Diagnose ohne Beitrag der Eltern?

Hallo Maiko,

du hast ja schon ein paar Antworten von den erfahreneren Forumsmitgliedern bekommen.
Ich wollte dir nur sagen, dass du nicht alleine bist mit Problemen bei der Fremdbeurteilung. Ich hätte zwar Zugang zu meinen Eltern, aber will mit ihnen einfach nicht darüber reden und sie sind auch eher der Typ „alles schönreden“. Also gehe ich ohne Fremdbeurteilung der Eltern zur Diagnostik.
(Mein Partner hat den Bogen zwar ausgefüllt, aber er schätzt mich in Vielem ganz anders ein, als ich mich selbst. Mal sehen, wie das bewertet wird.)

LG

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Ihr lieben alle miteinander, wegen euren Geschichten wegen der Diagnostik kann ich auch noch was dazu beitragen.

Also ich habe ja praktisch erst mal fast ohne Punkt und Komma gelabert, halt so Wasserfallmässig, aber das erste was zum Beispiel am ersten Tag war als ich in die Praxis kam war das ich einen kleinen antiken Tisch ins Visier nahm, der Tisch hatte mir einfach auf Anhieb so gut gefallen das ich sogar gefragt habe wo sie den Tisch gekauft hätte.

Jedenfalls habe ich ihn von oben bis unten beäugt um zu sehen ob er aus Ectholz oder Furnier ist und solche Sachen, und er war tatsächlich aus Echtholz, war wirklich ein schönes Stück, sagte ihr dann auch das sie einen guten Geschmack hätte, was man auch am Rest der Einrichtung sehen könnte.

Jedenfalls hatte sie sich dann einen Kaffee geholt und ich habe sie dann ganz ungeniert gefragt ob ich auch einen haben könnte, woraufhin sie mir dann sogar extra schnell eine Tasse Kaffee holte, meinte aber das das eine Ausnahme sei, dass ich beim nächsten mal meinen Kaffe zuhause trinken solle, ich natürlich nicht lamentiert und okay gesagt und dann eigentlich sofort ziemlich viel zu erzählen gehabt und spontan weitergelabert, habe sie auch oft im Satz unterbrochen und so.

Natürlich auch immer dadurch unterbrochen das ich was nicht richtig verstanden habe, Sorry aber das ist einfach normal bei mir, also dann wurde eine Frage halt noch mal gestellt oder erklärt bis ich sie richtig verstanden hatte, oder ich halt auch richtig zugehört hatte, was ich ja auch nicht immer kann, besonders weil von draussen her Baulärm und das rattern und bimmeln von Strassenbahnen zu hören war.

Aber man musste das Fenster ja offen lassen weil es sonst drinnen zu heiss war, und jedenfalls war die erste Sitzung dann ruck zuck um, dass Fragebögen ausfüllen und solche Logig und IQ Tests und solcher Kram, war jedenfalls ein Haufen Zeugs was ich da alles machen musste, weiss nur nicht mehr was da alles im einzelnen so dabei war, kam dann erst später.

Und wie gesagt Schulzeugnisse, Angaben von Familie, Partner, Freunden ect. das war freiwillig, konnte man mitbringen wenn man wollte, „musste“ das aber nicht, weil wie gesagt nicht jeder sowas abliefern kann.

Zum Beispiel ist ja nicht jeder* verheiratet oder in einer Partnerschaft, wie soll denn ein Single einen Partner Fragebogen ausfüllen lassen?.

Auch hat nicht jeder Mensch Freunde sondern lebt vielleicht sehr einsam oder allein, also wie bitte sollen da Freunde einen Fragebogen für einen ausfüllen können?.

Und alte Grundschulzeugnisse hebt auch nicht jeder* auf sondern hat diese vielleicht schon lange weggeschmissen.

Und Fragebögen von den Eltern ausfüllen zu lassen geht entweder nicht weil die nicht mehr leben, oder weil das Verhältnis zu den Eltern nicht gerade das beste ist, vielleicht sogar der Kontakt abgebrochen ist, was weiss ich, oder weil man auch schlicht und einfach nicht will das man sich als erwachsener Mensch noch irgendwas von seinen Eltern ausfüllen lassen soll oder muss.

Jedenfalls war das alles weder bei meiner Psychiaterin noch bei meiner Psychologin ein Problem, und das sind wirklich beide sehr kompetente Fachpersonen, und jedenfalls sollte ja auch zwischen Arzt* oder Psychologe* und Patient ein Vertrauensverhältnis herrschen.

