Hallo, wir sind seit einigen Monaten mit der Dosierung meines Zehnjährigen Kindes unzufrieden.
Wir probieren uns rauf und runter, kommen aber zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Bis Mitte letzten Jahres gab es Medikinet 30 mg.
Die Wirkung war für die Schule gut, aber nach einem Jahr stellte sich am Nachmittag bzw. Abend dann ein heftiger Rebound ein.
Also wurde zu Equasym gewechselt - das flutete schön an und hinten raus besser ab.
Mit länger werdendem Schultag und zunehmender Hausaufgabenmenge reichte das aber auch nicht mehr von der Wirkdauer her. Von 8 Stunden können wir nur träumen es sind eher 6. Der Stoffwechsel war ohnehin schon immer brutal, kein Gramm Fett an dem Kind. Damals wurde auch mal von 30 auf 40 mg Equasym eigenmächtig von mir hochdosiert, was aber auch nicht besser war.
Und so nimmt er seit einigen Wochen Kinecteen. Verordnet wurden zunächst 27 mg und ein 5 mg Starter. Irgendwann hat aber auch der Starter nicht mehr gereicht und wir haben die 5 mg auch noch mal mittags für die Hausaufgaben dazugegeben. Im Endeeffekt hatte er also 37 mg.
Aber auch das hat einfach zeitlich am Mittag einen zu starken Abfall, bzw merke ich an 14 Uhr nichts mehr davon.
Wir haben die Ärztin also erneut um eine höhere Dosis gebeten, wohlwissend, dass das mit seinem Gewicht von knapp 30 kg etwas kritisch ist…
Ich bin mir aber durchaus darüber im Klaren, dass der Richtwert von 1 kg/1 mg nicht mehr zeitgemäß ist und Dosierungen nach Bedarf und nicht nach Gewicht gehen sollten. Auch habe ich mir gestern Abend die ganze S3 Leitlinie angetan und nirgends eine Referenz gefunden, dass dieser Zusammenhang noch zeitgemäß ist.
Was ich aber sehr wohl gefunden habe, sind diverse Äquivalenztabellen sowie auch die von Dr. Kühle aus Gießen. Demnach wäre bereits im letzten Sommer sein Äquivalent von 30 mg Medikinet, 50 mg Equasym gewesen und jetzt 56 mg Kinecteen!
vor 2 Wochen hat er von der Ärztin 36mg kinecteen aufgeschrieben bekommen, aber die 2x unretadierten 5mg mussten wir dann weglassen. Im Endeffekt also nochmal 1mg weniger am Tag.
Ich bin natürlich auch eher für niedrige Dosen und nicht mehr als notwendig, aber wir quälen uns jetzt schon locker seit September! Nächsten Mittwoch habe ich noch mal einen Termin bei der Ärztin deswegen und ich möchte gut vorbereitet dort hingehen und mir keinen Bären aufbinden lassen.
Interessant finde ich auch den Ansatz von Kühle, mit der Eindosierung NUR mit unretardiertem MPH mehrfach über den Tag verteilt - unterstützt durch eine Videoanalyse. Insbesondere diese „Gesichtszuckungen“ und Tics mit Nase und Mund verziehen sind bei meinem Kind zum Beispiel sehr ausgeprägt…
Ich bin total ratlos, sollen wir die höheren 50mg equasym oder 56mg Kinecteen verlangen/erkämpfen, wäre ein wirkstoffwechsel auf elvanse besser, oder sollten wir nochmal komplett bei 0 anfangen und neu Eindosieren?!
Welche Erwartungshaltung an die Medikation habt ihr?
Meine Erfahrung als spät diagnostizierter erwachsener Millennial der in der Kindheit keine Medikamente hatte:
Die Medikation hilft anfangs besser ohne große zusätzliche Anstrengung. Mit der Zeit muss ich mich aber mehr steuern. Dazu kommt, dass ich mit zu geringer Nahrungsaufnahme geistig nicht funktioniere. Das Hirn verbrennt viel. Mit 30 kg hat er da eigentlich keine Reserven und müsste unbedingt essen. Zur Erklärung: Die Medikamente kurbeln das Dopamin an. Mehr Dopamin braucht viel Energie. Mit fehlender Energie macht ihr ein Nadelöhr und die Medikation verpufft gefühlt nur noch.
