Alltag mit Kind organisieren

Hey,

mal eine Frage an die ADHS-Erwachsenen unter euch, die eigene Kinder haben: Wie schafft ihr das im Alltag?

Ich habe ein sechsjähriges Kind, das ich seit diesem Jahr alleine betreue. Ich selbst habe ADS (Diagnose erst im Erwachsenenalter bekommen). Es fällt mir meistens schon nicht besonders leicht, meinen eigenen Alltag so zu organisieren, dass alles irgendwie klappt (Dinge rechtzeitig erledigen, Zeitplanung, pünktlich kommen, usw.).

Im Alltag mit meinem Kind potenziert sich das Problem aber: Jeden Morgen haben wir enormen Stress. Ich schätze die Zeit falsch ein und mein Kind muss dann darunter leiden. Ich wecke dann z.B. mein Kind zu spät und dann muss alles super schnell gehen, anziehen, keine Zeit fürs Haare kämmen (machen wir dann im Bus) und Frühstück gibt’s nebenbei im Bett, damit ich schnell noch duschen kann. Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem wir nicht zum Bus rennen. Und dieser Bus ist dann auch meistens schon der späteste, der noch möglich ist (was eigentlich für ein kindgerechtes Ankommen im Kindergarten sogar schon zu spät ist). Immer wieder muss ich morgens ein Taxi rufen, damit wir es irgendwie noch rechtzeitig zur Bringzeit in den Kindergarten schaffen.

Das weitet sich auch auf andere Bereiche aus: Immer wieder kommt es vor, dass ich Dinge verspreche, die ich aus Zeitgründen dann nicht einhalten kann (eine Katastrophe für die Vertrauensbasis). Ich komme zu spät zum Abholen in den Kindergarten, weil ich die Wege falsch einschätze oder ich habe dann nach dem Abholen keine Zeit für mein Kind, weil ich noch Arbeit mit nach Hause genommen habe, die ich tagsüber nicht geschafft habe, die aber wegen nahender Deadlines dringend erledigt werden muss.

Das kann doch so nicht weitergehen. Für mich allein habe ich das alles immer irgendwie hinbekommen aber durch die zusätzlichen Bedürfnisse und Eigenheiten meines Kindes funktionieren meine ganzen Strategien für einen funktionierenden Alltag nicht mehr. Besonders schlimm wird es, wenn mein Kind dann auch mal einen schlechten Tag hat und nicht mehr besonders kooperativ sein kann, das sprengt dann direkt die ganze Tages- und damit auch die ganze Wochenplanung.

Wie geht ihr damit um, wenn ihr neben euch selbst auch noch ein Kind (oder gar mehrere Kinder) organisieren müsst?

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Hallo,

ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann, denn ich bin im Vergleich zu dir ziemlich privilegiert (Selbstständigkeit mit Flexibilität morgens, Partner vorhanden, der viel auffängt etc), dafür mit 2 Kindern.

Ich habe einen (mit dem Partner synchronisierten) Handykalender. Alle Termine mit Erinnerung (Voreinstellungen gleich so anpassen) und die Routine, ALLES in den Kalender einzutragen. Auch regelmäßige to dos wie Blumen gießen.

Zeitmanagement ist auch nicht mein Steckenpferd, da hilft nur den Wecker früher zu stellen und mehrere einzubauen (zum Zähne putzen, zum Schuhe anziehen etc). Der Sohn ist wie ich, ich habe uns mit Word Symbolen einen Ablaufplan geschrieben (für ihn einen, für mich einen), das hilft, da ich überhaupt keine Abläufe und Routinen aufrecht erhalten kann. Ohne Visualisierung.

Möglichst wenig to dos am Nachmittag, wo man pünktlich kommen muss. Hab das Gefühl, mein Kontingent an Pünktlichkeit ist begrenzt. Erinnerungen und Wecker Wecker Wecker. „Google, stell einen Timer auf X Minuten“ ist mein häufigster Satz am Tag. Allerdings weiß ich nicht, ob ich tatsächlich ADHS habe und ob das überhaupt hilfreich sein kann, was ich hier schreibe. Aber so komme ich zumindest gut zurecht, meistens. Es kostet aber mehr Kraft als bei anderen in meinem Umfeld, nehme ich so wahr.

