Eigene Kinder „aushalten“;-)

Mal ganz allgemein gefragt: Welche Strategien könnt ihr empfehlen, bei euren Kindern nicht ständig an die Decke zu gehen?

Bitte nicht falsch verstehen: Selbstverständlich handelt es sich um tolle Kinder und die Eltern-Kind-Beziehung ist intakt.

Die Kids sind nur leider sehr, sehr anstregend und ich habe so den Eindruck, dass es es nicht einfacher macht, wenn man selbst betroffen ist.

Ausreichende Medikation schon früh morgens und nachmittags/abends… damit man ruhig und gelassen bleiben kann…

Ansonsten das Übliche, genug Schlaf (HA HA!!), auf kleine bewusste Pausen achten (a la Achtsamkeit), mal durchatmen, nicht zur Abkühlung der Nerven die Ablenkung durch das Handy suchen…

Vielleicht, wenn man den Partner mit dem Kids alleine lassen kann, dies wechselweise doch gezielt planen, dass man sich mal einen kleinen bewussten Gang um den Block ohne Handy (!) geben kann… oder sich ohne Handy der Nähe kurz hinlegt…

Bei mir zumindest ist das Handy immer so ein Frust-Escape-Mittel, was aber die Belastung im Kopf unnötig erhöht, auch wenn es gut tut, auch auch mal abzulenken…

Ja also denk bloß nicht, das ich das mit ohne Handy oft realisiert kriege… aber ich habe zumindest für mich erkannt, dass es mich enorm ablenkt und auch eigentlich anstrengt… und trotzdem schaue ich ständig hier ins Forum…

Möglichkeiten für längere Auszeiten finden. Die Kinder auch mal anderen „zumuten“.

Das eigene schlechte Gewissen einfach auch mal überhören.

Kapazitäten für die Aufgabe der Kindererziehung „reservieren“. Als Betroffene mit ebenfalls betroffenen Kindern ist halt nix mit beruflicher Selbstverwirklichung in der Phase - so zumindest meine Erfahrung.

Eigene Grenzen kennen und vor allem: lernen, wahrzunehmen, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind!!! (vgl. Achtsamkeit bei @Nono )

Skills-Training aus der Borderline-Verhaltenstherapie können da auch weiterhelfen. Da gibt es zB. so eine Übung mit dem Spannungsmesser. Sich eine Art Messgerät zu visualisieren und immer mal wieder (eben auch ohne Grund) zu checken, wo der Zeiger steht - noch im grünen, oder doch schon im orangenen oder roten Bereich? Da es mit der Selbstwahrnehmung bei ADHS nicht zum besten bestellt ist müssen „wir“ das häufig ersteinmal lernen.
Borderline Skills Training: Arten und Beispiele
Da gibt es sicher auch Kurse…
Der Vorteil von solchen konkret eingeübten Skills ist, dass man sie auch an die Kinder weitergeben kann. Letztlich haben sie ja mit Dir das Glück, ein Verhaltensmodell vor Augen zu haben.
Meine Eltern waren sich damals über ihr und mein Problem nicht im klaren, weswegen ich fast ausschließlich ungeeignete Strategien gelernt habe - zB. Sche*ßhausparolen wie „Ein Gewitter reinigt die Luft“ etc.
Da haben es unsere zumindest an dem Punkt mal leichter…

Danke schon mal für eure Anregungen. :slight_smile:

Hach ja, die Selbstwahrnehmung. Ich merke es ja immer erst, wenn ich in der Luft bin, das ist wie ein Automatismus. Das sich das aber auch immer so schnell aufschaukeln muss…

Das mit dem Stoppsignal im Kopf, wie ich’s gelernt hab; funktioniert bisher nicht so wirklich, obwohl ich eigentlich genau weiß, wie das geht. Vielleicht ist ein anderes Bild wie ein Spannungsmesser wirklich besser. Muss ich mal ausprobieren…

Spannender Punkt. Ich hab dem Arzt geschrieben, ob er gegenüber der Versicherung geltend machen kann, dass ich noch nicht arbeiten kann, weil der Aufwand mit dem Kind zurzeit noch zu gross ist.

IEs ist ja schon ein ziemlicher Mehraufwand, auch wenn es sich durch die Medikation reduziert.

