Briefing Lehrer

Ok, danke. Tagesgruppe ist natürlich nochmal was anders. Aber auch da denke ich, dass es ein Kind mit ADHS überfordern kann, so lange in Gruppe zu sein.

Und klar: So lange ein Kind keinen sonderpädagogischen Förderbedarf hat, bleibt natürlich nur die Regelschule.

Ich wünsche euch, dass ihr das mit dem Gewicht in den Griff bekommt und die Medikamente eine gute Umterstützung sein werden.

Uiuiui, dann ist jetzt der Zeitpunkt wo ich mich mal Outen muss. Ich bin Grundschullehrer an einer Brenn- und Schwerpunktschule.
Bei uns ist das Diagnostizieren und individuelle Arbeiten mit Kindern das tägliche Brot.
Ich habe im Rahmen der Inklusion von geistig behinderten Schülern bis hin zu Hochbegabten mit vielfältigen Herausforderungen Erfahrungen.

Ich würde empfehlen eine Schwerpunktschule anzustreben. Das gibt es hier in RLP und es ist gerade für Kinder mit ADHS super.
Ironischerweise habe ich immer gedacht, dass ich mich mit ADHS ganz gut auskennen würde und ich erkenne Kinder mit ADHS relativ gut innerhalb kürzester Zeit in Lerngruppen.
Nur halt bei mir selbst hat es etwas länger gedauert :man_facepalming:

Ich denke, dass es bei Spektrumserkrankungen auch keine goldene Regel gibt wie: „mach das genau so und dann passt das“

Der Vorteil bei Schwerpunktschule ist, dass da immer ein Team aus Lehrkraft und Förderlehrkaft gemeinsam in den Klassen sind. Dadurch kann man sich gut austauschen und differenziert agieren.
Z.B. kann es bei ADHS aber auch Autismus extrem helfen die Aufgaben größer und einzeln auf ein Blatt zu drucken. Das Argument mit: es muss in den Arbeitsphasen Ruhe herrschen ist leichter gesagt als getan, besonders dann, wenn man mehrere Kinder mit ADHS in der Klasse hat. :roll_eyes:

Da gibt es ja aber natürlich auch Abstufungen.

Wir fertigen für Schüler mit Lernschwierigkeiten Förderpläne an. Darauf wird erfasst wie der Entwicklungsstand in unterschiedlichen Bereichen ist und dann werden Ziele und Wege festgelegt, wie in dem Bereich weitergearbeitet wird. Das wird mit den Eltern regelmäßig besprochen und aktualisiert.
Ich finde es immer besonders wichtig, dass die Kinder mit im Boot sitzen und selbst konstruktive Lösungswege beisteuern können.

Ich musste jetzt erst mal nachlesen was eine Schwerpunktschule ist. Leider gibt es das in BaWü nicht; aber vielleicht hilft das jemand anderem der reinliest :slightly_smiling_face:

Das vergrößern der Aufgaben finde ich einen tollen Tip. Was meinem Sohn auch hilft ist das Abdecken von Heftseiten damit er sich besser auf den Abschnitt konzentrieren kann der bearbeitet werden soll. Dann sieht es auch gleich mal nach weniger aus.

Was es in BaWü speziell für Angebote gibt weiß ich leider auch nicht, dem Bildungsföderalismus sei Dank.
Auf die Schnelle habe ich folgendes gefunden:

<LINK_TEXT text=„http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?q … l&max=true“>http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=VVBW-2205-1-KM-19990308-SF&psml=bsbawueprod.psml&max=true</LINK_TEXT>

Zitat:
"Die Förderung von Schülerinnen und Schülern (im Folgenden: Schüler) mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen ist Aufgabe in allen Schularten. Besondere Förderbedürfnisse können sich insbesondere ergeben bei (…) bei besonderen Problemen im Verhalten und in der Aufmerksamkeit, bei chronischen Erkrankungen, bei Behinderungen oder bei einer Hochbegabung. Die individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen bestimmen den Unterricht und erfordern Differenzierung und Individualisierung. (…)

Eine fortlaufende Beobachtung der Lernentwicklung, kontinuierliche Lernstandsdiagnosen, Elternberatung, ggf. die Erstellung von Förderplänen und die Durchführung von Fördermaßnahmen gehören zu den Aufgaben der Schule unter verantwortlicher Koordination der Schulleiterin oder des Schulleiters (im Folgenden: Schulleiter). Schulische Förderkonzepte werden unter Einbeziehung von verbindlichen Diagnose- und Vergleichsarbeiten klassenübergreifend, klassenbezogen oder individuell entwickelt; sie können auch schul- und schulartübergreifend konzipiert werden."