Also einfach nicht verunsichern lassen und von Anfang an klarstellen wie das bei einem selbst ist, ob man überhaupt „was bringen kann“, und wenn dann „was“ und „was“ nicht, und sich auf gar keinen Fall einschüchtern lassen, falls jemand das dann nicht kapiert warum man Sachen vielleicht nicht hat oder bringen kann, dann würde ich mir sowieso jemand anderes suchen, bis ich jemand gefunden habe, der* solche Sachen kapiert, wo man das nicht noch lange erklären muss.

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Hallo zusammen,

erstmal vielen, vielen Dank für eure ganzen Antworten!

Mich beruhigt schonmal sehr, dass viele von euch ebenfalls weder Zeugnisse oder Fremdbewertungen brauchten / hatten. Heute hat die Psychologin mir auch geantwortet, dass es auch mit meinem Vater ginge (obwohl der eben keinen Alltag mit mir hatte. Allerdings ist der Running Gag bei uns, dass jedes mal, wenn ich ihn besuchte, erstmal Chaos ausbrach, weil ich mich mit meinem Kram in der ganzen Wohnung verteilte).

Heute habe ich meine Grundschule angerufen… die Zeugnisse gehen wohl an die weiterführende Schule, da werde ich mein Glück versuchen. Aber die Sekretärin war unfassbar nett und meinte, wenn ich keinen Erfolg habe, versucht sie zumindest das Zeugnis der 4. Klasse aufzutreiben (gibt wohl ein Archiv seit 2000).

So geht es mir zeitweise auch. Ich schaffe mit 32 einfach keine Vollzeit-Arbeit. Ironischerweise denken viele Bekannte, Kollegen etc. von mir, dass ich total organisiert und diszipliniert bin. In der Schule war ich bis zum Schluss das wandelnde Chaos. Ich bin die Königin der Flüchtigkeitsfehler. Ich weiß noch genau, dass ich ab der 7. Klasse ständig nachsitzen musste, weil ich nie die Hausaufgaben hatte oder Arbeitsmaterialen vergessen habe. Oder zu spät gekommen bin. Die erste Ausbildung habe ich nur deswegen einigermaßen gut abgeschlossen, weil mich das Thema wirklich interessiert hat. Ich hab dann eher einen „steilen“ Karriereweg gemacht, sogar noch studiert… das wollte ich unbedingt. Allen zeigen, dass ich nicht so dumm bin, wie mir oft gesagt wurde. Tatsächlich habe ich das Studium mit Auszeichnung abgeschlossen - und dafür aus lauter Angst vor dem Scheitern eine furchtbare Zeit hinter mir. Aus Angst wieder alles zu vergessen habe ich so rigide Strukturen aufgebaut, dass ich sowohl in eine Zwangs- als auch Esstörung gerutscht bin. Meinen Abschluss (in Regelstudienzeit) habe ich nicht mal gefeiert. Es fühlte sich nicht verdient an (eigene Erfolge kann ich gar nicht annehmen) und ich war nur froh, dass dieser Horrortrip vorbei ist. Aus lauter Überforderung war ich Zuhause so ein Chaos und teilweise so impulsiv und aggressiv, dass es mich fast meine Beziehung gekostet hätte.

Das tue ich seit vorgestern und habe bereits 2 A4 Seiten voll… Dabei fällt mir auf, dass ich im Arbeitskontext sehr gut „Gute Miene zum bösen Spiel“ machen kann und Zuhause dann die Mauer bröckelt. Es ist so anstrengend. Mein Freund ist ein Heiliger, ehrlich. Er nennt mich liebevoll seinen Tornado, aber ich weiß, dass ich ihn ganz schön anstrenge. Er hat oft das Gefühl, dass ich an unserem gemeinsamen Leben nicht teilnehme, weil ich einfach oft nicht da bin. Geistig nicht anwesend, in meinem Kopf. Wenn er den Haushalt nicht zu 80% übernehmen würde, wäre hier Chaos (mein Kinderzimmer sowie erste eigene Wohnung lassen grüßen). Ständig vergesse ich gemeinsame Verpflichtungen und es fällt mir unendlich schwer, ihm wirklich zuzuhören. Ich sehe ihn an, ich WILL hören was er sagt, aber es ist wie ein Rauschen. Dabei möchte ich so gerne mehr an seinem Leben teilhaben. :frowning:

Das ist schon für Selbstzahler… eine andere Praxis macht die Diagnose für Selbstzahler online, da kann ich aber auch erst im Mai wieder anfragen. Dann könnte es aber im Lauf von 12 Wochen klappen. Über 500€ sind es bei beiden Praxen. Und da kommt dann doch bei mir die große Angst auf, dass ich mir das ganze nur einrede oder einbilde.

