ADHS Diagnose unter Antidepressiva möglich?

Hallo!

Kurz zu mir:

  • weiblich, 34 Jahre
  • bis zur 7. Klasse sehr gute unauffällige Einser-Zweier-Schülerin
  • ab da eine Achterbahnfahrt der Zensuren, was mich nicht interessierte oder forderte wurde ignoriert, die Mitschüler am Gymnasium waren mir zu langweilig
  • zeitgleich, mit etwa 14 Jahren, Beginn von Alkohol- und Cannabis-Missbrauch für mehrere Jahre
  • ab etwa 20 Missbrauch chemischer Drogen
  • ab 22 zunächst Citalopram, dann aufgrund von Schwangerschaft Sertralin
  • von 26-30 „nüchtern“ bis auf Zigaretten und gelegentlicher Alkohol, allerdings gerne Vollrausch
  • seit 30, nach zweiter Schwangerschaft, wieder Sertralin
  • 2jährige Psychotherapie hinter mir

So… nach Therapie und Antidepressiva stelle ich aktuell fest, dass es einfach nicht besser wird. Plötzliche übertriebene Wutausbrüche, insbesondere den Kindern gegenüber, Stimmungsschwankungen, Überreiztheit, keinerlei Tagesstruktur, null Disziplin… Seit zwei Monaten trinke ich überhaupt keinen Alkohol mehr und stelle fest, dass es jetzt sogar wieder schlimmer geworden ist und frage mich, ob der Alkohol mich einfach „gut beruhigt“ hat.

Ich nehme immer noch Sertralin und könnte einen Selbstzahler-Termin für eine ADHS Diagnostik bekommen. Nun mal zu meinen Fragen, da der Termin echt teuer ist.

  1. Ist eine Diagnostik unter Antidepressiva überhaupt möglich? Fragen zur Antriebslosigkeit z. B. würde ich ohne Sertralin wahrscheinlich ganz anders beantworten.

  2. Ich kann wenig über meine Kindheit berichten, die Zeugnisse lassen überhaupt nicht auf ADHS schließen, zu meiner Mutter habe ich keinen Kontakt. Ich habe Angst vor einer Fehldiagnose, nur weil meine Kindheit unauffällig war.

  3. Der Termin dauert 90 Minuten, Fragebögen werden vorab ausgefüllt. Nach 90 Minuten würde ich eine Diagnose und Handlungsempfehlung bekommen. Klingt das seriös? Ein kassenärztlicher Termin ist frühestens im September 2024 zu bekommen. So lange will ich einfach nicht warten.

  4. Der Symptomtest auf dieser Homepage ergab 26 von 43 möglichen Symptomen. Bei der Auswertungen nach DSM5, ICD10 und ASRS bleibe ich eher unter dem Radar.

Jetzt ist es doch etwas lang geworden. Ich hoffe Ihr könnt mir ein wenig helfen.

Lieben Gruß

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Meine Diagnose wurde unter voller Antidepressiva-Medikation gemacht. Und so, wie ich das damals verstanden habe, war das sogar wichtig, weil dadurch die Symptome, die auf ADHS hinweisen, deutlicher erkennbar waren, eben weil die Depression in Schach gehalten wurde…

Wenn ich das richtig verstehe, dann wäre für dich eine Fehldiagnose eine Nicht-ADHS-Diagnose. Es ist tatsächlich denkbar, dass deine aktuellen Probleme noch immer von der Depression kommen und du vielleicht da nochmal über neue Wege nachdenken musst.

Versteh mich nicht falsch, ich will dir das nicht ausreden. Du solltest dich nur nicht darauf versteifen, ADHS zu haben. Am Ende hilft dir das ja nicht weiter, wenn es dann doch was anderes ist.

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Hi,

Du sollst die Fragen so beantworten wie du ohne jegliche Medikamente bist.

s.o. Hast du es bei dem Test so gemacht?

Ich habe bei mir z.B. die Diagnose lange angezweifelt und manche Fragen falsch beantwortet, weil ich davon überzeugt war, dass manches nicht zutrifft. Hast du jemanden, der dir eine Einschätzung von außen geben kann?