Zu dem eigentlichen Thema:
Mir hat schon immer geholfen im Wald ruhig zu werden, mal meditieren oder beruhigende Musik hören oder so.
Auch Zeit für mich merke ich auch.
Aber die Stimulanzien machen die Wutausbrüche eigentlich weniger auf Kindes und Erwachsenenseite.

Mal anderen zumuten finde ich auch ein guter Punkt.
Ich habe jemanden, den ich von der Betreuungsqualität nicht optimal fand, hab das aber trotzdem nun öfters in Anspruch genommen, um Zeit für mich zu haben.

Schau mal nach dem Buch: Mama nicht schreien.

Ich hab mittlerweile meinen Sohn als tollen Seismografen gewonnen. Wenn er „reagiert“, bin ich nicht in meiner inneren Mitte.


zu diesen Skills gibts auch zahlreiche Bücher mit guten Anregungen…

Wichtig fand ich vor allem, das ersteinmal in entspannten Situationen zu lernen.
Also jetzt zum Beispiel. Wie fühle ich mich? Anspannung auf einer Skala von 0 bis 100? Wenn ich angespannt bin - wie äußert sich das? Was mache ich für ein Gesicht? Wie fühlt es sich an, wenn ich meinen Gesichtsausdruck ändere?
Was ist mit meinen Händen - geballt, entspannt? usf.
Das dauert ein bisschen… vor allem, bis man das in angespannten Situationen auch spüren kann.
Und dann gibts noch die Techniken zum Runterkommen.
In Siebenerschritten von 3689 runterzählen, auf eine Chili beißen o.Ä.

Generell eben dann diese Dinge wie Waldspaziergang - oder auch, ganz toll: Singen.


Das sowieso.
Ich bin ja auch der Ansicht, dass im Interesse der Kinder zunächst mal die Eltern in Therapie sollten. Also bei uns hat’s geklappt.

Ja, seit dem gehts unserem Kind auch deutlich besser.

Was hat geholfen? Bei uns in erster Linie erst mal elterntraining, aber der durchschlagenden Punkt ist Körpertherapie.


Auch ein ganz wichtiger Punkt.
Wir wollen es ja so gerne allen recht machen. Und sind es auch gewöhnt, ständig für unsere Kinder geradezustehen - bei Kindern mit ADHS noch mehr als ohnehin schon.
Für sich selbst einzustehen, auch gegenüber den Kindern, das verlernt sich leicht.
Aber letztlich tut es den Kindern besser, mal ein paar Stunden wo zu sein wo sie es vielleicht nicht so toll finden wie daheim bei Mama oder Papa - dafür klappen letztere nicht irgendwann einmal einfach weg.
Dafür sind wir ja erwachsen (sagt man zumindest so :lol: ), damit wir das entscheiden.
Ich sehe das zumindest im Nachhinein. Hab wohl so ziemlich alles falsch gemacht in punkto Selbstsorge und zahle einen hohen Preis dafür.
Und den Kindern hat es abgesehen davon auch nicht geholfen.

Ohja Hibbelanna, da sagst du was… ich bin jetzt auch an dem Punkt… aber es ist auch nicht so einfach, wenn es nicht um die Frage geht, ob das Kind es vielleicht nicht so toll findet, sondern darum, dass ein Kind nach der Schule komplett reizüberflutet ist und es um das Thema Verhinderung von Mobbing durch Gleichaltrige geht…

Neuropsychotherapie der adhs (ETKJ Elterntraining) empfiehlt:

(wobei Stimulanzien das verbessern meine ich, im Buch steht aber das es auch mit Medikation so ist), so wie wir das auch kennen, als ADHSler.

Es gibt ja beides. Z.b. das ein Kind total die Krise kriegt, wegen einer Nichtigkeit und wir uns dann aufregen, oder auch, dass bei ihm auch die Erregung hochfährt, v.a. wenn Sie bei uns hochfährt. Dann ist das Karussel nicht mehr zu stoppen. Bei grosser Erregung kann ja auch das Wissen nicht mehr abgerufen werde, Fremdbestimmung noch schwerer etc

Also hat sehr viele Tipps und es ist dasselbe, wie man im ADHS Elterntraining lernt, wenn man an eines geht.
Kann das Buch empfehlen.

lg Zoraya

Ich glaube, das kommt auch ein bisschen auf das Alter der Kinder an.