Dazu kommt, dass bei „Stress“ die Medikation nicht so gut wirkt und der Stress eher durchkommt. Ich vermute dass mit längeren Schultagen und mehr Hausaufgaben der Stress einfach zunimmt.
Ich erinnere mich da an unterschiedliche Jahrgänge mit unterschiedlichen Lehrern: Hatte ich viele Hausaufgaben war das einfach zu viel und meine schulischen Leistungen (Noten) rutschten ab. Das ging teilweise so weit, dass ich um 13 Uhr zuhause war, was gegessen habe um 14.30 mit den Hausaufgaben anzufangen und die gingen manchmal bis 18/19 Uhr. Teilweise hatte ich Unterbrechungen und musste um 15.30 Uhr für eine Doppelstunde Ethik noch in die Schule. Tatsächlich gaben Leerkräfte zusätzliche Hausaufgaben wenn die Klasse schwächelte. Während es den anderen half war es mir zu viel. Da schritten meine Eltern sogar ein.
Dann hatte ich aber Jahre wo ich mit den Hausaufgaben in nicht einmal 1 Stunde fertig war, ausgeglichener war (ich konnte raus spielen, mich austoben) und prüfte selbst wo ich Nachholbedarf habe. Noten waren da besser.
ich glaube, der Ehrgeiz, ein Medikament für den ganzen Tag zu haben, hat dich zu sehr eingeschränkt.
Die halbtagsretardierten Kapseln - Ritalin LA, Medikinet Adult und auch Equasym - reichen eben nur für den halben Tag. Da hat man schon Glück, wenn es so lange reicht bis ein Schulkind zu Hause ist, so dass man nachgeben kann, ohne eine Lücke zu haben. 8 Stunden sind es nie im Leben.
Concerta bzw. Kinecteen hält etwas länger, aber auch nicht bis abends. Für einen 10-jährigen ist das zu kurz, der hat ja auch nach 15 oder 16 Uhr noch ADHS, und die Wirkung braucht ein Kind doch auch in der Freizeit und nicht nur für die Hausaufgaben.
D. h., wenn die Kinecteen-Kapsel ausläuft (besser gesagt rechtzeitig davor!) sollte dein Junge noch z. B. 5 mg unretardiertes MPH bekommen, um den späten Nachmittag und Abend noch ausgeglichen zu erleben. Und mach dich bloß nicht verrückt mit 1 mg/kg. Wenn dein Sohn es braucht, dann braucht er es.
54 + 5 (oder 7,5) liest sich vielleicht schrecklich an, aber das Ergebnis ist doch entscheidend und nicht eine niedrige Milligramm-Zahl.
Ein interessanter Hinweis mit dem Essen, und nachvollziehbar. Aber natürlich dämpft das MPH um die Mittagszeit den Hunger…
Mein „Anspruch“ ist einfach dass sich das Kind nicht so schwer tut seine Fähigkeiten anzuwenden/zu zeigen. Es war ja mal anders mit Medikation!
Das ist sowas ganz simples wie seine Schrift, er KANN alle Schreibschriftbuchstaben korrekt, aber er kriegt den graphomotorischen Vorgang nicht mehr sauber hin. Dabei hatte er in Klasse 1-2 eine exzellente Schrift!
Es sind auch keine Unmengen an Hausaufgaben, aber ihn fordern mittlerweile die kleinsten Sachen. Das liegt bestimmt auch daran dass er eine ganz furchtbare Klasse hat, und er selbst mit ADHS zu den bravsten Kindern gehört, bei einem Anteil von 5-8 Verhaltensauffälligen anderen Kindern… Die wirklich gutmütige Lehrerin kann dem gar nicht gerecht werden.
Daher frage ich mich halt in welche Richtung sollten wir gehen, hoch oder reset?
Diese Frage wird dir vmtl. niemand klar beantworten können. Experimente sind in gewissem Rahmen in Ordnung, nur sind einzelne Tage nicht repräsentativ. Da müssten es schon 4-5 Tage sein für gewisse Feststellungen.
