ADS/ Hochbegabung oder beides?

Ich habe eine Frage, die mir etwas unangenehm ist, weil ich nicht eingebildet oder arrogant wirken möchte. Trotzdem lässt mich dieser Gedanke einfach nicht los.

Vorab: Ich bin 18 Jahre alt. Mit 13 wurde bei mir ADS diagnostiziert, was mich damals sehr schockiert hat. Ich fühlte mich plötzlich weniger wert als andere Menschen, fast so, als sei ich “schlechter”. Deswegen habe ich die Diagnose lange vor meinem Umfeld geheim gehalten. Bereits im Alter von 7 Jahren war ich auf LRS und AD(H)S getestet worden, nachdem mein Grundschullehrer den Verdacht aufgrund meiner vielen Rechtschreibfehler geäußert hatte. Dieser Test fiel damals negativ aus. Seit meinem 14. Lebensjahr nehme ich Stimulanzien, um mich in der Schule besser konzentrieren zu können.

Die Medikamente haben mir zwar geholfen, aber sie haben mich auch stark belastet. Ich hatte oft das Gefühl, in eine Depression zu rutschen, und fühlte mich kalt und gefühllos. Nach mehreren Medikamentenwechseln bin ich schließlich auf Lisdexamfetamin gestoßen, welches ich seit zwei Jahren nehme. Es hilft mir besser, aber ganz ohne Nebenwirkungen bin ich auch damit nicht.

Im Umgang mit anderen Menschen habe ich oft Angst, mich falsch auszudrücken, mich zu blamieren oder nicht mein wahres Wesen zeigen zu können. Besonders in großen Menschenmengen oder bei öffentlichen Auftritten habe ich Panik, dass mir etwas Peinliches passieren könnte. Diese sozialen Ängste begleiten mich schon lange und verstärken mein Gefühl, “anders” zu sein.

In meiner Familie gibt es ähnliche Themen: Meine Mutter hat auch ADS, und bei meinem Vater vermuten wir, dass er entweder eine Hochbegabung oder einen sehr hohen IQ hat. Das macht mich nachdenklich, da ich mich oft frage, ob ADS tatsächlich meine richtige Diagnose ist oder ob vielleicht eine Hochbegabung dahintersteckt.

Schon immer hatte ich das Gefühl, besonders sensibel auf mein Umfeld zu reagieren. Ich nehme die Stimmungen anderer Menschen stark wahr, fast so, als könnte ich sie unbewusst “lesen”, und übernehme dann automatisch ihre Laune. Hinzu kommt meine extreme Geräuschempfindlichkeit: Laute Geräusche oder Menschenansammlungen, bei denen mehrere Gespräche gleichzeitig geführt werden, sind für mich kaum auszuhalten. Seit einiger Zeit schlafe ich sogar nur noch mit Kopfhörern, und auch im Alltag lenke ich mich fast ständig ab, indem ich Musik höre oder Videos und Serien schaue, um den Lärm um mich herum nicht ertragen zu müssen.

In der Schule hatte ich nie viel Erfolg, weil ich oft Aufgaben vor mir hergeschoben habe, die mich nicht interessiert haben. Gleichzeitig habe ich mich selten getraut, mich mündlich zu beteiligen. Dazu kommen Probleme wie langsames und schwer umzustellendes Denken, Selbstbeschuldigungen und ein schlechtes Selbstwertgefühl. Mein Arbeitstempo ist oft viel zu langsam, was zu Fehlern führt, und ich verliere mich leicht in Tagträumen, wodurch mir wichtige Informationen entgehen.

Was mich zusätzlich beschäftigt, ist die Frage, ob die ADS-Diagnose möglicherweise eine Fehldiagnose war. Ich habe zwar einen IQ-Test gemacht, aber dieser wurde ohne Medikamente und unter ungünstigen Bedingungen durchgeführt. Seitdem frage ich mich, ob nicht vielleicht eine Begabung oder Hochbegabung bei mir vorliegt, da ich gelesen habe, dass diese oft gemeinsam mit ADS/ADHS auftreten können.

Bislang habe ich jedoch keinen Therapeuten aufgesucht, da ich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass ich unbedingt “schlau” sein will. Eigentlich geht es mir eher darum, mich selbst besser zu verstehen und zu lernen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin.

Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen. Bei Fragen können Sie sich gerne melden.

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Hi @anonymq23 und herzlich Willkommen! :adxs_wink:

Was Du beschreibst, passt sehr gut zu ADHS, insbesondere, wenn Deine Mutter auch betroffen ist. Ich glaube nicht, dass die Diagnose falsch ist.

Ob zusätzlich eine (Hoch-)Begabung vorliegt, kann Dir nur ein erneuter IQ-Test sagen.
Über die Wahrscheinlichkeit kann man ohne weitere Angaben nichts sagen.
In welchem Bereich war denn der IQ-Test damals?
Gab es „Ausreißer“ (nach oben und unten) bei den einzelnen Werten?

Oft ist bei ADHSlern der IQ-Test nicht auswertbar, weil die Einzelwerte zu stark differieren, also nicht homogen sind. Ein heterogener IQ-Test kann ein Hinweis auf ADHS oder ein anderes Problem sein. Manche Psychiater/Psychologen berechnen in solchen Fällen trotzdem einen Gesamt-IQ, obwohl das nicht gemacht werden soll.

Wie sehen Deine Schulnoten aus? Kannst Du ohne große Anstrengung (also ohne zu Hause zu Lernen, Hausaufgaben machen und im Unterricht nur mit halbem Ohr zuhören) im Mittelfeld „mitschwimmen“- auch in den uninteressanten Fächern?

Und noch ein Tipp zum Schluss: In Foren duzt man sich für gewöhnlich. :adxs_zwinker:

Wie wurde das MPH dosiert?
Gefühllosigkeit kann eine Folge einer Überdosierung sein.

Stimulanzien können eine „Hochbegabung“ nicht beheben, sondern allenfalls bei einer daneben bestehenden Hochsensiblität die Reizüberflutung verringern.
Wenn dir Stimulanzien so viele Jahre geholfen haben, solltest du nicht unbedingt am ADHS zweifeln. Es wäre ungewöhnlich, wenn eine unerkannte Hochbegabung über viele Jahre ADHS-Symptome verursacht. Denn die entstehen bei HB eher durch Stress aufgrund von Mobbing (was unwahrscheinlich ist, über so viele Jahre) und nicht aus der HB selbst.

Ich würde mal über die Option Läuse UND Flöhe nachdenken - also ADHS UND Hochbegabung…
Lass dich doch nochmal testen, unter Medis.

Und was einer der besten Tests auf HB ist: geh zu den kostenlosen freien Stammtischen von Mensa e.V… Geh zu mehreren, immer mal wieder. Erwarte nichts, bei Mensa gilt nur: Alle sind per du und keiner redet über seine Zahl.
Wenn du dann nach Hause gehst und das seltsame Empfinden hast, einen Abend erlebt zu haben, wo du gar nicht so das Gefühl hattest, nicht dazuzugehören, wie sonst - dann bist du auf der richtigen Spur.

Viel Erfolg :slight_smile:

Ich kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen. Ich selbst gehöre zu den „2E“, den Twice Exceptionals, die das fragwürdige Glück haben, ADHS und Hochbegabung (Läuse UND Flöhe) zu haben. Und noch komplexes Trauma, aber das blenden wir mal aus.

Ja, man kann der Meinung sein: „warum willst Du wissen, ob Du hochbegabt bist, denn man kann das ja nicht (weg)therapieren“? Ich bin kein Fan dieser Haltung - Selbsterkenntnis und ein Gefühl für die eigene Identität zu bekommen ist extrem wichtig. Und da ist es schon ein Unterschied, ob man sich aufgrund von ADHS (letztlich: eine Krankheit…?) Fehl am Platz fühlt, oder ob dieses Gefühl eben sogar den Turbo zündet, weil man auf bestimmten Gebieten ja sogar überdurchschnittlich intelligent ist.
IQ-Test-Ergebnisse unterliegen durchaus der Tagesform, nicht abschrecken lassen und noch mal mit Stimulanzien testen. Es muss ja auch kein >130er IQ herauskommen - auch mit einem Wert darunter kann man sich leicht zwischen „Grips“ und „Chaos“ zermahlen fühlen…

https://adhs-forum.adxs.org/t/idee-landkarten-linksammlung-die-besten-threads-zum-thema-xyz/15599/25?u=elementary

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