Vorgeschichte:
Ich bin der klassische Fall: Sohn diagnostiziert, Vater (mit 72!) diagnostiziert, Frau (ich, 49) mit Erschöpfungsdepression/ Impulskontrollstörung/ PMDS diagnostiziert. Seit 20 Jahren. Jetzt gibt es endlich die richtigen Buchstaben (wer brachte mich drauf? Die Tochter, die nach dem Auszug krasse Probleme hat. Huch? Sie kam doch immer klar? So wie ich. Also ich im privaten ja weniger. Aber beruflich - kreativ - sehr erfolgreich…) und die Eindosierung mit MPH ist das große AHA-Erlebnis. AHA! Ich kann einen entspannten Körper haben und zuhören? Wo sind denn die Wutausbrüche und anschließenden Heulkrämpfe? Plötzlich kann ich einfach reden und argumentieren? Unfassbar. Und Einkaufen ist auch nicht mehr der Stress des Jahrhunderts. Hammer. Ich wollte eine Medikamentenfrage stellen, aber diese lebensverändernde Einsicht drängelt sich schon wieder vor und muss auch weitergesagt werden. Wie viele unerkannte Frauen leiden noch?
Zur Medikation:
Momentan bin ich noch auf 150 Bupropion (nehme es seit 10 Jahren, fand es „mich näher an mich selbst bringend“ und latend stärkend, aber auch krass antreibend, und ich bin doch eh schon ein Rennpferd… Am Eisprungtag und vor der Regel war dennoch immer Katastrophenalarm.)
Jetzt scheine ich mit dem MPH mein Medikament gefunden zu haben, bin noch bei der Eindosierung mit unretardiertem, hab rausgefunden, wann Rebound einsetzt (bzw. nehme nun früh genug nach), habe eine Idee von der Dosierung und merke aber, dass nach Eisprung eine leicht höhere Dosierung nötig werden könnte. Beim nächsten Besuch bei meiner Psychiaterin möchte ich mit gut ermittelter Dosis auf Concerta oder ein ähnliches Generikum gehen, aber vermutlich bräuchte ich
1.) zwei verschiedene Stärken, ist das vermessen danach zu fragen?
2.) Geht der ganze Suchvorgang womöglich von neuem los, wenn ich Bupropion absetze? Ich möchte es deshalb eigentlich direkt jetzt wagen, sonst dauert die Suche nach der richtigen Dosis womöglich noch länger. Termin bei der Ärztin ist am 16. Juni. Wir kennen uns lange und sie schätzt mich als gut recherchierende und verantwortungsbewusste Patientin. Wenn ich aus guten Gründen erwäge, dass ich Bupropion absetzen möchte, würde sie mitgehen, das weiß ich sicher. Ich will es also nur vorziehen, damit wir am 16. Juni Nägel mit Köpfen machen können. Es kostet mich stets einen halben Tag Anreise zur Praxis.
3.) Bupropion ist nicht teilbar. Wie schleicht man eine Retardkapsel aus? Alle zwei Tage nehmen und nach 2 Wochen weglassen? Und gibt es motivierende Erfahrungen (habe gehört, absetzen wäre hier einfacher als bei SSRIs)?
Vielen Dank für’s Lesen und eure Ideen. Und Pardon. Ich wollte mich kurz fassen. Aber in diesem Forum tummeln sich so einige, denen das auch immer nicht gelingt. Herrje…
Ist zwar ein NDRI und ein plötzlicher Abbruch könnte seltener als bei einem SSRI zu einem Absetzsyndrom führen, aber mit Unruhe oder depressiven Verstimmungen sollte man vielleicht trotzdem rechnen.
Ein langsames Ausschleichen erlaubt dem zentralen Nervensystem natürlich, sich schrittweise an die Veränderungen in der Hirnchemie anzupassen.
Bei der Vorgeschichte würde ich aber schon auch zunächst die Meinung vom Doc einholen.
Ansonsten vielleicht nach dem Taper-Schema (über 4 Wochen) absetzen. So z.B.:
Woche 1–2: 150 mg jeden zweiten Tag
Woche 3: 150 mg jeden dritten Tag
Woche 4: 150 mg einmalig wöchentlich
Absetzen
MPH:
Kommt drauf an, wie viel nicht-retardiertes MPH du aktuell in welchen Abständen einnimmst und dann natürlich auch, auf welches Retard Präparat umgestellt wird.
Bei Medikinet Adult / Ritalin Adult würdest du wohl zwei Tagesdosen benötigen, die 4 x nicht-retardiert ersetzen würden. Manche brauchen für die Tagesabdeckung 2 Kapseln in der gleichen Stärke. Anderen reicht als zweite Tagesdosis 1/3 oder 1/2 von morgens, um die Wirkung lediglich zu verlängern / zu erhalten.
Bei Concerta / Kinecteen würde es wahrscheinlich eine Tagesdosis werden, weil es bis zu 12h wirken könnte.