Ich würde erstmal schauen dass die “artgerechte Haltung” (Ernährung, Schlaf, Ausgleich) passt, da ggf. selbst kritisch hinterfragen. Und das bitte nicht als Vorwurf sehen, jemand sei schlechte/r Mutter/Vater. Man ist da oft betriebsblind.
Zudem waren die Tage jetzt ein paar Monate sehr kurz und dunkel. Das taugt mir zum Beispiel gar nicht.
Muss nicht unbedingt das MPH sein. Wenn der Körper über längeren Zeitraum weniger kcal bekommt als benötigt, fährt er den Stoffwechsel so herunter, dass ein Hungergefühl fremd wird. Das lässt sich aber leicht aktivieren.
Exkurs hierzu: Hab sehr viel abgenommen, hab mich in die Ernährung sehr vertieft und durch Fehler gelernt. Durch das Abnehmen war ich es gewohnt nicht viel zu essen. Das ging eine Zeit lang gut als ich Fettreserven hatte. Als die Reserven weg waren, kam ich im Sport plötzlich ins Stocken. Ich konnte weder Kondition verbessern noch Muskulatur aufbauen. Tatsächlich war mir eher schwarz vor Augen wenn ich mehr verlangte als notwendig war. Hunger hatte ich nicht, obwohl der Körper unauffällige Anzeichen machte. Nach Monaten hab ich 1 und 1 zusammengerechnet und über paar Tage die Essensmenge erhöht weil ich die ersten Tage nicht von 50% auf 100% gehen konnte. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Beim Essen ist es im Prinzip egal wann man isst - da reicht der Blick in andere Kulturen. Er kann sich die kcal überwiegend morgens reinhauen und abends essen. Ich würde da ruhig auch kcal bei ihm tracken um zu sehen was er isst.
Ich sag mal so, feste Strukturen, anständiges Essen, Sport, geregelte Bettzeit sind alles gegeben.
Er war schon immer ein SEHR guter Esser (vielseitig, nicht besonders wählerisch, hat auch mal was neues ausprobiert, eher ne Abneigung gegen süßes liebt dafür aber Sushi), hat aber wegen besagtem Stoffwechsel noch nie ein Gramm angesetzt.
Also würde ich schon sagen, dass das MPH da hemmt. Er holt abends viel nach, morgens halt nur die Pflichtportion fürs Medikament. Wir sind einfach beide keine Frühstücksmenschen…
Und von daher ist diese Herleitung mit Energie bestimmt richtig, aber einem Schulkind schwer zu vermitteln, zumal ich ihm über Tag eh alles Essen nachtrage. Der kriegt ja irgendwann ne Aversion gegen Essen.
Ich persönlich hab auch gar nicht den Anspruch an ein Medikament. Aber die Ärztin verfolgt die Einstellung Nachdosieren würde den Kindern so ein Bild vermitteln, „heute hast du schwierige Hausaufgaben auf/hast du einen Wettbewerb da nimmst du mal noch was!“ – sodass die Kinder den Eindruck bekommen ihre Selbstwirksamkeit sei nicht vorhanden…
Ich werde also auch die Ärztin auch entweder 2x Equasym ansprechen oder Kinecteen und Medikinet (wobei ich nicht weiß ob retard oder unretardiert).
Dieses Argument wird öfters angeführt, teilweise auch gegen jede Medikation, nicht nur gegen eine Nachmittagsdosis.
Dabei stimmt das natürlich nicht. Nicht das Medikament erbringt eine Leistung, sondern das Kind - aber durch das Medikament steht es sich nicht mehr durch die ADHS im Weg.
Und das Kind erlebt endlich Selbstwirksamkeit!
Abgesehen davon meinte ich nicht, man sollte nur bei einer besonderen Hausaufgabe oder einem Wettbewerb eine weitere Dosis nehmen, sondern immer. Die ganz normalen Situationen im Familienleben oder beim Kontakt mit anderen Kindern sind entscheidend, nicht die Sonderevents.