Hallo verzweifelt123,
ich kann vieles, was du schreibst, so gut nachempfinden.
Meine ADS Diagnose habe ich erst vor ca. drei Jahren bekommen. Ich bin Ende 20. Hinter mir liegen zwei abgebrochene Studiengänge und eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, die als Notlösung weit abseits meiner eigentlichen Stärken und Interessen liegt. Auf letztere kann ich nicht stolz sein und schäme mich eher dafür, nichts „besseres“ geschafft zu haben. Ich bin innerlich zerrissen: einerseits habe ich einen hohen Anspruch an mich selbst und möchte diesem beruflich endlich gerecht werden, bestenfalls mit etwas das auch meinen Interessen entspricht. Andererseits plagen mich Selbstzweifel und die Befürchtung, das nächste Studium wieder nicht abschließen zu können oder in einem sehr kompetetiven, intellektuellen oder anderweitig anspruchsvollen beruflichen Umfeld kläglich unter zu gehen. Und für Fehlschläge habe auch ich keinen finanziellen Spielraum, u.a. dank der BAföG-Rückzahlung, die mir meine Mutter auslegen musste und die ich ihr noch schulde.
Ich bewundere es so, so sehr, dass du es geschafft hast, Bachelor UND Master abzuschließen. Ich kann mich da Nyra nur anschließen. Wenn ich an Deadlines für Hausarbeiten, Prüfungsvorbereitung und dergleichen nur denke, bekomme ich schon Schnappatmung.
Diese Sätze treffen bei mir voll ins Schwarze. Ich bin unendlich dankbar für meinen zwar sehr kleinen, aber dafür umso innigeren Freundeskreis. Oft fühle und fühlte ich mich jedoch trotzdem einsam, weil ich außerhalb dieses Kreises kaum Anschluss finden oder Kontakte aufrecht erhalten kann und ich die meiste Zeit ein Außenseiter war. Viele Kontakte, die ich eigentlich sehr geschätzt hatte, brach ich aus Scham oder Überforderung abrupt ab. Und auch wenn ich es vor fast niemandem zugeben mag, es hat in mir bis heute schmerzhafte Wunden und ein zerfurchtes Selbstbewusstsein hinterlassen, dass ich so lange keinerlei romantischen und sexuellen Erfahrungen machen konnte, obwohl ich mich immer so sehr nach einer Beziehung sehnte.
Die Diagnose an sich hat bei mir emotional tatsächlich nicht so viel verändert. Es war schon immer klar, dass mir, bildlich gesprochen, ein Klotz am Bein hängt, der mich immer wieder runter zieht und aufhält. Jetzt steht auf diesem Klotz neben „Depression“ und „PTBS“ eben noch „ADS“. Jedoch tut die Vorstellung weh, wie eine frühere Diagnose mir womöglich, durch passende Medikation, viel Leid hätte ersparen können. Ein bisschen Wut auf meinen damaligen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten schwingt da auch mit.
Frieden zu schließen ist bei mir ein Prozess, der vielleicht nie abgeschlossen sein wird. Es ist im Laufe der Zeit, auch dank Psychotherapie, etwas besser geworden. Selbstbewusstsein, Selbstliebe und Liebe/Beziehung sind aber nach wie vor schwer belastet und können nur Stück für Stück, mit vielen kleinen Erfolgen, wie Küken aufgepeppelt werden. Wann es soweit sein wird, dass sie das Nest verlassen können, weiß ich nicht, aber ich glaube daran, dass es irgendwann passiert. (Das Bild mit den Küken ist vielleicht etwas melodramatisch, zugegeben, aber ich denke es erfüllt seinen Zweck.
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