Das heißt im Klartext, dass ihr einen Rechtsanspruch auf Erstellung eines solchen Förderplanes und soweit ich sehe sogar Nachteilsausgleich habt.

Falls die Lehrkraft und im Nachgang die Schulleitung unkooperativ ist würde ich es hier versuchen:

<LINK_TEXT text=„Leistung - Serviceportal Baden-Württemberg … leistung-0“>Sonderpädagogisches Bildungsangebot - Feststellung des Anspruchs beantragen - Serviceportal Baden-Württemberg</LINK_TEXT>

Allerdings ist der Erste und bessere Weg immer über die Klassenleitung zu gehen und diese mit im Team zu halten.

Hoffe das hilft dir weiter.

Danke Worgl,

Bislang ist der Kontakt zur Lehrerin okay und wir sind dran eine Schulbegleitung zu bekommen. Ich wünschte manchmal nur dass es eine unabhängige Beratungsmöglichkeit geben könnte die sein Verhalten besser erklären und vermitteln könnte. Ich bekomme mittlerweile täglich was ins Mitteilungsheft geschrieben, kann aber auch schlecht einen Schalter drücken damit das Kind endlich funktioniert :?

was schreibt sie denn hauptsächlich ?

Das würde mich auch interessieren… :slight_smile:

Sowas wie: Kind hat seine Arbeitsmaterialien versteckt, ruft in der Umkleide Obszönitäten, bedroht jemanden mit seiner Trinkflasche, muss Hefteinträge nacharbeiten.

Das finde ich jetzt aber etwas irritierend, da du weiter unten ja sagtest, dein Kind hätte keine anderen Baustellen als ADHS. Ich würde da aber schon von Verhaltensauffälligkeiten sprechen, die bei ADHS dazukommen können, aber nicht unbedingt müssen.

Da könnte eine Schulbegleitung natürlich eine Lösung sein, aber gibt es die nicht tatsächlich nur bei heftigen „Baustellen“?

Das ist niedrige Impulskontrolle gepaart mit Frustrationsintoleranz. Das ist der Klassiker aus Sicht der Lehrerausbildung.

Allerdings gibt es wenig Ansatzpunkte im Unterricht. Was man versuchen kann ist, im Unterricht mit Hörschutz zu arbeiten um die Ablenkung gering zu halten. Es gibt da extra so Ohrschützer für Kinder. Ich habe einfach ein paar aus dem Baumarkt geholt.

Von der Unterrichtsgestaltung kann ich zu kürzeren, klar abgegrenzten Unterrichtsphasen raten, die durch Bewegung getrennt sind.

Einen besonders extremen Fall habe ich mit „wichtigen“ Nachrichten zum Sekretariat geschickt, dass er ein bisschen Bewegung hat. In höheren Klassen können Kinder (auch ohne ADHS) vor der Tür Liegestütze oder Kniebeugen oder so machen, wenn sie merken, dass die Konzentration nachlässt.

Das einzige was langfristig wirkt ist aber tatsächlich eine Therapie und auch Medikation.

Ich hatte jahrelang einen Schüler als Fachlehrer, der wirklich jede Stunde mit irgendjemandem ohne Grund Schlägereien angefangen hat und immer Schimpfwörter hereinrief.

Den hat meine Kollegin immer mit Nachrichten zu mir geschickt und von einem Tag auf den anderen war er wie ausgewechselt, konnte sich mit anderen Kindern vertragen, kein Schimpfwort mehr, entspannt. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn mir jemand gesagt hätte, dass das der lange verlorene Zwillingsbruder wäre.

Der hat Medikation bekommen und war sehr glücklich, dass er nicht mehr immer so ausrastet.

Das ist echt typisch.

Sehe ich auch so. Letztendlich bringt nur Medikation etwas, von leichten Fällen mal abgesehen. Auch eine Schulbegleitung kann die fehlende Selbststeuerung nur bedingt kompensieren, zumal Medikation ja auch die Lernfähigkeit, auch die soziale, positiv beeinflusst.