DANKE! Das Taper-Schema (bislang nicht gekannt) ist doch tatsächlich eine Idee. Und ja, sicherlich besser es mit der Doc zu besprechen. Nehme ich mir zu Herzen. Habe mich hier natürlich schon ausführlichst mit Medikamentenlisten und allen Generika-Namen und und und versorgt (als Nichtfrühstückerin also keinesfalls Medikinet adult) - dieses Forum ist ja wirklich der absolute Oberhammer und ne super Lernchance. Meine Frage mit „Zwei Wirkstärken“ zielte tatsächlich auf eine ggf. zyklusabhängige Dosierung. Aber ich beobachte noch ein bisschen und trage brav die Dosierungen ein. Heute (definitiv Eisprung) wirkten die 5 mg nicht mehr gut, alles war wieder krass laut draussen und ich impulsiv. Bin dann nach 2,5 Stunden hoch auf 7,5 mg und später noch auf 10 und es wunderbar. Vor drei Tagen empfand ich 10 wiederum als zu viel und war wieder zurückgegangen auf nur 7,5 und dann sogar 5 und fand es fein. Bin noch keinen ganzen Monat/ Zyklus dabei, es bleibt also spannend. Aber es waren in der Summe schon mal die entspanntesten drei Wochen seit ich denken kann. Unfassbar. Möchte anderen unbedingt Mut machen…
Da ich gestern ein neues SSRI verschrieben bekam (und vorher schon recherchiert hatte), kam ich an einer spannenden Website von unseren Nachbarn vorbei.
Da die Tabelle u.a. auf Infos aus dem Buch „Stahl’s essential psychopharmacology: Neuroscientific basis and practical applications (4th ed.). Cambridge University“ basiert, das ich habe und da entsprechend nachlesen kann, traue ich ihr.
Da gehts zwar um‘s Switchen von einem zu einem anderen Antidepressivum, aber die Idee solch einer Tabelle ist toll.
Mir wurde z.B. empfohlen, das Sertralin eine Woche zu halbieren, dann eine Woche ganz auszulassen… und dann erst mit Escitalopram zu beginnen.
Nach eigener Recherche wird in diesem speziellen Fall jedoch die Cross-Tapering Methode empfohlen, um Absetzerscheinungen vorzubeugen.
Und so mache ich es jetzt auch
Bei Bupropion als Noradrenalin-Hemmer sollte es beim plötzlichen Absetzen aber deutlich weniger Probleme geben.
Als ich von Bupropion auf Sertralin umgestiegen bin, gabs auch keine sonderlichen Probleme.
Vielleicht geht mit dem plötzlichen Auslassen von Bupropion der Antrieb etwas zurück, aber in einem Pharmakotherapie Schinken (Buch) wird auch nichts von Ausschleichen erwähnt. Es gilt generell eher als nebenwirkungsarm.
Ich danke euch für eure Antworten. Habe jetzt beschlossen, auf Bupropion alle 2 Tage zu gehen und quasi mit „begonnenem Ausschleichen“ bei meiner Ärztin vorstellig zu werden dann Mitte Juni, das finde ich verantwortbar (auch aus dem Grund, dass sich die Mundtrockenheits-Nebenwirkungen gefühlt etwas addieren von Bupropion und MPH, das ist eher doof. Heute, ohne Bupro, scheint es schon beherrschbarer. Aber wir wissen ja auch alle, was Placebo ist. Gut möglich auch, dass die leichten Nebenwirkungen von MPH jetzt einfach nachlassen. Bin happy! War es von Anfang an.)
Ist es eigentlich gewünscht, hier im Forum paar Wochen später noch mal zu schreiben wie es gelaufen ist, quasi als Erfahrungsschatz für Mitleser*innen, oder pumpt das die Sache hier nur unnötig auf? Bin da unerfahren, da sonst keine Forums-Nutzerin.
