Diagnose - suche Austausch

Liebes Forum

Ich wurde 2022 mit ADHS diagnostiziert bei der Psychiaterin mittels Tests. Auslöser war: Ich habe oft meinen Schlüssel verloren, verlegt oder stecken lassen (Vespaschlüssel), vergesse Daten (Geburtstage von guten Freunden, trotz Erinnerung), mache alles auf den letzten Drücker. Mein Laptop ist chaotisch organisiert und ich lösche selten Mails… Aber trotzdem kriege ich meine Arbeit gebacken. Beim ADHS-Test kam raus, dass ich sehr intelligent bin und daher auch in der Schule gut durchgekommen bin. Ergebnis: “leichte” ADHS, was das auch immer heisst. Und ich Strategien habe, die funktionieren.
Aber da ich gehörlos bin, wurde vieles übersehen - man dachte einfach das ist so weil ich nicht höre. Bin in der Integration aufgewachsen. Dazu kommt, ich bin in Gruppensituationen ruhig. Wobei ich nicht aufpasse (bei Vorträgen etc. manchmal bin ich abgelenkt, ausser ich finde das Thema super interessant). Ruhig sitzen auf einem Stuhl mache ich nicht, meine Beine sind oft im Schneidersitz, auf dem Stuhl…. Ich hasse es zu lange Blickkontakt zu haben, obwohl ich gehörlos bin und dies brauche. Auch ist es so, ich auf Kritik seeehr empfindlich reagiere. Da geht eine Welt unter für mich.

Ich zweifle manchmal an der Diagnose. Habe ich wirklich ADHS? Oder bin ich einfach unorganisiert???
Ich scheine gut zu “funktionieren”. Ich arbeite als Lehrerin, schaffe meinen Workload zu machen (obwohl ichs oft auf den letzten Drücker mache), aber zu Hause putzen habe ich oft keine Lust, Ordnung geht bei mir mit einem System (Marie Kondo) - muss es direkt machen, dann gehts. Nur im Moment haperts. Ich bin bald 41. Meine Strategien funktionieren momentan nicht wirklich super. Kennt das wer? Liegt das an der Perimenopause?

Mein Hauptproblem derzeit ist dass ich regelmässig am Freitag (ich habe jeweils freitags frei) wirklich k.o. bin von der Woche - ich mache dann nix. Ich prokrastiniere. Ich bin zu viel am Handy. Ich kann stuuuuundenlang scrollen. TV gucken. Schaue eine Episode. Unterbreche. Gucke wieder aufs Handy… So kann meine Freizeit problemlos aussehen. Am Wochenende dasselbe. Ich prokrastiniere. Mache nutzlose Dinge. Habe ich mal abgemacht, komme ich zu spät. Ich könnte mal nach draussen gehen, spazieren gehen, was zu machen - ich kann mich einfach nicht dazu aufraffen. Aber wenn ich mal draussen bin, gehts. Depressionen? Keine Ahnung. Kennt das jemand von euch?

Ich war heute bei der Psychiaterin. Sie hat mir empfohlen, Medikamente zu nehmen - Elvanse und mit 20g zu starten. Ich frag mich aber ob ich wirklich ADHS habe - hats eine andere Wirkung auf nicht ADHSler? Ich habe bisschen Schiss vor der Medikation. Gemäss Psychiaterin wäre es mal eine gute Idee damit ich mehr Motivation, auch für das Sozialleben und Konzentration erhalten würde….

Danke für das Lesen - musste es mal loswerden :).

Liebe Grüsse!

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Hallo @Sansiveria und herzlich willkommen,

ich kann dich beruhigen - falls es das ist, was du befürchtest - Stimulanzien haben keine potenziell schlimmeren Nebenwirkungen bei (irrtümlich positiv diagnostizierten) Nicht-ADHS-lerinnen.

Nur die erwünschte Wirkung würde wohl natürlich ausbleiben. (Umgekehrt ist eine zunächst ausbleibende Wirkung aber kein Gegenbeweis.)

Daher, probiere es ruhig aus, du hast viel zu gewinnen und nichts zu verlieren.

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Liebe Sansiveria,

Du verlegst Sachen, vergisst selbst wichtige Termine, brauchst Termindruck (sind das langweilige oder unterfordernde Sachen). Hohe Intelligenz hilft auch unbewusst beim Maskieren und bei Strategieentwicklung. Du bist körperlich unruhig.

Viele deiner Symptome treten nicht auf, wenn du funktionieren musst oder dich etwas sehr interessiert. Und kannst mit Kritik nicht (angemessen) umgehen.

