ich habe eine Frage an alle, die studieren oder studiert haben. Welche Schwierigkeiten haben sich bei euch durch ADHS im Studium ergeben und braucht ihr auch deutlich länger?
Habt ihr einen Nachteilsausgleich erhalten und falls ja wie hat sich dieser auf die Regelstudienzeit ausgewirkt?
Soweit ich mich informiert habe, kann man Nachteilsausgleich nur beantragen, wenn man medikamentös nicht behandelt wird.
Zeiteinteilung im Studium hat eine sehr große Rolle gespielt - damit hatte ich zu kämpfen. Ich beschloss, eine Therapie diesbezüglich anzufangen und es bringt erste Erfolge mit sich.
Woher hast du die Info, dass man nur ohne Medis einen Nachteilsausgleich bekommt? Meine Uni hat nichtmal danach gefragt, um welche Beeinträchtigung es geht, geschweige denn nach Medikamenten
Meine Psychiaterin sollte nur möglichst genau beschreiben welche Beschwerden sich durch meine Beeinträchtigung im Studium ergeben.
Nur weil man Medis nimmt, ist ADHS nicht weg. Jede Medikation ist schlicht eine Annäherung an eine „normalere“ Hirnchemie…
Nur eine Krücke. Sie unterstützen. Nicht mehr, nicht weniger.
Wenn dem so wäre dürften Studenten mit Hörgeräten keine zusätzliche Hörtechnik benutzen, weil die haben ja Hörgeräte. Und einen Nachteilsausgleich gibt es nur, wenn hörbehinderte Studenten keine Hörhilfen tragen würden. Ich glaube, man erkennt die Unsinnigkeit dessen, oder?
Erklär mir einer mal, wer sich sowas ausdenkt?
Ansonsten. Es gibt keine allgemeingültigen Regeln. Jede Uni/(Fach)Hochschule definiert die Nachteilsausgleiche durchaus anders.
Anders ist es, wenn es um Nachteilsausgleiche geht, die von Außen kommen.
Zb. wenn Blinde eine Begleitung brauchen, damit sie sicher übers Gelände kommen, oder wenn ein Student im E-Rolli eine Assistenz braucht. Oder wenn Gehörlose einen Dolmetscher brauchen.
Diese Leistungen können über den jeweiligen Landesverband beantragt werden.
An dieser Stelle würde ich mich an die zuständige Stelle wenden für behinderte/eingeschränkte Studierende. Die wissen mehr, was auf dem Campus läuft und wie das Antragsverfahren für Ausgleiche von außen funktioniert.
Tatsächlich habe ich extreme Probleme mit dem Zeitmanagement und Selbstorganisation bzw Priorisierung
Prokrastination ist an der Tagesordnung. Das hat bei mir auch schon zu einer Art „kurz vor Depression“ geführt.
Einen Großteil der Vorlesungen kann ich mir eigentlich ohne Medis komplett schenken. Bleibt sowieso nichts hängen aber Hauptsache ich höre wie jemand in der letzten Reihe mit irgendwas rum raschelt…-
Ich neige zu dem noch dazu mich konstant zu übernehmen (was wohl auch am mangelnden Zeitmanagement liegt).
Abgabefristen werden komplett ausgereizt… die letzte Hausarbeit hatte ich eine Stunde vor Abgabe fertig obwohl ich 3 Monate dafür Zeit hatte (das ist bei mir mit unter ein Beispiel dafür, dass Hyperfokus nicht immer nützlich ist).
Und natürlich diese allgemeine „Unordnung“ im Kopf und die mangelnde Konzentrationsfähigkeit bzw fehlender Fokus auf das wesentliche. Beispiel: Ich lese etwas und da taucht ein interessanter Begriff auf den ich aber nicht kenn. Also Google… 3h später weiss ich dann alles was es zu diesem Begriff zu wissen gibt. Die Krux ist, dass der Begriff für das was ich eigentlich gelesen habe kaum eine Rolle spielt im besten Fall wird er einfach fünf Sätze weiter erklärt… aber Hauptsache ich hab das gegoogelt anstatt einfach mal weiter zu lesen. - In Klausuren komplett unkonzentriert sodass viele Leichtsinnsfehler entstehen oder Dinge überlesen werden…sowas ist in meinem Studium fatal.
Man macht nicht das was sinnvoll wäre, sondern das was weniger unangenehm ist. Auch das hat mir schon mehrfach das Genick in Klausuren gebrochen.
Die Corona Semester waren komplett für die Katz. Da ging überhaupt nichts. Kein geregelter Tagesablauf mehr. Keine Kommilitonen mehr mit denen man sich gegenseitig motiviert (dass jemand daneben sitzt mit dem man zusammen lernt wird von ADHS-Coaches als hilfreich bezeichnet).
Durch Corona und die Möglichkeit legal zu prokrastinieren hab ich letztlich auch den Biss verloren.
Durch Rückschläge natürlich auch langfristig die Motivation und das Interesse.
Ja doch schon. Kommt immer drauf an was mir Spaß macht. Ich habe teilweise 3 Semester länger für etwas gebraucht für das ein Semester vorgesehen ist. Da gab es dann auch Ärger mit dem BAföG-Amt wegen Leistungsnachweis ab dem 5. Semester.
