ADHS-Diagnose: Selbstbild/Fremdbild, Kommunikation

Hallo liebe Community :slight_smile:

Ich habe seit Ende letzten Jahres eine ADHS-Diagnose. Ich habe immer noch Probleme damit, das in mein Selbstbild zu integrieren. Einerseits finde ich mich sehr darin wieder, vor allem was Ablenkbarkeit, Reizoffenheit, Emotionale Probleme usw. angeht. Ich versuche es mit Elvanse besser in den Griff zu bekommen, aber es klappt nicht besonders gut. Ich ertappe mich vor allem immer noch dabei, mich selbst eher dumm und faul zu fühlen, wenn ich etwas nicht mitbekomme, mich nicht konzentriere oder prokrastiniere.
Auf der einen Seite habe (und hatte ich schon immer) Angst davor, andere Menschen könnten mitbekommen, das etwas mit mir „nicht stimmt“ - weswegen ich mir viele Maskierungs-Strategien angewöhnt habe. Auf der anderen Seite habe ich auch Angst davor, anderen jetzt von meiner Diagnose zu erzählen. Das könnte ja eigentlich dabei helfen, mich selbst als valide Abweichung zu akzeptieren und bei anderen Verständnis für meine Bedürfnisse und Verhaltensweisen hervorzurufen. Aber ich bin unsicher, wie offen ich mit wem sein will/kann und stelle mir vor, dass viele Personen in meinem Umfeld (WG, Familie, Arbeit) mit Unverständnis reagieren könnten. Weil ich es aben an vielen Stellen versuche zu kompensieren/verbergen und ich keine motorische Unruhe und Impulsivität zeige. Unverstädnis im Sinne von „da kenne ich viel schlimmere Fälle“, „kann ich mir bei dir nicht vorstellen“ oder „ich kann mich auch manchmal nicht konzentrieren“ (habe ich z.t. schon so gesagt bekommen). Menschen, die mir sehr nahe stehen, haben mir z.T. aber auch sehr geholfen. Trotzdem zweifle ich selber ja auch hin und wieder - habe ich wirklich ADHS, habe ich diese Diagnose überhaupt „verdient“? „Fake“ ich das vielleicht, weil meine Symptome nicht so heftig sind wie bei anderen? Es ist wie eine Art Impostor-Phänomen in Bezug auf die Diagnose.

Was sind eure Strategien, sofern ihr auch eine frische Diagnose mit nicht ganz so äußerlich sichtbaren Symptomen habt:
Was hilft euch dabei, wirklich dauerhaft eurer ADHS-Diagnose zu vertrauen?
Wie erklärt ihr euer ADHS eurem Umfeld?
Wie geht ihr mit Unverständnis und Zweifeln um?
Wo ist Offenheit sinnvoll, wo eher nicht (Arbeitgeber, Kolleg:innen, größerer Freundes- und Familienkreis)?

Moin @Loumax

Meine Diagnose ist Anfang des Jahres ein Jahr alt geworden :wink:

Dennoch:
Meine Familie weiß zum Teil nichts davon.
Einfach weil Unverständnis, mangelndes vertrauen meinerseits usw…
Freundeskreis sieht es ähnlich aus.
Es muss einfach nicht jeder wissen.

Mein bester Kumpel war anfangs etwas zweifelhaft (kennen uns 20j+).
Jedoch hat er, als ich es entsprechend erklärte, verstanden und unterstützt auch wenn ich Probleme habe.

Auf der Arbeit halte ich aktuell weitestgehend einen Deckel drauf.
Wissen 3 oder 4 Leute, allesamt in höheren Positionen.
Liegt halt daran, dass ich etwas freie Hand bei Arztterminen brauche…

Wie ich das in Zukunft halten werde, versuche ich grade herauszufinden :wink:

Ach ja, Zweifel an der Diagnose und so sind relativ normal und können noch sehr lange Zeit immer wieder auftreten.
Selbst wenn ich denke dass ich es wirklich akzeptiert habe, kommt manchmal eine Phase wo ich wieder alles infrage stelle.
Vorzugsweise wenn es mir nicht allzu gut geht.

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Kann mich da richtig gut in dem wiederfinden was du beschrieben hast. Dieses „Runterdrücken“ und bloß nicht „aus der Reihe tanzen“ ist extrem belastend und macht einen auch sehr einsam. Tut mir Leid dass du eine ähnliche Erfahrung gemacht hast.

Weil das was du beschreibst bei mir aktuell auch ein Thema ist und sich wie ein Knoten gelöst hat, möchte ich dir ein Buch ans Herz legen was an einer anderen Stelle ansetzt:
Set Boundaries, Find Peace von Nedra Glover Tawwab

Es sollte sich auch eine deutsche Fassung finden.

In dem Buch ruht für mich die vielleicht wirkungsvollste Erkenntnis zu den Dingen, die du beschrieben hast. Ich bin nicht einmal halb mit dem Buch durch und muss auch immer wieder Pausen einlegen, aber selbst jetzt merke ich wie es extrem viele Knoten löst. Ich kann es kaum beschreiben wie toll es sich anfühlt das jeden Tag zu üben. Die Menschen reagieren wie sie reagieren und man fühlt sich sicherer, besser.

Eine sehr wichtige Erkenntnis in dem Buch ist zum Beispiel, dass anderen Menschen die eigenen Bedürfnisse (und damit auch die eigenen Grenzen zu kommunizieren), immer etwas Unangenehmes sein wird. Egal wem man diese innere Wahrheit kommuniziert. Aber es fällt mit der Zeit leichter dieses Unbehagen zuzulassen und anzunehmen. Und weisst du was? Das hat mich total verdutzt! Damit nehmen wir uns selbst im Umkehrschluss an! Und wenn das passiert… dann wirst du glaube ich selbst eine richtig gute und klare Antwort auf diese große Frage finden: Wie nehmen mich andere an.

Ich wünsche dir ganz viel Glück und Power dabei!

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Danke euch für die Antworten!
Es ist wohl einfach ein langer Prozess, davon lese und höre ich nun immer öfter. Mir hilft es auf jeden Fall, mir immer wieder die Unterschiedlichkeit der Symptome, Ausprägungen und Typen von ADHS vor Augen zu führen. Ich wurde jetzt auch zu verschiedenen Formen der Aufmkersamkeit getestet - da noch mal diese objektiv messbaren Werte zu sehen, ist für mich auch ein wichtiger Schritt in Richtung Akzeptanz.

Toll, diese Autorin habe ich schon länger auf dem Schirm, aber das Buch noch nicht gelesen! Dein Tipp ist jetzt wohl ein guter Anlass :slight_smile: