht noch ganz spannend: Ich bin selber Psychologin, mache gerade meine Weiterbildung zur Psychotherapeutin und kenne mich so gesehen wirklich gut aus zu dem Thema (gerade auch durch den Kontakt zu Patient:innen mit ADHS, durch den es bei mir auch Klick gemacht hat). Vieles was du beschreibst kenne ich auch von mir selber, und ich vermute ebenfalls eine ADS.

Die Reportage mit Hirschhausen kenne ich nicht und werde ich mir auf jeden Fall mal ansehen! Für meinen nächsten Termin nehme ich mir ganz fest vor, die noch nicht genannten, wichtigen Punkte auch wirklich nochmal zu benennen und eigene Beispiele aus meinem Alltag. Dir auch weiterhin alles Gute auf deinem Weg!

@UlBre

Den Test habe ich schon gemacht und 27 Symptome sind erfüllt. Mein Partner hat diesen als Fremdeinschätzungsbogen ausgefüllt und dort wurden Hinweise auf 26 Symptome gefunden. Hast du den Erfahrungen damit, wie Fachpersonen reagieren, wenn man die Ergebnisse dieses Tests mitbringt? Wird das ernst genommen oder eher nicht?

@Falschparker

Ich muss sagen, dass mich (zu einem kleinen Anteil) auch die Neugierde antreibt, aber ich hatte schon immer das Gefühl, mir mehr Mühe geben zu müssen, mehr Energie aufzubringen und mehr Anstrengung aufzubringen als andere - egal ob es um die Schule ging, das Studium, aktuell den Beruf oder alltägliche Dinge wie den Haushalt. Daher würde ich bei mittelschwer eher mitgehen. Danke für deine unterstützenden Worte und den Zuspruch!

Nein, da haben wir bisher keine Erfahrung.
Wir haben aber gerade vor kurzem erst die Auswertung für den Arzt fertiggestellt. Auf dem bitten wir Ärzte ausdrücklich um Feedback.
Zweck ist, dass diese verstehen können, wie das Testergebnis zustande kommt, also welche Fragen auf ein Symptom attribuieren. Da die meisten Ärzte auch viele eigene Fragen nach gesundem Menschenverstand stellen, um das Bestehen einzelner Symptome zu bejahen oder zu verneinen, kann es helfen. Es ist und bleibt aber ein nicht medizinisch validierter Test, auch wenn ihn inzwischen knapp 60.000 Teilnehmer gemacht haben und wir keine Berichte über oder Hinweise auf relevante Fehl"diagnosen" haben. Und er kann und soll allenfalls einen zusätzlichen Einblick für den Arzt ermöglichen, und kein Diagnoseinstrument ersetzen.

Nimm gerne mal die Arztauswertungen von Eigentest und Fremdbewertungstest mit und berichte die Reaktion…

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Ich versuche mal dran zu denken (:sweat_smile:) und nehme die Bögen mit. Mal sehen, wie sie darauf reagiert und ob sie die Bögen irgendwie in ihre Entscheidung einbezieht. Gerne berichte ich dann!

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