Hallo zusammen,
ich habe Anfang Juli einen Termin bei einem Psychiater, da meine Hausärztin sich in unserem Gespräch schnell recht sicher war, dass ich ADHS habe, und mir eine Eilüberweisung verschafft hat, da sie recht heftige Probleme in meinem Alltag sieht. In die Überweisung hat sie u.a. Beispiele aus meinem bisherigen Leben und den ausgefüllten DIVA-Bogen angehängt. Nun habe ich hier in meiner neuen Heimat Zugriff auf alles, was Ärzte so über mich schreiben und habe gesehen, dass in meinem medizinischen Journal steht, dass bei dem Termin abgeklärt werden soll, ob es sich um ADHS oder eine bipolare Störung handelt. Ich weiß, dass es natürlich wegen der evtl Medikation wichtig ist, andere Dinge auszuschließen, aber ich habe nun Angst vor dem Termin. Grund: Ich wurde vor über 10 Jahren schon mal medikamentös wegen einer vermeintlichen bipolaren Störung behandelt (vorher wegen vermeintlichen Depressionen). ”Vermeintlich”, weil ich mittlerweile recht sicher bin, dass es Fehldiagnosen waren. Die Medikamente habe ich vor einigen Jahren abgesetzt und auch die Therapie (mehrere Versuche/Therapeuten) abgebrochen, weil ich mich stark missverstanden gefühlt habe und in den meisten Bereichen keine Besserung bemerkt habe.
Ja, ich habe teils Episoden, die ggf an eine Depression erinnern könnten, aber die meisten Dinge klappen auch nicht ordentlich, wenn ich in bester Laune bin (selbst Kleinigkeiten wie Zähne putzen, aber auch Ordnung halten, Kopf/Grübeln abschalten, usw.). Außerdem sind diese ”depressiven” Episoden bei mir nicht so, dass ich dann wirklich nichts machen kann, also ich treffe zB schon auch mal Menschen in solchen Phasen. Und: diese Episoden sind stark von Situationen abhängig, was ja bei einer bipolaren Störung anders ist, soweit ich weiß.
Beispielsweise hatte ich erst kürzlich zwei Wochen, wo ich fast nur zu Hause und viel im Bett war, sehr niedergeschlagen und schnell überfordert war, mich sozial eher etwas zurückgezogen hatte – aber ich bin auch seit Ende März wegen einer Verletzung nicht arbeiten gewesen, generell nicht so glücklich in meinem Job, habe mich von meinem Partner getrennt (was mir extrem schwer fiel) und musste mir eine neue Wohnung suchen, in die ich in ein paar Wochen einziehe usw. Das ist einfach viel, und das überfordert mich komplett und in vielerlei Hinsicht – da sind gerade 1.000 Tabs offen in meinem Hirn, und so ist es zwar fast immer (nie Ruhe da oben), aber in so belastenden Situationen ist es eben noch mal extremer und erschöpfender, weil ich dann auch zusätzlich extrem viel analysiere und ggf hyperfokussiere (ich habe zB mehrere Tage damit verbracht, das Verhalten und die evtl Gefühle und Zukunftsperspektiven meines (Ex-)Partners zu analysieren, und das, obwohl ich müde und erschöpft war und wusste, wie ”dumm” das eigentlich ist und dass ChatGPT auch nicht in die Zukunft sehen kann). Dann kam mein (Ex)Partner heim und meine Stimmung ist umgeschlagen und war die meiste Zeit in diesen paar Tagen weitaus besser. Als er dann wieder weg war, blieb die Stimmung aber ungefähr gleich, also innerhalb der letzten Woche hatte ich nur einen einzelnen Tag, wo ich deutlich ”depressiv” verstimmt war, und das macht in meinen Augen keine Depression. Auch heute war ich erst gar nicht gut drauf, aber die Stimmung wurde dann plötzlich etwas besser und ich war auch etwas produktiv, und dann fiel die Stimmung wieder komplett in den Keller, als ich mit einer Bekannten ein Gespräch über ADHS hatte, das mich verletzt hat.
Und ich kann zwar manchmal vielleicht etwas hypomanisch wirken, aber das ließe sich auch mit dem Hyperfokus und der anfänglichen Begeisterung für manche neue Dinge erklären – und impulsive Käufe zB tätige ich zwar nicht ”ständig”, sondern schon eher phasenweise, aber das kommt sowohl in niedergeschlagener als auch in begeisterter Stimmung vor und hängt eher davon ab, was mein Hirn da gerade als extrem wichtig einstuft. Meine Stimmung kann sich mehrmals am Tag extrem ändern, oder auch mal 2-4 Wochen eher so, und dann wieder 2-4 Wochen eher anders sein, das ist ganz unterschiedlich und situationsabhängig, aber nie komplett linear.
Ich möchte nicht falsch diagnostiziert werden und habe Angst, dass der Psychiater ggf nicht auf ADHS spezialisiert ist und manche Dinge nicht als ADHS-relevant einstuft (z.B. die exekutive Dysfunktion oder wie es heißt) und das als Depression und zB meine impulsive Seite als manisch/hypomanischn einstuft.
Ich bin vor vielen Jahren in einer Tagesklinik schon mal sehr wütend geworden, weil ich dort gegen eine Essstörung behandelt wurde, obwohl ich die Behandlung wegen der vermeintlichen Depression begonnen hatte – die Therapeuten hatten sich dann geweigert, mich weiterhin in der Tagesklinik zu behandeln. Ich weiß nicht, wie ich nun an den Termin herangehen soll, denn ich kann dem Psychiater ja nicht sagen, dass er bitte ADHS diagnostizieren soll, nur weil ich mir selbst sicher bin, dass das die korrekte Diagnose ist. Aber falls der Psychiater tatsächlich glaubt, dass eine bipolare Störung vorliegt, weiß ich auch nicht, wie ich reagieren und wie ich dann weiter vorgehen soll. Ich habe Angst, nicht gesehen zu werden, und weiß ja auch gleichzeitig, dass ich mir nicht anmaßen kann, es besser zu wissen als ein Facharzt. Aber gleichzeitig weiß ich, dass es auch unter Fachärzten Idioten gibt und dass auch Fachärzte Fehler machen.
Angst macht es mir, weil ich die Stimmungsschwankungen gar nicht als Hauptproblem erlebe, auch wenn es natürlich belastend sein kann, wenn ich depressiv verstimmt bin, oder impulsive Wutanfälle habe usw. Aber viel belastender ist für mich, dass ich im sozialen Bereich nicht so “funktioniere” wie ich gerne würde, dass ich ständig die 1.000 Tabs im Kopf habe und vor allem manche Dinge nicht tun kann, selbst wenn ich wirklich will (wie zB das mit dem Zähneputzen). Und dass ich mit Mitte 30 gar nicht weiß, wer ich eigentlich bin und was ich gerne möchte (zB jobtechnisch – ich hatte in den letzten 3 Jahren 4 verschiedene Jobs).
Habt ihr evtl ähnliche Erfahrungen gemacht, also wo die bipolare Störung statt ADHS in Erwägung gezogen wurde? Oder weiß hier evtl jemand, wie man ADHS und eine bipolare Störung tatsächlich klar abgrenzen kann? Denn es scheint ja durchaus Ähnlichkeiten zu geben, wenn ich das recht sehe (und natürlich kann auch beides gleichzeitig vorliegen, auch wenn ich das bei mir selbst eigentlich eher nicht vermuten würde).
Habt ihr euch damals auf euren Termin vorbereitet, und wenn ja, wie?