Ich würde das als ADHS-typisch bezeichnen. Ablenkung, Themenwechel ko mdn auch vor. Der einzige Unterschied ist, dass du über den auditiven Kanal keine verwirrenden Störsignale erhältst.

Wenn du kein ADHS hast,wirst du für ein paar Stunden etwas munterer. Mit ADHS etwas ruhiger. Probieren geht über studieren. Vie Erfolg

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Mach doch mal den Symptomtest auf adxs.org, vielleicht gibt dir das etwas mehr Sicherheit:

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Liebe Sansiveria,

danke, dass du dein Erlebtes hier teilst. Ich kann deine Sorgen bezüglich der Medikation gut nachvollziehen - ich selbst setze mich auch gerade damit auseinander & bin mir noch unsicher. Genaueres kann ich dir leider nicht sagen, aber du hast ja schon liebe Antworten dazu erhalten.

Ich wollte gern auf deine anderen Punkte eingehen:

Meine ADHS-Diagnose ist recht frisch und manchmal frage ich mich auch: Ist das wirklich ADHS? Oder typisch CODA?

Ich bin selbst (hörende) CODA und habe den Eindruck, dass man als Mitglied der Gehörlosen-Community sehr stark beigebracht bekam sich der hörenden Mehrheitsgesellschaft anpassen zu müssen. Auch als hörendes Kind. Daher finde ich die Differenzierung zwischen „was ist typisch ADHS“ und was ist „typisch gehörlos/CODA“ schwierig… im Grunde „maskiert“ man fast immer. Hauptsache nicht auffallen, Hauptsache angepasst. So ging es mir richtig lange.

Am Ende ist die Unterscheidung vielleicht gar nicht soooo wichtig, da der Outcome derselbe ist - also (mehr oder weniger funktionierende) Strategien, die es uns erleichtern, uns in einer Mehrheitsgesellschaft zurechtzufinden. Aber das ist verdammt anstrengend!

Meine Mama hat ganz starke Züge von ADHS, die in den letzten Jahren krass zugenommen haben, seit mein Papa verstorben ist. Gleiches gilt für mich auch. Habe ich erst rückblickend erkennen können. Daher haben seither auch die Strategien nicht mehr gegriffen, die ich so lange genutzt habe.

Ich bin auch Lehrerin, 35 Jahre alt, aber mir geht es auch so wie dir. Ich habe 1 freien Tag, und an dem mache ich eigentlich nichts… Ich habe das Glück seit meiner Kindheit Basketball zu spielen - hätte ich mein Team nicht, den Verein und die Community sowie das Commitment, immer im Training zu erscheinen und am Wochenende Ligaspiele auszutragen, könnte ich es mir ähnlich vorstellen wie bei dir. Gerade bin ich verletzt und hänge eigentlich nur an der PlayStation…

Mit meiner Therapeutin (kognitive Verhaltenstherapie) arbeite ich daran zu erkennen, was meine Energiegeber und meine Energienehmer (oder gar Räuber) sind. Dadurch habe ich schon ein bisschen was herausfinden können, was mir in solchen prokrastinierenden, nahezu depressiv anmutenden Momenten/Phasen hilft.

Mir hilft dann manchmal malen mit Acryl oder Aquarell. Also Farbe, mit denen ich mir die Hände schmutzig machen kann. Und wenn ich keine Ideen habe, dann gibt es auch richtig schöne Motive für „Malen nach Zahlen“ von einer Firma, da hat man dann am Ende ein richtig hübsches Kunstwerk! Das lädt meinen Speicher auf und dann bekomme ich mehr Lust auch rauszugehen und aktiver zu werden. Kreuzworträtsel helfen auch bei mir, außerdem die Beschäftigung mit Pflanzen - Umtopfen, einpflanzen, in Erde herummatschen.

Vielleicht ist da eine Idee für dich dabei?

Long story short: Wenn Medikation dir helfen kann, deinen Leidensdruck zu verringern, würde ich es ausprobieren. Die Akzeptanz der Diagnose braucht vielleicht noch etwas Zeit.

Hast du darüber nachgedacht, ob du vielleicht auch eine Therapie in Anspruch nehmen wollen würdest? DGS-Kompetenz ist ja leider sehr selten, aber vielleicht hast du Glück? Oder überlegen, ob es eine_n Dolmetscher_in gibt, der du zutrauen würdest dich in solchen persönlichen Situationen zu begleiten?

Ich wünsch dir alles Liebe!

Sabi

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Hi @Sansiveria :adxs_wink:

Was Du schreibst, liest sich sehr nach ADHS. Ich würde die Diagnose nicht anzweifeln.
Der Zeitpunkt für eine Verstärkung der Symptome ist für Frauen durchaus typisch. Damit bist Du nicht allein. Dein Körper braucht jede Menge Energie, um mit den Auswirkungen der Änderungen im Hormonhaushalt klar zu kommen. Da bleibt dann weniger (bis nix mehr), um die ADHS-Symptome zu kompensieren.

Versuche das Elvanse. Du wirst merken, ob es Dir hilft. Wenn Du es nicht versuchst, hilft es auf jeden Fall nicht. :adxs_zwinker:

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Such mal unter dem Stichwort „Dysphorie bei Inaktivität“.

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Danke für dein Feedback! Mal sehen wie es wird, schaden tuts ja nicht. Vielleicht verbessert sich dadurch was…

Danke dir. Ja das sind Punkte, welche für ADHS passend sind. Ich bin immer noch auf der Suche, bzw. auf dem Wege der Akzeptanz. Mal gucken, wie das wird. Bleibe auf jeden Fall dran.

Danke dir!

Hab den Test gemacht. Der war leider auch recht eindeutig :confused: .
Danke für deinen Tipp! :slight_smile:
Dysphorie bei Inaktivität! Das passt. Dass es einen Begriff dafür gibt. Passt wirklich wie die Faust aufs Auge… Hätte ich nicht gedacht!

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Liebe Sabi

Danke dir für deinen Text! Codas leben auch in zwei Welten, quasi!

Das ist absolut so - man maskiert. Als Frau erst recht, vor allem wild sein, reinschwatzen, etc. gehört sich nicht für ein Mädchen. So passt man sich an - wie du schon schön sagst: Nicht auffallen! Ich bin in der Integration aufgwachsen - wollte so sein wie die anderen. War aber dennoch anders aufgrund meiner Gehörlosigkeit - somit wollte ich nicht noch mehr auffallen. Aber was für ein Spagat… Es ist wirklich wahnsinnig anstrengend…. Und die Mehrheitsgesellschaft kommt einem leider auch nicht entgegen.

Dein Verein gibt dir Kraft - finde ich super! Ich habe aber auch so -bin ich verabredet oder hats was - dann bin ich wirklich abgelenkt oder mach was. Aber zu Hause. Denkste. Aufräumen? Pustekuchen. Meine Wohnung darf ich keinem zeigen :). Danke für deine Tipps, was ich machen kann. Habe mal Paintings gemacht, konnte mich da wirklich gut drauf einlassen - aber habs dann wieder sein lassen. Ich fang was an, machs kurze Zeit und dann lass ichs wieder sein. Bis jetzt habe ich noch nichts gefunden, was mich packt. Bin da noch auf der Suche nach dem was ich wirklich will. Wobei Malen mach ich eigentlich auch gern. Lesen mach ich sehr gern - liebe es. Aber mach es zu wenig. Wandern mach ich auch sehr gern… Aber das Rausgehen! Ich habe Sport geliebt, aber müsste mich wieder da reinfinden.

Ich bin derzeit in Therapie, meine Psychiaterin kann die Gebärdensprache. Da habe ich Glück. Sie hat mir eben gesagt, ich soll mal probieren. Wenns nicht klappt, dann sei es nicht schlimm. Sie meinte einfach vor allem weil ich grad vieles nicht mehr so im Griff habe wie sonst, wäre es eine Unterstützung…. Naja, ich bin aber kein Freund von Medikamenten… Auch die Akzeptanz der Diagnose, Gehörlosigkeit und Stress wegen der hörenden Welt - jedoch passen einige Dinge nicht dazu, meine Arbeitskolleg*innen haben diese Probelme, die ich habe, nicht… Daher liegts nicht nur dran. Ich liebe meine Arbeit, da möchte ich weiter bleiben… Nimmst du Medikamente?

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Liebe Sschusselflummi!

Das ist spannend. Hast du das so erlebt? Wie hat sich das bei dir geäussert, wenn man fragen darf? :slight_smile:

Keiner nimmt ein Medikament, weil er ein Freund von Medikamenten ist, wer ist das schon?

Ich glaube auch, die wenigsten Rollstuhlfahrer finden Rollstühle an sich super, sondern würden gerne selbst laufen. Aber wenn das leider nicht geht, ermöglicht der Rollstuhl die Teilnahme am Leben.

