Noch so als internationaler Input, vielleicht hilft es ja mal jemandem:
In der Schweiz sind Arzt-Rezepte (ausser BtM-Rezepte) total „unstandardisiert“ und jeder Arzt hat da seinen eigenen Rezeptblock bzw. allenfalls auch sein eigenes Rezeptformat (mein Psychiater hat z.B. gar keine Rezeptblöcke, sondern schreibt/druckt Rezepte einfach als A4 auf seinem Briefpapier und unterschreibt das dann). Ein standardisiertes „aut idem“-Kreuz gibt es bei uns daher auch nicht (auch nicht auf dem standardisierten BtM-Rezeptblock).
„sic“-Rezepte
Der Arzt kann ein Rezept mit dem Begriff „sic“ (lateinisch: „so“) versehen, dann darf die Apotheke kein anderes Produkt (z.B. ein Generikum) abgeben.
Wir haben hier auch keine „Medikamenten-Budgets des Arztes“, das heisst ein Arzt kann grundsätzlich erst mal ohne Kosten-Berücksichtigung das Medikament verschreiben, was dem Patienten am Besten hilft. Die Leute sind ja medizinisch nicht „weniger behandlungsbedürftig“, nur weil ein Arzt sein Budget ausgeschöpft hat.
Spezialitätenliste
Die kassenpflichtigen Medikamente sind jedoch alle auf der sogenannten (staatlichen) „Spezialitätenliste“ aufgeführt, d.h. die Krankenkasse muss aus der Grundversicherung (nur) diejenigen Medikamente bezahlen, welche auf dieser Liste aufgeführt sind. Jedoch sind praktisch alle ADHS-Medikamente (ausser RItalin LA als 10mg – die Ausführungen in 20/30/40mg sind dann komischerweise wieder auf der Liste) auf dieser „Spezialitätenliste“ aufgeführt.
Medikamente, die gar nicht auf der „Spezialitätenliste“ aufgeführt sind, müssen von der Krankenkasse nicht automatisch bezahlt werden. Es gibt jedoch die Möglichkeit, mit einer detaillierten Begründung (und allenfalls unter Beizug von Vertrauensärzten/Gutachtern/Juristen) trotzdem eine Einzelfall-Kostengutsprache zu erhalten (falls sonst überhaupt nichts wirkt).
Die Krankenkasse muss (gemäss Art. 71b Verordnung über die Krankenversicherung KVV) ein Medikament, das nicht auf der Spezialitätenliste aufgeführt ist, trotzdem bezahlen, wenn „vom Einsatz des Arzneimittels ein grosser therapeutischer Nutzen gegen eine Krankheit erwartet wird, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, und wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame und zugelassene Behandlungsmethode verfügbar ist.“
Limitationen auf der Spezialitätenliste
Gewisse Medikamente auf der „Spezialitätenliste“ sind dann jedoch noch einer „Limitation“ unterstellt. Die Limitation ist ein (Frei-)Text, der gewisse Einschränkungen vorgibt. Je nach Medikament kann dort z.B. stehen:
- Nur falls ADHS bereits im Kindesalter bestand.
- Nur gegen Narkolepsie
- Nur bei Nicht-Ansprechen oder Unverträglichkeit von Methylphenidat
- Nur wenn von einem Facharzt für Psychiatrie oder für Kinder-/Jugendpsychiatrie verordnet
- usw. (auch Kombinationen sind möglich)
Wenn ein Medikament ausserhalb der Limitation verschrieben wird, muss es von der Krankenkasse nicht automatisch bezahlt werden. Es gibt jedoch die Möglichkeit, mit einer detaillierten Begründung (und allenfalls unter Beizug von Vertrauensärzten/Gutachtern/Juristen) trotzdem eine Einzelfall-Kostengutsprache zu erhalten (falls sonst überhaupt nichts wirkt).
Die Krankenkasse muss (gemäss Art. 71a Verordnung über die Krankenversicherung KVV) ein Medikament, das nicht auf der Spezialitätenliste aufgeführt ist, trotzdem bezahlen, wenn „vom Einsatz des Arzneimittels ein grosser therapeutischer Nutzen gegen eine Krankheit erwartet wird, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, und wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame und zugelassene Behandlungsmethode verfügbar ist.“
Erhöhter Selbstbehalt bei Verfügbarkeit von Generika
Auf der „Spezialitätenliste“ sind gewisse Medikamente auch mit „erhöhtem Selbstbehalt“ markiert; in diesem Fall muss der Patient (statt der üblichen 10%) bei dem Medikament 20% Selbstbehalt selber bezahlen (Summe aller Selbstbehalte ist pro Jahr – über alle Behandlungen/Krankheiten/usw. gesehen – auf 700 CHF beschränkt). Der erhöhte Selbstbehalt wird meines Wissens nur auf Original-Medikamente (Nicht-Generika) erhoben, wenn ein (viel) günstigeres Generikum verfügbar ist.
„sic, aus medizinischen Gründen“-Rezepte
Bei einer „sic“-Verordnung (bei der die Apotheke kein anderes Medikament/Generikum als genau das verordnete abgeben darf) ist die Krankenkasse jedoch berechtigt, den erhöhten Selbstbehalt zu erheben ausser der Arzt schreibt explizit „sic – aus medizinischen Gründen“ auf das Rezept.