PS: meine beste Freundin rechnet auf alle meine Zeitangaben für Verabredungen mit Kindern 45 Minuten drauf - das sagt eigentlich alles :upside_down_face:

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Morgens unbedingt früher aufstehen! Ganz wichtig. Sonst fängt der Tag schon nicht gut an.

Abends alles vorbereiten was möglich ist.

Und auch wichtig, sonst Teufelskreis: früh genug schlafen gehen, so das du auf jeden Fall 8 Stunden Schlaf hast. Jedes Schlafdefizit verstärkt die ADHS Symptome enorm.

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Ich bin offiziell undiagnostiziert, aber ziemlich sicher selbst ADSlerin. Mein Sohn hat alles mitgenommen und meine Tochter ist grad auch ne Hausnummer.

Zeitmanagementprobleme kenn ich leider gut. Ich hab oft das Problem, dass ich denke „Ah, 8:30 ist der Termin“ und dann ist 8:30 in meinem Kopf gespeichert… und um 8:25 fällt mir auf, Mist, ich muss ja noch hinkommen. Also merke ich mir in meinem Kopf jetzt die Zeit mit Fahrtweg plus noch Zeit für zum Auto etc etc. Vielleicht wäre das für dich auch ne Option? Also nicht, Bringzeit ist bis 8:45 und 8:45 bleibt hängen, sondern 8:00?

Ansonsten auswendig lernen, wie lange Wegstrecken dauern, wann man los muss, um pünktlich zu kommen. Ich weiß, dass ich um 8:30 losfahren muss, um genau pünktlich bei der Arbeit zu sein…. usw. Ablaufpläne find ich auch gut, nicht nur für die Kinder sondern auch für sich selbst, wie Züchologin schon schrieb.

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Wecker mindestens 1/4 Stunde früher stellen. Und nicht neben dein Bett, sondern so, dass du auf alle Fälle aufstehen musst, um ihn auszuschalten. Sonst ist die Gefahr des „ich hab ihn 20 Minuten früher gestellt, da kann ich jetzt noch 10 Minuten liegen bleiben“ zu groß. Am besten ins Bad oder gleich ins Zimmer von deinem Kind. Natürlich so, das du ihn trotzdem hörst. Und such den für euch nervigsten Klingelton, den du finden kannst.

Desweiteren legst du dir einen Tagesplan mit allen Schritten der morgendlichen Routine hin. Jedesmal, wenn eine Sache erledigt ist, trägst du die Uhrzeit ein (ich weiß, das es schwer ist, daran zu denken). Wenn du 5 Tage komplett hast (das wirst du in einer Woche nicht schaffen, ist aber egal), nimmst du für jeden Schritt die jeweils längste gebrauchte Zeit, addierst sie und rechnest die Zeit von dem Punkt an rückwärts, wo ihr am Bus sein müsst. Das ist die Zeit, wann spätestens du aufstehen und dein Kind wecken musst.

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Ich habe auch das Problem, dass ich zwar gucke, wann ich los muss, mein Kopf aber aus „Um 09 Uhr die Ubahn nehmen“ macht: „Um 9 Uhr Schuhe anziehen und Tasche kontrollieren“. Bei meinem älteren Sohn (13, in der Diagnostik) ist es auch so, mein jüngerer Sohn (10, wahrscheinlich nt) geht prinzipiell zu früh los, aus Angst, zu spät zu kommen.