Ich nehme seit 2003 ADHS-Medikamente und die haben meine Erwartung übertroffen. Weil ich damals ein eingeschränktes Verständnis von ADHS hatte. Ich dachte eben, etwas mehr Struktur bei der Arbeit und weniger Vergesslichkeit und Ablenkbarkeit wären ganz schön. Aber ausgeglichener sein und weniger mit meiner Frau herumstreiten? Das kam als Gratiszugabe sozusagen.

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Liebe Sanseveria,

ich will nicht viel schreiben, nur dass ich Dich so gut verstehe und Dein Bericht sofort unterschreiben könnte. Mir ging es genauso wie Dir und mir hat Elvanse sehr geholfen. Genauso wie es Deine Psychiaterin gesagt hat. Man hat auf einem wieder die Motivation und fühlt dich gut. Probiere die 20mg mal aus. Und schreib mir, wie sie Dir bekommen. Würde ich mich sehr drüber freuen. :upside_down_face::oncoming_fist:

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Werd mich melden! Muss aber zuerst zum Hausarzt einige Untersuchungen über mich ergehen lassen - nächsten Mittwoch - erst dann krieg ich das Go zum Probieren :slight_smile:

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Liebe Sansiveria,

ich bin hochgradig hörgeschädigt, rechts an Taubheit grenzend, mach alles mit dem linken Ohr, was ebenfalls nur noch wenig hört (ohne HG). Ich bin seit meinem 1,5 Lebensjahr hörgeschädigt und daher Profi im Maskieren → Lächeln, nicken und hoffen, dass es keine Frage war…..

Ich bin heute 53 Jahre und habe die Diagnose ADHS seit einem halben Jahr.

Bis dahin dachte ich immer, dass das schlechte Hören mich so schlaucht und ich deswegen zu nix mehr Lust habe, furchtbar schnell genervt war im Gespräch - insbesondere in den letzten anderthalb Jahren.

Ein Schussel war ich schon immer, der Arbeitsspeicher im Hirn ist ja bei Hörgeschädigten, die noch hören können, dauerhaft am Limit.

Im Job präkrastiniere ich eher, da mich fast immer die Sorge, alles wieder zu vergessen, treibt. Leider nützt auch der freundliche Hinweis, Dinge aufzuschreiben, häufig nix, da ich selbst das vergesse……

Meine Leistungsfähigkeit ist so vor ca. 2 Jahren, mit Beginn der Pre-Menopause gen null gesunken und proportional dazu eine Depression gewachsen.

Mit dem Einsetzen der Pre-Menopause wurde meine Vergesslichkeit dann so arg, dass ich ernsthaft befürchtete, früh dement zu sein. Erst mein Hausarzt brachte mich auf die Diagnose ADHS, was mich erstaunte, bin ich doch sonst so gut organisiert, kann aufmerksam zuhören und habe den zweiten Vornamen “Pünktlich”! (Jaja, immer diese Klischees - ich weiss!!!)

Erst mit der Anamnese wurde mir so vieles bewusst, denn bis dahin dachte ich auch immer, dass das Mitkriegen sämtlicher Details einfach einen überhohen Aufmerksamkeit geschuldet ist, da ich ja schlecht höre. Und nach mehreren verlorenen Portemonnaies und weiss nicht viel Euros, die ich im Geldautomaten habe stecken lassen, habe ich sehr schnell und früh gelernt, mich zu organisieren.

Tatsächlich sind es fehlende Reizfilter, die jeden Firlefanz registrieren und genervt bin ich in Gesprächen, wenn der Inhalt selbiger laaaaaangweilig wird.

Ich nehme nun seit ungefähr 5 Monaten Elvanse, 30 mg und ich möchte die Medis nicht mehr missen. Stand am Anfang, ähnlich wie Du, dem Thema durchaus kritisch gegenüber, bin aber heute dankbar für das Abschirmen zu vieler Reize und das ich mit dem Medis einen winzigen Gap gefunden habe, der es mir (wieder) ermöglicht, mich daran zu erinnern, dass ich mich konzentrieren möchte. (Vergesslich bin trotzdem noch sehr häufig, arbeite aber auch noch an der Dosierung und mein Arbeitsspeicher arbeitet ja nach wie vor auf Hochtouren.).

Hier im ADHS Kompendium findest Du so viele Informationen, mir haben sie sehr weitergeholfen, die unterschiedlichen Symptome überhaupt erst oder anders einordnen zu können. Ich entdecke immer was Neues!

Ich drücke Dir fest die Daumen, auch für nächsten Mittwoch und Deinem weiteren Weg und ja, lass von Dir lesen, wie es Dir geht!

Herzliche Grüße

Ella

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