Ich hätte für das alles Erklärungen im Kopf. Mein Kind möchte dazugehören und lustig sein. Ich weiß noch wie ich selbst alleine auf dem Schulhof stand und so gern dabei sein wollte, mich gleichzeitig aber wie von einem anderen Planeten gefühlt habe. Dieses rumschreien war eher der plumpe Versuch von den anderen gesehen zu werden. Weder im Kindergarten noch hier zu Hause hat er das gemacht, Freunde finden fällt ihm aber schwer.

Er fiel auch nie als Schläger auf der auf andere losgeht. Natürlich geht es nicht dass er in einem Konflikt jemandem droht, mir persönlich fehlt da aber auch der Zusammenhang. War das wirklich eine Aktion oder Reaktion? Er selbst sagt: die anderen wollten mich hauen, der mag mich nicht.

Auch das Verstecken von Aufgaben führe ich darauf zurück dass er sich so arg mehr anstrengen muss als andere. Gemacht werden müssen sie natürlich trotzdem. Ich finde das auch nicht gut, wenn ich aber Seitenweise die gleiche Zahl schreiben soll würde ich das auch lieber zum Fenster rauswerfen wollen.

Ja, das hat der Lehrer meines Kindes auch gemacht… manche (meist Burschen) haben das einfach gebraucht. Finde ich eine ganz prima Sache. Hat schon was mit artgerechter Haltung zu tun… ich denke, viele ADHS-Kinder würden deutlich besser zurechtkommen, wäre die Schulsituation wenigstens schon mal kindgerecht.


Das ist ja in dem Fall das Problem, wenn ich das recht verstanden habe, kommt das Kind mit Medikation nicht zurecht…

@Zingaro Ich verstehe das so sehr - und hoffe, dass sich das schnell rauswächst… aber geh davon aus, dass er sich eben auch deutlich schneller angegriffen fühlt - auch wenn es dafür keinen Anlass gibt. Rejection sensitivity eben…

Klar gibt es dafür Erklärungen. Jedes Kind (und jedes erwachsene Kind) will wahrgenommen werden und wertgeschätzt werden.

Die Situation in der Schule ist halt an sich schon ein wenig überfordernd. Ein Lehrer der was von einem will, 23 andere Kinder die auch alle permanent etwas machen und wollen. Und dann sind die anderen Kinder halt auch nur Kinder.

Die machen auch Quatsch, sind noch stark egozentrisch, streiten und sind von der Entwicklung her auch noch nicht fertig. Gerade in dem Alter entwickeln sie ja das Konzept von Freundschaft weiter und man ist an einem Tag befreundet, am nächsten Tag mal nicht und dann wieder beste Freunde.

Deshalb ist es auch super wichtig, Strategien zu entwickeln mit derartigen Situationen umgehen zu können.
Zum Beispiel habe ich immer gezeichnet um nebenbei zuhören zu können. Da ist aber jeder auch etwas anders.

Das ist individuell, geht nur mit dem Kind gemeinsam und ist auch viel (Terapie-)Arbeit.

Selbst wenn eine Lehrerin das Problem zu 100% versteht, hilft es dem Kind nur bedingt weiter weil die Lehrerin nicht für das Kind zuhören oder Freundschaften schließen kann.

Was sie tun kann ist lediglich angenehme Rahmenbedingungen schaffen und dazu habe ich ja schon weiter oben einige Anregungen geschrieben. Und wichtig ist halt auch Austausch mit Eltern, Kind und Lehrer. Wenn man ein Vertrauensverhältnis zum Lehrer entwickelt können die Kids auch selbst Probleme ansprechen.

Habt ihr mal gemeinsam mit der Lehrerin ein kleines Ziel formuliert um dann z.B. jeden Tag wo es gut läuft einen Stempel auf eine Stempelkarte zu sammeln oder so?

das mit dem Tokensystem bringe ich mal an, das kann man bestimmt gut einbringen. Auch mehr Pausen, grad wenn es gut läuft.
Dass die Lehrerin keine Freundschaften für ihn arrangieren kann ist mir auch klar und ich gestehe ihr auch ein gewisses Maß an Genervtheit zu. Die Coronaauflagen beengen leider auch viele Möglichkeiten, eigentlich gibt es z.B. Auch ein Elterncafe über dass sich dann die Eltern kennen lernen können. Das Kind und ich kennen leider niemanden von vorher.
Wir spielen zuhause auch Möglichkeiten durch wie man Konflikte anders lösen kann und spielen das z.B. mit Legomännchen nach.