Darum ist die Aufgabe für mich, mir bewusst zu werden, dass der Zeitpunkt des Losgehens einen Vorlauf hat. Und dann die Zeit vor dem losgehen geschickt einzuteilen. Ich habe eine Idee, wie lange ich im Bad brauche. Ich weiß, dass morgens müde Klamotten suchen und Tasche packen lange dauert, also wird das normalerweise abends vorbereitet, inklusive Wasserflasche, Snacks etc und schon bereit gestellt.
Im besten Fall liegen die Klamotten schon im Bad neben der Kosmetiktasche.

Ansonsten habe ich auch die Neigung, in meiner Begeisterung Dinge anzusprechen und zu versprechen, die ich dann teilweise nicht halten kann.
Das kenne ich selbst aus meiner Kindheit und will meine Kinder nicht so enttäuschen, darum formuliere ich das anders. zB sage ich nicht im Hyperfokus meiner Recherchen: „In den Ferien renovieren wir das Kinderzimmer und bauen den Schreibtisch um, welche Farben wollt ihr?!“ sondern eher „Ich würde gerne im Kinderzimmer umräumen, darum schaut euch bitte mal diese Schreibtische hier an. Ich weiß aber noch nicht, wann das klappt.“

Meine Kinder sind ja schon größer als deins, die kennen mich nun auch. Ich frag mich manchmal, wie ich in meinem Chaos deren Liebe und Solidarität und regelrechte Bewunderung verdient habe, bekomme aber von Freundinnen, Familie, Schule das Feedback, dass wir wohl sehr liebevoll, offen und vertraut miteinander umgehen. Darum denke ich, dass wir als Eltern uns vielleicht auch zuviel auf das konzentrieren, was wir nicht gut machen, statt auf das, was toll läuft.

Ich werde nie eine super aufgeräumte Wohnung haben, in den Ferien um 8 das Frühstück fertig haben und täglich mit den Kindern joggen gehen. Ich werde nie die Mama sein, die im Förderverein der Schule Flohmärkte organisiert oder mit den Kindern wöchentlich tolle Fahrradtouren macht und immer genau weiß, wann welcher Freund Geburtstag hat und wann das Referat fällig ist.

Aber das muss ich auch nicht.
Ich bin dann eben die Mama, bei der immer alle Freunde mitessen dürfen und die, die mit den Kindern in der Küche singt und tanzt. Die, die jeden Tag vorliest und dann leidenschaftlich über die Geschichten und Figuren diskutiert. Ich bin die Mama, die ihre Malbücher teilt und drei Stunden mit den Kindern malt und dabei wird geredet und gekichert. Ich bin die Mama, die mit den Kindern Gesichtsmasken macht und die, die immer mit den Kellnern und Verkäuferinnen quatscht, so dass uns alle im Viertel kennen. Ich bin die, bei der man wegen „Ich fühl mich diese Woche weinerlich und will nicht mehr raus“ auch mal am Freitag zu Hause bleiben darf und die mit den Kindern Affirmationen aufsagt.
Meine Kinder wissen, dass sie geliebt sind mit allem, das sie haben und das ist mehr, als viele Erwachsene wissen.

Darum: Klar, guck dir gründlich deine Abläufe an, bereite viel vor, schlag 10 min Pufferzeit drauf und mit Kind eher 20.
Guck aber auch unbedingt, was bei dir und euch toll läuft. Sei gut zu dir selbst. Meistens bekommen wir VIEL mehr hin, als wir merken.

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Ich habe jetzt keine Lösung für dich, aber mach dir nicht mehr schlechtes Gewissen als nötig. Dein Kind wird dir deine Verpeiltheit nachsehen, und es wird auf der anderen Seite zu schätzen wissen, dass du es gut verstehen kannst, wenn es mal wie du schreibst einen schlechten Tag hat. Edit: Katz hat das noch besser ausgedrückt als ich.

Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meinem Vater, und kurz nachdem er starb und ich meine ADHS-Diagnose bekam, beides war in der zweiten Jahreshälfte 2003, weiß ich auch warum.