Hello again! Gute Nachrichten: Bupropion ist Geschichte und das Ausschleichen/ Absetzen (schneller als geplant, natürlich…) ging gut. Musste mich etwas daran gewöhnen, dass mein Antrieb etwas geringer ist. Oder sagen wir: Dank MPH kehrt eh Ruhe in mein Leben ein und ich bin jetzt manchmal (positiv) faul. Keine Pausen machen können war ein Lebensthema, also alles gut. Job läuft bestens ;-). Mundtrockenheit ist im Wesentlichen weg und die Hauptwirkung von MPH konsequent da: KEINE WUTAUSBRÜCHE MEHR, Emotionen regulierbar und am Ende des Tages irgendwie mehr Energie, weil der Tag nicht so anstrengend war. Teilzeit-Schussel bleibe ich, weil ich (glaub ich) auch am unteren Ende der Dosis bin und aber auch sein möchte, weil meine Kreativität ein wichtiges Mittel im Job ist, will nicht zu sehr geradeaus denken. Habe ja gute Kompensationstrategien im Laufe des Lebens erlernt, die mich im Wesentlichen retten. MPH dosiere ich tatsächlich je nach Zyklus, zwischen 5 mg alle 2,5 h (unretardiert) in der ersten Hälfte des Zyklus und bis zu 10 mg eine Woche vor und noch kurz während der Periode. Bin am Umsteigen auf ein Langzeit-Retard (meine tolle Ärztin hat mir verschiedene Dosisstärken verschrieben und auch unretardiertes zum Zufüttern morgens/abends, ich darf wirklich verantwortungsvoll weiter probieren, bin im dritten Monat der Medikation). Zur WIrkungsweise habe ich eine Frage, ggf. gehört sie aber an eine andere Stelle. Ich mache hier einen Absatz und formuliere meine Gedanken, ggf. könnte ja eine erfahrener Forum-Nutzerin meinen Beitrag an die richtige Stelle kopieren? Tausend Dank.
Frage: Mir ist eine Sache unklar. Wie ist die Retardierung von Langzeitformulierungen (im konkreten Fall MPH mit verzögerter Wirkstofffreisetzung von AL, 18 bzw. 27 mg) ausgerechnet? Laut Hersteller zum Bsp. ja 3 x 5 mg = 18 mg. Und soll über 10 Stunden oder so halten. Da ich genau weiß, dass ich üblicherweise nach 2,5 h unretardiert nachnehme weil sonst Rebound kommt ist mir völlig klar, dass mein Medikament nicht über 10 Stunden halten KANN. NUR: Kann es sein, dass es so gebaut ist, dass es nach ca 3 Stunden erst wieder freisetzt? Spüre ich deshalb ab und zu Wirklöcher (Spüre ich nämlich)? Oder setzte es kontinuierlich frei und mein Körper zieht, was er braucht und deshalb ist nach gut 7 Stunden Ende. Und ich spüre trotzdem Wirklöcher weil jeder Tag verschiedene Anforderungen hat, Essen auch unterschiedlich usw. und die Freisetzung eben unregelmäßig ist. Mir ist die Logik nicht begreiflich. Wie können denn Hersteller Zeitangaben machen, wenn doch jeder Stoffwechsel verschieden ist? Bzw. wie kann ich behaupten, nach 7 Stunden ist Ende, wenn doch auf viel länger angelegt ist von Pharmaseite? Ich fürchte, ich drücke mich unklar aus. Wahrscheinlich nimmt man einfach in Kauf, dass es „irgendwie halbwegs ok ist“ (aber mit Wecker und unretardierten Pillen ungleich konsequenter?). Werde natürlich in der nächsten Runde ein anderes Concerta-Generika probieren. Oder ist 2 x ein Halbtagsretard u.U. planbarer? Aber auch da gibt’s ja zwei Wirkphasen und wer garantiert, dass die zweite nach den zu mir passenden 2,5 Stunden beginnt?
Entschuldigt den langen Text. Und: DANKE für eure Erfahrungen.
… ich sage erstmal herzlich Danke. Es ist toll, dass in diesem Forum so geholfen wird. Ich lese ja unglaublich viel auch (ist das Thema ADHS eigentlich magnetisch?), aber manchmal ist ein Knoten im Kopf. Und zum Lernweg gehört auch, dass jetzt mit Medis nicht alles eitel Sonnenschein ist…
wenn du Wirklöcher spürst, dann gibt es sie. Und wenn du das Gefühl hast, nach 7 Stunden hört es auf, dann ist es so. Es ist umgekehrt - würde Concerta/Kinecteen/AL tatsächlich 10 Stunden wirken, wäre es verwunderlich.
Ich finde schon, dass es planbarer ist. Die längeren Retardkapseln wurden ursprünglich für Schulkinder gemacht, die in der Schule nicht rechtzeitig nachnehmen könnten. Wir Erwachsene können das, und eine Kapsel reicht ohnehin nicht für den ganzen Tag.
Ich nehme morgens Medikinet Adult, mittags Ritalin Adult und abends unretardiertes Methylphenidat. Lücken bemerke ich nicht (mein großer Sohn, der einen noch schnelleren Stoffwechsel hat, allerdings leider schon so für 15 bis 30 Minuten).
Nach 4,5 Stunden (Medikinet Adult) bzw. 5,25 Stunden (Ritalin Adult) muss ich spätestens nachnehmen. Könnte bei dir auch kürzer oder auch länger sein, aber lass dir nichts von 8 Stunden erzählen.
Übrigens bestehe ich bei Ritalin Adult auf das Original, obwohl ich mehr zuzahlen muss, nachdem ich mit MPH von Ratiopharm eine schlechte Erfahrung gemacht habe, der Unterschied war sehr deutlich. (Bei unretardiertem MPH nehme ich auch Generika.)