Hallo und :heart: Willkommen liebe @searchi , Depressionen und Adhs schliessen sich ja nicht aus, ganz im Gegenteil, sehr oft wird Adhs ja erst über eine Depression entdeckt.
Ich selbst musste erst fast fünfzig Jahre alt werden und einen Burnout erleiden, ging praktisch auf dem Zahnfleisch als ich meine Diagnose bekam.
Von daher sehe ich keinen Grund warum es nicht möglich sein sollte trotz Depressionen oder AD eine Adhs Diagnose zu bekommen.
Wichtig dabei wäre aber das die Diagnose jemand macht wo Kenntnis und Erfahrung mit Adhs Patienten hat.

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ADHS ist zurzeit die „Erklärung“, an die ich mich klammere, ja. Ich könnte auch damit leben, wenn ich kein ADHS habe, dann hätte ich aber lieber keine 300 € dafür ausgegeben und würde weiter an mir arbeiten und suchen. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich seit 20 Jahren nicht voran komme, ich WILL, aber es klappt nicht, so viele Erklärungen und Verstehen meines Verhaltens bringen keine Änderung. Die Diagnose Depression und darauf Antidepressiva und Therapie waren endlich ein Hoffnungsschimmer und nun merke ich „Nee, das war es noch nicht“. Je mehr ich über ADHS bei Frauen lese und höre, desto mehr finde ich mich wieder, nur eben in der Kindheit nicht.

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@searchi wieso muss du für die Diagnose 300€ ausgeben? Willst du die privat machen lassen?

Das wäre eine Privatpraxis, ja. Kassenärztlich ist zurzeit absolut kein Termin zu bekommen. Das einzige was mir überhaupt angeboten wurde war September 2024.

Liebe @searchi warum findest Du Dich denn in der Kindheit nicht?, weil Du ein braves Mädchen warst?, unauffällig in der Schule, ehr ruhig, verträumt und still?, oft in Deiner eigenen Welt?, fantasievoll und gerne alleine gespielt hast?.

Ich war so ein Mädchen, ich war extrem schüchtern, meist verstand man mich kaum weil ich fast flüsterte und man mir immer wieder sagen musste ich sollte laut reden damit man mich versteht.

Ich kann deine Zweifel und Fragen gut nachvollziehen. Selbst nach der offiziellen Diagnose habe ich Sorge, dass ich mich da einfach reinsteigere.

Für mich war allerdings eine Schlüsselsituation, die alle anderen, wirklich deutlichen Hinweise stark untermauert hat, die Wirkung, die ein illegales Amphetamin, das ich mit ca. 20 genommen habe, eine völlig andere Wirkung bei mir hatte, als bei den anderen Menschen. Alle anderen wurden hellwach, euphorisch und sind feiern gegangen und in meinem Kopf wurde es zum ersten Mal in meinem Leben ruhiger und ich fühlte mich klar, fokussiert und wollte lieber mit mir alleine diese Ruhe genießen. Außerdem wirkten Antidepressiva bei mir nie und Beruhigsmittel wie Tavor haben auch keine Wirkung entfaltet, was mir die Ärzte nicht glaubt haben.

Ich fühle mich durch diese äußeren Faktoren am ehesten bestätigt, dass das neurologisch bei mir deutlich ADHS spezifisch ist.
Genauso, dass ich seit meinem 12. Lebensjahr Kaffee trinke, auch spät in der Nacht und danach sofort einschlafe, dass ich ebenso lange rauche und das Gefühl habe, wesentlich abhängiger zu sein, als andere Raucher. Mit Alkohol und Cannabis hatte ich auch solche Phasen wie du.

Die Diagnose ist nach meinem Gefühl wirklich schwierig und nicht nach der offiziellen Testung erledigt. Hier fehlt mir leider nach wie vor ein erreichbarer Ansprechpartner, jemand mit wirklicher Expertise, der sich meiner Fragen und Zweifel annimmt. Meine bisherige Psychiaterin hat wenig Kapazitäten und nach meinem Gefühl auch nicht die nötige Herangehensweise und vermutlich würde genau hier eher eine Psychotherapie greifen, für die es aber auf lange Sicht keine freien Plätze gibt.