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Kleiner Nachtrag noch:
Es ist nicht die Aufgabe der Arbeitnehmer, sich Arbeit noch mit nach Hause zu nehmen, um irgendwelche beruflichen Deadlines einzuhalten. Als Alleinerziehende/r geht das auf Dauer schon mal gar nicht.

Der Arbeitgeber hat dafür zu Sorgen, dass die Arbeitnehmer die Arbeit in der vertraglichen Arbeitszeit schaffen können. Wenn das nicht geht, muss er halt noch ne Halbtagskraft einstellen. Ab und zu mal ne Überstunde ist OK, aber nicht als Dauerzustand.

Von daher würde ich deswegen beim Arbeitgeber vorstellig werden, ob die Arbeit anders verteilt werden kann. Der AG kann auch kein Interesse an `nem Burn-Out seiner Arbeitnehmer haben. Du als Alleinerziehende noch viel weniger, und die Gefahr des BO sehe ich bei dir absolut gegeben.

Zur Not nach einem neuen Job umschauen, denn auch Geld ist nicht alles und im Zweifelsfall geht das Kind immer vor. Der Arbeitsmarkt ist für Fachkräfte auch gerade sehr Arbeitnehmerfreundlich. Weniger Stress auf Arbeit wird euch beiden auch morgens zugute kommen, denn wer steht schon gerne auf, wenn er anschließend durch den Alltag hetzen muss?

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Ich weiß, es ist nicht das Thema, aber mein Arbeitgeber (Regierung) ist schlau und definiert einfach unsere Aufgabenbereiche nicht.
Angesetzt sind bei uns so 43 Stunden.

Ich habe es mal versucht, auch in 70 oder 80 Stunden habe ich nicht alles geschafft.
Also übe ich jetzt weiterhin die Balance zwischen Prioritäten und dem, was mir Spaß macht.

Meine Jungs sind schon gross aber ich habe das alles hinter mir
Wenn ich um 8:30 arbeiten musste bin ich um 6:00 Uhr aufgestanden
Habe zuerst mich fertig gemacht dann das Frühstück dann die Jungs geweckt danach haben wir gefrühstückt meinen grossen musste ich dann ständig antreiben da er statt anziehen und Zähneputzen ständig Lego gebaut hat dabei habe ich dann die Küche aufgeräumt
Der Kleine war schnell sehr selbstständig da er ständig warten musste
Ranzen und Tasche für die Arbeit habe ich Abend zuvor gepackt Anziehsachen für alle schon am Vortag rauslegen, am Vorabend duschen und vor allem Haare waschen das kostet viel Zeit das alles spart viel Zeit am Morgen und da mein Tag so anstrengend war war ich sowieso immer schon um 9:00 im Bett daher war das Aufstehen eine der leichteren Anforderungen

Mein Sohn ist ein „born organized“. Er hat also von sich aus so viel innere Struktur, dass er mich irgendwie mitgenommen hat. Sein Tagesablauf war mein Geländer. Er ist ziemlich exakt um sechs aufgestanden und hat dadurch Unmengen Zeit gehabt. Abends musste ich auch nicht kochen, da wir im Hort und in der Kantine gegessen haben. Das größte Problem war ich mit mir selbst.
Es gab aber auch ein paar Regeln, die wichtig waren. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn er Zeug für die Schule oder Spiele im Wohnzimmer oder in der Küche gehabt hätte. Das wäre aber hoffnungslos in meinem Chaos verschwunden. Also war das keine gute Idee. Hat auch ein paar Mal Tränen gegeben, wenn irgendwas weg war. Und ab zwanzig Uhr war das Wohnzimmer kindfreie Zone. Das war auch für mich wichtig. Zeit für die Sachen, bei denen ich keine Störungen ausgehalten hätte.

Wenn ich solche Kinder hätte wäre ich nie im Burn Out gelandet
Ich habe immer nur aufgeräumt um mich halbwegs im Wohnzimmer entspannen zu können
Ich habe eine Zwangsstörung und es muss immer alles ordentlich sein nur in den Schränken bin ich etwas unordendlicher

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