Ob ich insgesamt länger brauche hängt davon ab wie man rechnet. Nach prä-coronaler-Zeitrechnung bin ich jetzt am Ende der Regelstudienzeit angelangt. Mir fehlen noch zwei Übungen, Schwerpunkt und natürlich die Vorbereitungszeit für die Abschlussprüfung.
Nach post-coronaler-Zeitrechnung bin ich jetzt einfach auf dem Stand des 7. Semesters und komme nach diesem Semester wieder in die Spur, sodass ich nach dieser Rechnung in Regelstudienzeit bin. Ich rechne es mir einfach schön.
Das ist immer sehr schwer einzuschätzen, weil es eine Einzelfallentscheidung ist. Jemand mit LRS bekommt beispielsweise eine Schreibzeitverlängerung. Ob das bei jemandem mit ADxS hilft wage ich aber zu bezweifeln. Ebenso, wenn man dann in einem separaten Raum beim Dekanat schreibt statt mit den anderen. Mir würde es auf jeden Fall nicht helfen. Dass sich eine Einschränkung allgemein auf die Regelstudienzeit auswirkt habe ich ehrlicherweise noch nie gehört. Man kann sich ja krank melden oder ein Urlaubssemester nehmen. Das ist aber von Hochschule zu Hochschule und auch von Bundesland zu Bundesland unter Umständen sehr unterschiedlich.
Ich selbst habe keinen Nachteilsausgleich. Bin aber auch noch nicht so lange diagnostiziert. Ich werde mich da ehrlich gesagt auch nicht drum bemühen.
Und wie nimmst Du die Schwierigkeiten im Studium so wahr? Was macht Dir da am meisten zu schaffen?
ich fand mein Bachelor furchtbar langweilig und habe dafür insgesamt 10 Jahre gebraucht. Ins Nachhinein glaube ich aber, dass ich grundsätzlich was falsch studiert habe, und das Studium eben extremst langweilig fand. Zwischendurch hatte ich 2 verschiedene Berufe ausprobiert, hatte eine Depression und habe im letztmöglichen Semester es noch abgeschlossen.
Als meine Symptome etwa 3 Jahre nach der Immatrikulation schlimm wurden, habe ich angefangen bei den Ärzten nach Erklärungen zu suchen und 2 mal hintereinander Freisemester genommen. Das war relativ einfach, ein einfaches Attest vom Arzt reicht dazu völlig aus. Bis ich mich dazu entschlossen habe, habe ich meine Höchstanzahl von Semestern nahezu ausgereizt - solltest du dich in einer ähnlichen Situation befinden, achte darauf, dass du nicht so wie ich leere Semester absitzt, sondern nehme gleich ein Freisemester.
Es kamen aber immer mehr Freisemester dazu, Atteste mussten ausführlicher sein. Da war ich glücklicherweise schon in der Therapie wegen der Depression und hatte den größten Stress, weil das Studierendensekretariat sicher gehen wollte, dass ich (1) bereits genug ECTS-Punkte gesammelt habe, um in den restlichen 2 Semestern das Studium überhaupt abschließen zu können und (2) meine Krankheit auch tatsächlich in der Zeit zumindest so weit heilbar ist, dass die Fortsetzung des Studiums möglich ist.
Am Ende konnte ich auch 2x erfolgreich Härtefallantrag stellen, um die Höchstdauer des Studiums zu verlängern. Da hatte ich auch sehr viel „Glück“, dass es während der COVID-Pandemie ziemlich einfach war. (Währenddessen war ich schon in meinem 3. Job - du merkst, mein Fach war einfach unerträglich langweilig für mein ADHS xD).
Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort!
Meine Psychiaterin kann tatsächlich eine Empfehlung abgeben, wie viel % der Gesamtstudiendauer ich aufgrund von meinen Einschränkungen länger benötige. Wenn sie also 20% angibt, dann habe ich gut 1 Semester länger Zeit. Wenn die Regelstudienzeit 6 Semester beträgt, dann könnte ich also 7 brauchen, ohne offiziell die Regelstudienzeit überschritten zu haben. Zumindest habe ich das so verstanden.
Bei mir ist das ähnlich wie bei dir:
-Die Prokastination ist am allerschlimmsten
-Zeitmanagement ebenfalls und wenn ich mir mal einen Lernplan erstelle dann halte ich den nie ein
-einigermaßen in der Regelstudienzeit schaffe ich es nur bei sehr spannenden Modulen
Ich merke aber, dass sich mein Arbeitsgedächtnis unter dem Einfluss von Elvanse deutlich gebessert hat. Wenn ich mich denn mal zum lernen aufraffe, kann ich mir in kürzerer Zeit viel mehr merken als ohne Elvanse.
Vor Elvanse bin ich im Schneckentempo vorangekommen und hatte einen 2er Schnitt. Eigentlich bin ich im 4. Semester und sollte schon 18 Module bearbeitet haben. Ich habe aber erst 6 abgeschlossen.
Mit Elvanse komme ich etwas schneller voran und habe sogar eine 1,0 zurückbekommen. War aber auch ein extrem spannendes Modul.