Daher sauge ich alles auf, was ich hier bei adxs.org und im Forum finden kann, profitiere sehr von der Offenheit der anderen Menschen hier und versuche meine eigene Geschichte unter ADHS Gesichtspunkten noch einmal aufzurollen. Ich habe inzwischen alle gängigen Fach- und Sachbücher um mich verteilt und lerne mehr und mehr, dass ADHS so viele Gesichter hat, wie die Menschen selbst.

Ich bin 47 und wurde mein Leben lang auf Depressionen und Ängste behandelt, immer ohne Erfolg. Jetzt ergibt alles irgendwie Sinn mit dem ADHS, aber ich habe so viele Fragen,

Sorry, viel zu langer Text.

Wenn du dich in die Diagnostik begibst würde ich dir empfehlen, jemanden zu suchen, der sich deiner auch annimmt und deine Fragen, die sich nach und nach ergeben, wirklich beantworten kann. Es gibt Fachärzte, die bestehen auf die Zeugnisse und die eindeutige Interpretation (was m. E. nicht richtig sein kann, weil es Kinder gibt, bei denen es wirklich nicht auffällt, oder Lehrer sehr wohlwollend Verhaltensweisen im Zeugnis weglassen usw.)

Ich wünsch dir, dass du den für dich richtigen Weg findest, um Klarheit zu bekommen. Soweit ich weiß, wurden im Laufe der Zeit die Altersangaben auch „korrigiert“, so dass bei Diagnostik von Erwachsenen bei irgendwelchen Tests 12 angegeben wurde, ab wann die Symptome vorhanden gewesen sein müssen, aber das ist jetzt wieder gefährliches Halbwissen.

Liebe Grüße

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Anscheinend gibt es, was das vorliegen anderer psychischer Erkrankungen betrifft, unterschiedliche Aussagen über die Testung.
Die Uni Tübingen weist bei ihrer ADHS Testung darauf hin, daß bei Vorliegen von z. B. Depression nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden kann.

https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/einrichtungen/kliniken/psychiatrie-und-psychotherapie/allgemeine-psychiatrie/ambulante-behandlung/adhs-ads-bei-erwachsenen

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@Fussi also meine Psychiaterin hatte zuerst auch nur einen Verdacht auf Adhs bei mir, überwies mich dann aber an eine Adhs Spezialistin (Fach Psychologin) die mich testete und sehr lange und ausführliche Gespräche mit mir führte, um wirklich alles über meinen Lebensweg (von Kindheit an bis zu meinem Burnout mit fast fünfzig) zu erfahren.
Basierend darauf konnte sie dann eine eindeutige Diagnose erstellen, da meine Test Ergebnisse und mein Lebenslauf eben ziemlich eindeutig waren.

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Für mich klingt das so, als ginge es um Depressionen, die im Rahmen der Testung festgestellt werden… also, wenn es nicht eindeutig ist, was jetzt was verursacht… und bei einem Verdacht heißt es doch nur, dass weiter Klärungen folgen müssen… eigentlich nur gut für den Patienten…

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Ich kann mich Seven anschließen.

Ein Verdacht ist eben das, ein Verdacht. Es heißt nicht, es ist ausgeschlossen worden, sondern dass lediglich erstmal geschaut werden muss, ob sich der Verdacht erhärtet oder nicht.
Es scheint daher also so, dass dein größtes Problem die Depression zu sein scheint, die möglicherweise ein vorliegendes ADHS überdeckt. Das heist halt auch, es müssen nun mehrere Testungen erfolgen um weiter zu schauen.

Eigentlich was Gutes.

Ja, ich kann natürlich nachvollziehen, wenn man das lediglich als Verdacht bekommt, dass es niederschmetternd ist, weil man auf mehr gehofft hat.
Aber gib nicht auf! Du wirst schon rausfinden, was los ist. Wenn die Privatpraxis hilft, ist es das Geld wert. Wenn die sagen, es ist was anderes, ist es das Geld ebenso wert, weil du dann langsam sachen ausschließen kannst und so trotzdem eventuell dem Kern des Problems näher kommst.