Ich würde es wahrscheinlich extrem ordentlich machen, allerdings wären das 20 Anläufe, weil es dann doch immer nicht gut genug ist… Ich kann mich in sowas völlig reinsteigern. Auf der Arbeit brauche ich für E-Mails auch gefühlte 100 Jahre, ich bin vor dem Absenden oft wie gelähmt. Hole in der Regel auch viel zu weit aus… :weary:

Ja ich glaube, die Beurteilung meines Partners wird nicht unwichtig sein… der versucht ja immerhin seit 14 Jahren Ordnung ins Chaos zu kriegen. :sweat_smile:

Das kann ich sehr gut nachfühlen. Wieso bin ich nicht einfach normal? Die Frage stelle ich mir schon ewig.

Das liegt mir zum Glück sehr, dank jahrelanger Therapieerfahrung.

Ja, wieder. Nachdem ich im Studium eine Zwangsstörung entwickelt habe.

Das mit dem vielen Reden war bei mir ganz heftig, seit ich ca. 11 gewesen bin. So schnell und so viel, dass ich ständig deswegen angeschnauzt wurde - das hat mich oft so beschämt, dass ich dann gar nichts mehr sagen wollte. Tatsächlich kann ich mich mittlerweile in gewissen Kontexten zusammenreißen, aber oft fehlt mir der Filter dann doch noch (wenn ich müde, aufgeregt oder unter Freunden bin). Und ich kann es einfach kaum aushalten, Menschen ausreden zu lassen. Egal wie sehr ich es versuche (auf der Arbeit beiße ich mir fast die Zunge ab, Zuhause gibts deswegen oft Streit), es fällt mir so schwer. Entweder ich setze ständig an oder ich schweife gedanklich dann ab und bekomme eigentlich gar nicht mehr mit, was der andere erzählt… Ich bin mittlerweile sehr geschickt darin, so zu tun als ob ich wüsste, wovon der andere redet.

Schlussendlich habe ich Angst, dass ich mir das Ganze einbilde, weil ich mein Leben derzeit ganz gut hinbekomme - aber auch nur, weil ich mir so heftige äußere Strukturen geschaffen habe, dass ich mich in diesen relativ sicher bewegen kann. Ich habe jeden Tag große Angst irgendwo wieder „lockerer“ zu werden, weil ich befürchte, dass mir dann alles wieder aus den Fingern gleitet. Eine Beobachtung von mir ist auch, dass ich nach Beginn einer Verhaltenstherapie nach dem Studium in einigen Bereichen wieder entspannen konnte und dann ziemlich parallel das Chaos wieder deutlich mehr eingezogen ist… das führt natürlich dazu, dass ich die Zügel wieder anziehe, weil ich natürlich nicht möchte, dass andere Menschen (außer mein Freund) merken, was da eigentlich für eine Anstrengung hinter steckt, mein Leben geregelt wirken zu lassen.

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Liebe @Maiko90 mache Dir jetzt bloss nicht zu viele Sorgen, und ganz ehrlich, für mich tönt das wie Du Dich weiter oben selbst beschrieben hast, wirklich schon sehr nach Adhs. :heart:

Das ist der Kern von ADHS: bei entsprechend großem intrinsischen Interesse ist die Motivation da. Und Aufmerksamkeit folgt Motivation.
ADHS ist, dass man dass die Motivation bei weniger Interesse nicht ausreicht.

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Bei all dem was du hier so erzählst?
Möglich. Aber eher unwahrscheinlich.

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solche Aussagen wie die die ihr hier schreibt, und das ich mich bei ziemlich vielen wiederfinde, gibt mir hoffnung , das meine alte adhs diagnose von damals als Kind, doch richtig ist und ich mir das alles nicht einbilde :smiley:
ich könnte tatsächlich auch keinen Beitrag der Eltern einfordern, da diese bereits nicht mehr sind, und die mich damals zu Kliniken geschleppt haben um das nachzuprüfen.

Oh ja, das kenne ich leider nur zu gut.

Ein Zweizeiler an einen Kollegen dauert keine Ahnung wie lange. Auch weil ich es mittlerweile versuche zu vermeiden (was aber logischerweise normalerweise nicht geht).
Bei Mails an meinen Chef ist es noch schlimmer…

Ich glaube dass viele von uns genau das gleiche gefühlt haben oder teilweise immer noch fühlen.

Obwohl ich mittlerweile weiß dass ich teilweise einfach nicht anders kann, fühlt es sich für mich einfach nur an als ob ich zu faul / zu blöd / zu whatever wäre…
(Bspw: warum kann ich nicht wie andere auch in 3, 4, 5 läden hintereinander gehen? Warum packe ich dieses oder jenes nicht…
Diese Zweifel können leider ordentlich zusetzen. Denn niemand straft uns so sehr wie wir uns selbst.)

