Hallo zusammen,
ich befinde mich gerade in der ADHS-Diagnostik und wollte ein bisschen meine Situation teilen und eure Erfahrungen hören.
Aktuell wurden Fragebögen (ADHS-SB, WURS-K) und ein diagnostisches Interview (WRI) in Bezug auf meine jetzige Erwachsenensymptomatik ausgewertet, und daraus hat sich bisher ein Verdacht auf ADHS ergeben, also alle Kriterien waren wohl erfüllt. Diese Woche hatte ich ein weiteres Gespräch, bei dem wir meine Grundschulzeugnisse angeschaut haben.
Hier bin ich etwas unsicher geworden: Meine Zeugnisse waren von Anfang an sehr unauffällig – eher auffällig gut. Schon in der Grundschule habe ich alle Aufgaben sorgfältig und überengagiert erledigt, ein großes Durchhaltevermögen gezeigt und gute Noten gehabt. Einziger Hinweis auf Schwierigkeiten war in der ersten Klasse, dass ich wenig Selbstvertrauen hatte und manchmal auf Anleitung angewiesen war.
Rückblickend weiß ich aber, dass meine Kindheit sehr geprägt war von Strenge, Disziplin und Kontrolle – besonders von meiner Mutter. Hausaufgaben und Schriftbilder wurden genau kontrolliert, tägliches Üben war Pflicht. Ich selbst war sehr still, zurückhaltend und überangepasst in der Schule, aber zu Hause gab es oft Konflikte, teilweise aufgrund meiner Wutausbrüche und Impulsivität. Ich wurde als „zu viel“ oder „provozierend“ wahrgenommen, habe mich aber auch selbst oft als unruhig und schwierig erlebt.
Im Vergleich zu meinen Geschwistern war ich in der Familie weniger angepasst, in der Schule aber sehr stark. Ich habe früh verstanden, dass ich lernen muss, um gute Leistungen zu erbringen, und das hat sich durch meine gesamte Schul- und Studienzeit gezogen: gute Noten, aber mit sehr viel Aufwand.
Jetzt frage ich mich: Ist es überhaupt möglich, trotz solcher unauffälligen Zeugnisse eine ADHS-Diagnose zu bekommen?
Wir wollen noch Fremdbeurteilungen von meinen Geschwistern einholen und einen Intelligenztest durchführen, bevor eine endgültige Diagnose gestellt wird. Ich würde mich sehr über eure Erfahrungen und Gedanken freuen – besonders von Menschen, bei denen ADHS trotz „normaler“ oder guter schulischer Leistungen diagnostiziert wurde.
Vielen Dank schon mal!