Ein Thema, zu dem mich Eure Erfahrungen schon eine Weile interessieren:
Wie geht Ihr - in besseren Phasen - mit Altlasten um?
In den 12-Punkte-Programmen diverser Selbsthilfe-AA-Gruppen gibt es ja zwei Schritte:
"- Auflistung aller Personen, denen man Unrecht getan und Schaden zugefügt hat, und die Bereitschaft und den Willen zur Wiedergutmachung entwickeln.
- Wo immer möglich, diese Personen entschädigen, außer, wenn sie oder andere dadurch verletzt würden."
Der Hintergrund dürfte auch sein, dass ein Rucksack voller Altlasten das Rückfallrisiko erhöht. (Sogar ganz bildlich, wie im Wortsinne, fällt mir gerade auf.) Und übertragen auf ADHS: Ein schlechtes Gewissen erhöht m.E. das Risiko erneuter Prokrastination, evtl. paradoxerweise.
Vergleichsweise klar scheint mir die Lage bei Themen wie Vorschüssen, Verträgen, Schulden im Rechtssinne, etc.
Was aber mit solchen Altlasten, an denen man nicht unbedingt rühren müsste?
Ein zugesagtes Projekt, das unter die Räder kam…
Ein nicht abgelieferter Text …
Eine nicht eingehaltene Zusage …
Ein nicht gelöster Streit oder Konflikt …
Eine ewig nicht geltend gemachte Forderung …
Und wenn Ihr es angeht: Wie? Mit Erklärungen/Entschuldigungen oder lasst Ihr schlicht nachgeholte Taten sprechen?
Belastungen wie Alkoholismus sind zweifellos unsagbar schwer, und damit geht bestimmt auch kaum ein Betroffener mit Freuden offen um. Nur: Bei ADHS gibt es ja noch nicht mal so ein gesellschaftlich schon irgendwie bekanntes Rehab-Narrativ im Sinne von ausgenüchtert, wieder auf dem Damm, jetzt aber trocken weiter… Also wie erklärt man die eigenen Unzulänglichkeiten, vermittelt halbwegs realistisch, dass man die Wiederholungsgefahr nach Kräften reduzieren wird, … (wissend, dass sich die Neurobiologie als solche nicht entziehen oder ausnüchtern lässt, und ohne Offenlegung der gesundheitlichen Ursache)?
Inzwischen kriege ich es immerhin ein kleines bisschen besser hin, das Pendel nicht in die Gegenrichtung des Überentschuldigens/Overapologizing und Im-Staub-Wälzens ausschlagen zu lassen. V. a., seit ich selbst auf der anderen Seite mitbekommen habe, dass auch das nerven kann und überdies die dahin verschwendete überzuckerte Emo-Energie dann häufig beim wirklich positiv und nüchtern Handeln wieder fehlt. (Vielleicht auch, weil man das Gewissen schon mit diesem Faseln beruhigt und dann der Stachel nicht mehr zum Handeln animiert?)
Aber schon das war wirklich auch ein Entwicklungsprozess, der evtl. auch störungsbildbedingt ist: Irgendwo in der Nähe von RS muss auch die Übersensitivität wohnen, eigene Fehler so aufzublasen, dass man eigentlich nur noch mit Verdrängung gegensteuern kann. ´
Freue mich auf Erfahrungen und die Weisheit der Vielen. Sei es auch nur nach und nach. Ich fürchte, für mich bleibt das Thema noch etwas länger relevant.
Und nicht zuletzt könnte man auch auf der anderen Seite der Beziehung von den Erfahrungen profitieren: Wie baut man Rampen, die dem anderen eine Wiedergutmachung erleichtern? Die vielleicht sogar gutes Handeln und Wieder -gut-Machen-Können fördert und nicht allein moralisch Vergebung der Unzulänglichkeiten?
Zu langer Text. Kürzer konnte ich es nicht.