Das ist sehr gut!
Echt Klasse :wink:

Das mit dem Chaos kommt mir leider auch zu bekannt vor…
Das einzige wo ich wirklich zuverlässig Ordnung und Struktur halten kann, ist beim Arbeiten.
Aber das ist eher der Tätigkeit geschuldet…
Ohne Ordnung und Struktur funktioniert da leider gar nichts…

Damit bringst du es interessanterweise genau auf den Punkt wie es mir sehr oft ohne wirkpegel geht.

Ich versuche zuzuhören, bin jedoch nicht in der Lage irgendetwas davon großartig aufzunehmen und zu verarbeiten.

Mit Medikamenten klappt es oftmals deutlich besser. Jedoch gibt es ja auch die Zeit ohne, welche dann deutlich anfälliger ist für Streits aufgrund mangelnder aufnahmefähig und so…

Naja, ich drücke dir ganz fest die Daumen dass du sehr bald getestet wirst.
Gehe echt davon aus dass du positiv bist bei dem was du bisher so schreibst :wink:

Liebe Maiko,

herzlich willkommen bei uns!

Nein, du bist ganz sicher nicht die Einzige. ADHS-Familien sind keine Musterfamilien, und selbst bei denen verschwimmt die Erinnerung nach einigen Jahrzehnten.

Die Entscheidung, sich psychiatrisch behandeln zu lassen, ist außerdem natürlich sehr privat, und die ob man (als Erwachsene/r) seinen Eltern davon etwas sagt, erst recht. Auch wenn das Verhältnis gut ist, hat man das Recht, es für sich zu behalten.

Ich war 37, meine Mutter war 70. Ich war 15 Jahre vorher ausgezogen und hatte längst eine eigene Familie. Dann hinfahren und ihr sagen dass man bei sich eine Störung vermutet und ihr einen Fragebogen über die eigene Kindheit unter die Nase halten - nee oder?

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Hallo liebe Community,

nun ist es tatsächlich schon Anfang Juli soweit - ich habe einen Termin zur Diagnostik. Allerdings läuft das Ganze über Zoom. Ich muss vorher Fragebögen ausfüllen und einen Test machen, dann dauert der Termin um die 135min. Was ich sehr gut finde ist, das ich einen Fremdbewertungsbogen bekomme habe, den mein Partner ausfüllen kann.

Seit ich den Termin habe zweifle ich wieder stark, ob ich mir das Ganze nicht einbilde, dass die mir bestimmt sagen ich spinne und was ich da will. Solche Anlässe, bei denen ich von außen bewertet werde (Hausarbeiten und Klausuren an der Uni bzw.) machen mich allerdings vorher grundsätzlich fix und fertig, über ein normales Maß hinaus, wie mir Freundinnen schon gespiegelt haben. Das Schreiben meiner Bachelorarbeit war der Horror und noch viel Schlimmer die Zeit bis zu meiner Note. Ich war ein reines Nervenbündel. So oft wie meine wurde wohl keine Abschlussarbeit gegengelesen…

Ich habe nun viele Dinge aufgeschrieben sowohl aus der Kindheit als auch Aktuelles, die ggf. auf ADHS hinweisen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich vor allem im Privatleben nicht „funktioniere“. Es ist, als würde ich alles, was ich in mir habe in Bezug auf Organisation, Zuhören, andere aussprechen lassen, Prioritäten setzen etc. auf der Arbeit aufbrauche. Dort wird mir gespiegelt wie ruhig, klar und organisiert ich wirke. Und Zuhause bricht dann das Chaos aus. Das ist so anstrengend… :frowning:

Ich bin wirklich gespannt was im Juli dabei herum kommt.

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Moin @Maiko90

Das ist durchaus nicht ungewöhnlich.
Auf einmal kommen wieder Selbstzweifel und dass das alles ja gar nicht so schlimm sei und dass es anderen ja MINDESTENS genauso gehe, wenn nicht deutlich schlimmer…

Meine Empfehlung:
Zieh den Test durch!

Du wirst es, wenn du den doch noch kippen solltest, definitiv bereuen.

Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen für deinen Termin :slight_smile:

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Also gut organisieren können, Ordnung lieben etc können ADHSler sich mit viel Willen und Disziplin aneignen. Nur frisst das eben die Energie komplett auf und irgendwann geht’s nicht mehr.

Grade Frauen entwickeln einen fast schon an Zwanghaftigkeit erinnernde Perfektionismus . Das ist durchaus auch ein Diagnostik-Kriterium bei Ärzten, die sich auskennen.

Ich war auch so eine… aber es hat mich irgendwann aufgefressen

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Uns ja diese Zweifel… Klar kennen die hier ganz ganz viele!

Ich selber denke es manchmal und immer wieder auch … :wink:

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