Weiterer Tipp.
Nimm alles was du kriegen kannst
September 2024 klingt lange, aber mach es! Falls nichts bei der Privatpraxis raus kommt.
Und es wäre jetzt nur noch knapp ein Jahr. Du würdest dich wundern, wie lange Freunde von mir auf ihre ADHS und/oder ASS Diagnose gewartet haben. Da ist 14 Monate kaum was gegen.

Noch was, weil du weiblich bist.
„Late onset ADHD in girls“ → viele Mädchen entwickeln erst ein ADHS oft in der frühen Teeniezeit, während sie zumeist davor unaufällig waren. (Oft Grundschule nichts, Sekundarstufe oft alles anders.)

Hier findest du Hinweise darauf mit den verlinkten Studien dazu.

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@AbrissBirne

habe selbst keine Erfahrung mit der Uni Tübingen. Da die das aber so explizit erwähnen ( hab ich bei anderen Ambanzen noch nie so gelesen), scheint das Thema zunimdest interessant.

@ Seven

ich hab es so verstanden, dass, wenn eine Erkrankung wie Depressionen bereits vorliegen, bzw. gerade eine depressive Episode stattfindet, die Testungen nicht eindeutig sein könnten.
Was für mich auch Sinn ergibt.
Zumindest weissen sie darauf hin, muss ja irgendeinen Grund haben.
Mehr weiss ich da aber auch nicht, bin irgendwann mal zufällig drüber gestolpert.

Nein, auch die Beschreibung des verträumten Mädchens passt nicht zu mir. Ich war ein „ganz normales“ Kind. Daher auch meine Zweifel.

Ich denke ich werde zunächst mit meinem Hausarzt sprechen. Bisher habe ich mich davor gedrückt, da ich wechseln musste und nun alles von vorne erzählen muss. Zudem scheint er erstmal nicht der einfühlsamste, daher kann ich nicht einschätzen wie er zu psychischer Gesundheit steht. Und ich werde mich noch mehr einlesen und erstmal weiter versuchen einen Kassentermin zu bekommen, anscheinend mit mehr Wartezeit, aber was soll’s. Bis dahin können weitere Testungen und Untersuchungen stattfinden.

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Hallo @searchi und herzlich willkommen :slight_smile:

Hier gibt es auch die Möglichkeit, dir Adressen von passenden Psychiatern/Ambulanzen/Psychologen in deiner Nähe schicken zu lassen! Vielleicht kommst du ja so früher an einen Termin, den du nicht selbst zahlen musst:

Die Probleme, die du seit der 7. Klasse hast - ziehen die sich denn bis heute durch? Also sind dauerhaft da, nicht phasenweise?

LG!

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Aus eigener Erfahrung die Depression maskiert die ADHS Symptomatik und verfälscht das Ergebnis so gab es bei mir Depressionen und der Rest wurde mit Persönlichkeitstörung abgetan. 10 Jahre ging das so. Meine derzeitige Freundin brachte mich dazu aufgrund Ihrer Erfahrung und Symptomatik mal auf Vitamin D testen zu lassen. War sehr niedrig trotz vorheriger Supplementation. Mit der Erkenntnis was als Kind festgestellt wurde und dem Botenstoff Abbau und der dadurch schwankenden Hormon Haushaltes war es logisch den Speicher aufzufüllen. Damit gelang es mir die Depression, Anspannung, Ängste in den Hintergrund zu schieben. Dadurch war es nun möglich die Diagnostiken erneut zu machen, wie als Kind wurde ADHS bestätigt als auch Tendenz zu ASS. Alles andere an Antidepressiva, Neuroleptika und Narkotika hat mir nicht geholfen.
Aufgrund heftiger Nebenwirkungen recht schnell abgesetzt. Solche Nebenwirkungen hatte ich vorher weder mit Tilidin, Diazepam, und jetzt Ritalin nicht.
Cannabis mal probiert vor Jahren, ne der Trip war alles andere als geil. Alkohol trinke ich nicht, und rauche nicht.