Bei meinem U3-Sohn bemerke ich oft nachts die Wut in mir hochsteigen, wenn er nicht mehr einschlafen kann, oder es ewig dauert, bis er abends endlich schläft und ich dann gleich mit ins Bett gehe (klar, ist ja auch schon 22.30 :stuck_out_tongue: ) - also gar nicht Dinge bei denen er „böse“ ist, sondern er eigentlich nur nicht so „funktioniert“ wie ich es in dem Moment gerne hätte. Aber er ist ja nicht dazu da, so zu sein, wie ich ihn gerne hätte, sondern so wie er ist.

Ich kneife mich manchmal selbst, oder gehe kurz raus aus dem Zimmer. Manchmal gelingt es mir die Wut spielerisch umzuleiten - manchmal schreien wir auch gemeinsam ein bisschen oder stampfen auf.

Ich suche dann schnell nach Ablenkung - aber auch danach, das Gefühl zuzulassen - und es weiter ziehen zu lassen.

Mit Medikamenten ist es besser, aber immer noch sehr herausfordernd.

Was mir aber immer am besten hilft, ist seine Perspektive einzunehmen, einzufühlen, wie das jetzt für ihn sein muss. Es hilft mir auch, mich daran zu erinnern, wie beängstigend (und für unsere Beziehung schädlich) meine (für mich damals unverständlich) wütenden Eltern waren.

Ich habe festgestellt @Rita_Berlin , dass diese Wurgefühle, die da hochkommen meine eigenen unterdrückten Gefühle aus der Kindheit sind. Damals hat es keinen interessiert, damals war keiner da der meine Gefühle wahrgenommen hat und keine hat sie mit mir zum Ausdruck kommen lassen.

Gut, dass du sie wahrnimmst und nicht immer beiseite schiebst. Es ist schwer, und ich weiss wie herausfordernd es ist, sich denen bewusst zu werden und sich denen zu stellen.

Die Deutung, es habe etwas mit negativen Erlebnissen in der Kindheit zu tun (Stichwort: Mentalisierungsschwäche), kenne ich aus der Psychotherapie auch. Ehrlich gesagt habe ich inzwischen erhebliche Zweifel, ob das mit dem Problem von Emotionswahrnehmung und -Regulation bei ADHS nicht andere Gründe hat.

Weitere Meinungen dazu würden mich sehr interessieren.:grinning:

Ich vermute, @Maya18Max und @Addy_Haller dass beide Deutungen ihre Berechtigung haben und auch zusammen auftreten können.

Mir fällt beim Umgang meiner Eltern (mit meinem Kind) auf, dass sie mit starker, aber verhaltender Wut auf alles nicht-angepasste Verhalten reagieren: Bloß nicht auffallen, bloß nicht wütend sein - was ein bisschen schwer ist, wenn man ADHS hat.

Addy, wie alt sind denn deine Kinder? Das ist ja auch ein Altersfrage vielleicht?

Wie sind denn deine Eltern mit Wut etc. umgegangen? Welche Strategien konntest du dir (nicht) abschauen?

Ehrlich gesagt konnte ich mir von meinen Eltern wenig abgucken, schon gar nicht in Sachen Emotionsregulation, das stimmt schon. Da wurde die Wut gnadenlos ausgelebt.

Der Umgang mit Wut fällt mir auch sehr schwer, obwohl ich inzwischen gelernt habe, wie ich damit umgehen kann. Das Problem ist: Ich habe in den Momenten, in denen ich wütend werde, keinen Zugriff auf meine Selbstwahrnehmnung, d.h. ich merke es immer viel zu spät.

Aber ich bleibe dran, auch wenn ich noch nicht genau, wie ich es hinbekomme…

Ich denke, insgesamt können sich vererbte und vorgelebte Emotionsregulationsprobleme gegenseitig verstärken.

Zur Altersfrage: Wenn die Kinder klein sind, habe ich deutlich mehr Verständnis. Bei den älteren verzweifle ich aber regelrecht, da das Lernen aus Erfahrung so gar nicht ausgeprägt ist. D.h. es gibt täglich dieselben Probleme, so dass zur Verzweiflung die Wut dazukommt. Akzeptanz ist etwas, was ich sehr gerne leben könnte, was aber noch nicht klappt.