Dann darf die Krankenkassenämlich keinen höheren Selbstbehalt erheben – sie kann höchstens das „aus medizinische Gründen“ in Frage stellen und entsprechend eine detaillierte medizinische Begründung (warum eben kein Generikum verschrieben werden kann) verlangen.
Als Begründung dürfte meines Erachtens ein „Generikum wurde vom Patienten ausprobiert und hat nicht genügend gewirkt“ reichen. Notfalls könnte man es natürlich auch noch detailliert mit „unterschiedliche Galenik“ und allenfalls Verweis auf medizinische Fachpublikationen in denen die leicht unterschiedlichen Freisetzungs-Kurven zwischen Original und Generikum dargestellt sind begründen; wobei die meisten Krankenkassen sich wohl mit „Generikum funktioniert nicht“ zufrieden geben dürften.
Indikation und „Off-Label“-Verschreibungen
Des Weiteren gibt es für jedes Medikament eine Zulassung für eine bestimmte „Indikation“ (wird juristisch auch „innerhalb der vom Institut genehmigten Fachinformation“ genannt). Die „Indikation“ hat nichts (bzw. zumindest nur sehr indirekt) mit der Kostenfrage/Vergütungsfrage zu tun, sondern gibt primär an, bei welchen Krankheiten (und allenfalls unter welchen Bedingungen) der Hersteller gegenüber der Arzneimittelbehörde (aka Arzneimittel-Institut aka Swissmedic) genügend nachgewiesen hat (mit Studien), dass das Medikament bei dieser Krankheit etwas nützt.
Die Indikationen können (je nachdem, mit welchen Studien der Hersteller das Medikament ursprünglich „angemeldet“ hat) dabei sehr detailliert sein, z.B.
- ADHS bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren
- ADHS bei Erwachsenen zwischen 16 bis 65 Jahren
- Narkolepsie
- usw. (auch Kombinationen möglich)
Ein Problem bei den Indikationen ist, dass ein Hersteller häufig keine oder nur wenig „Motivation“/Veranlassung hat, die Indikation später zu erweitern. Denn die Erweiterung muss natürlich auch wieder mit Studien belegt werden.
Ein Arzt darf grundsätzlich ein Medikament auch „Off-Label“ (also ausserhalb der Indikation) verschreiben. Die Krankenkasse muss dies jedoch nicht automatisch bezahlen. Es gibt jedoch die Möglichkeit, mit einer detaillierten Begründung (und allenfalls unter Beizug von Vertrauensärzten/Gutachtern/Juristen) trotzdem eine Einzelfall-Kostengutsprache zu erhalten (falls sonst überhaupt nichts wirkt).
Die Krankenkasse muss (gemäss Art. 71a Verordnung über die Krankenversicherung KVV) ein Medikament, das „Off-Label“ (aka „ausserhalb der Indikation“ aka „ausserhalb der vom Institut genehmigten Fachinformation“) aufgeführt ist, trotzdem bezahlen, wenn „vom Einsatz des Arzneimittels ein grosser therapeutischer Nutzen gegen eine Krankheit erwartet wird, die für die versicherte Person tödlich verlaufen oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, und wegen fehlender therapeutischer Alternativen keine andere wirksame und zugelassene Behandlungsmethode verfügbar ist.“
Zusatzversicherungen
Neben der „Grundversicherung“, die von verschiedenen Versicherungen – mit überall gleichen (staatlich festgelegten) Leistungen – angeboten wird (und die niemanden wegen Vorerkrankungen ablehnen darf), gibt es auch noch Zusatzversicherungen, welche (je nach Versicherungsvertrag) gewisse Medikamenten-Kosten übernehmen, welche von der Grundversicherung nicht gedeckt sind. Leider haben die Versicherungen hier Wahlfreiheit und können (bekannte) Vorerkrankungen ausschliessen. Glück hat man dann, wenn die Zusatzversicherung (allenfalls noch von den Eltern) abgeschlossen wurde, bevor eine Vorerkrankung (z.B. das ADHS) erstmals diagnostiziert wurde. Nur künden darf man die dann halt einfach nie, da man „einmal draussen“ nicht wieder (zumindest nicht ohne Vorerkrankungs-Ausschluss) rein kommt. Die Versicherungen selber haben im Übrigen bei Zusatzversicherungen üblicherweise kein Kündigungsrecht.
Z.B. habe ich eine Zusatzversicherung, welche 90% an die Nicht-Grundversicherungs-gedeckten Medikamente bezahlt. Dadurch habe ich glücklicherweise auch relativ wenig Probleme mit Nicht-Spezialitätenlisten/Ausserhalb-der-Limitation/Off-Label Verschreibungen (die bei mir auch nur sehr selten vorkommen, meistens bei Medikamenten-Wechsel oder initialer Dosisfindung), denn die Zusatzversicherung zahlt ja sowieso 90%, ein Einzelfall-Antrag „lohnt“ sich für mich also (schon wegen dem ganzen Papierkram-Aufwand) gar nicht – und der Unterschied wären sowieso nur, dass ich dann die restlichen 10% nicht selber zahlen müsste. Und ADHS-Medikamente sind ja jetzt nicht so teuer (im Vergleich zu irgendwelchen Krebs- oder Autoimmunerkrankungs-Medikamenten).