Eindosierung Elvanse (30mg) #DieKlassischeEinstiegsfrage

Der Arzt hat zwar mit seiner Aussage recht - aber nicht mit der daraus gezogenen Schlussfolgerung.
Zusammengefasst:

  • Ja, ADHS-Medikamente erhöhen das Herz-Kreislauf-Risiko.
  • Aber in der Summe verringern sie das Sterberisiko, weil sie eben auch noch ein bisschen was anderes bewirken…

Im Detail: ADHS-Medikamente erhöhen tatsächlich das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen. Allerdings nicht von Herzinfarkten, die die Hauptursache für Todesfälle durch Herz-Kreislauferkrankungen sind.

ABER: ADHS selbst geht mit einer verkürzten Lebenserwartung von 8 bis 11 Jahren einher, sodass ADHS-Medikamente eben noch anderes tun.

"Signifikante Reduktion der Lebenserwartung bei ADHS

Die Analyse ergab, dass Männer mit diagnostiziertem ADHS im Durchschnitt 6,78 Jahre (95 %-Konfidenzintervall KI: 4,50–9,11) und Frauen 8,64 Jahre (95 %-KI: 6,55–10,91) kürzer lebten als ihre nicht betroffenen Vergleichspersonen.
Wurde die Mortalität errechnet ergab sich für Männer mit ADHS eine 1,89-fach höhere Sterblichkeit im Vergleich zu nicht betroffenen Männern, bei Frauen eine 2,13-fach erhöhte Sterblichkeit.
Das mediane Sterbealter bei Männern mit ADHS lag bei 38,9 Jahren, bei Frauen bei 77,2 Jahren."
Quelle: Gelbe Liste

Wichtig ist, was ADHS-Medikamente in der Summe bewirken, also wenn man die Erhöhung von Risiken hier und die Verringerung von Suizid- und Unfall- und Komorbiditätsrisiken andererseits zusammennimmt - und dafür gibt es einschlägige Studien:

Eine im März 2024 veröffentlichte Studie mit fast 150.000 schwedischen ADHS-Patienten ergab, dass die Einnahme von Medikamenten in den folgenden 2 Jahren mit einer 19%igen Verringerung des Sterberisikos verbunden war.

Eine Sammlung einschlägiger Studien findest du hier:

Schönen Gruß also an deinen Arzt: Er hat im Detail recht, aber nicht in der Summe.
Es sei denn, du hättest ganz konkrete Herz-Kreislauf-Risikofaktoren, also schon bestehende Herzfehler. Ü40 zu sein, ist jedoch keines.
Gib ihm vielleicht einfach diesen Beitrag - falls er bessere Studien und Quellen hat, würde ich mich freuen.

Die Argumentation deines Arztes gibt es übrigens in verschiedenen Geschmacksrichtungen:
Man könnte sagen, ADHS-Medikamente erhöhen das Parkinson-Symptom-Risiko im Alter. Ja, tun sie, aber nur gering, und eher Tremor als echtes Parkinson. Dafür verringern sie das Sterberisiko. Flapsig gesagt bin ich mir sicher, dass die meisten ADHS-Betroffenen lieber mit einer zittrigen Hand im Alter leben als mit einer ruhigen Hand tot sind.

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Ich gebe dir vollkommen Recht. Die Pauschalität, ADHS verkürze die Lebenserwartung sehe ich durchaus kritisch. Bis ADHS bei Erwachsenen diagnostiziert wird, vergeht bei vielen eine fürchterlich lange Zeit, in der das ADHS im Gehirn viele negative Einflüsse ausüben kann. Das beeinträchtigt natürlich auch die körperliche Gesundheit mit Folgen auf die Lebenserwartung. Und die meisten Patienten haben viele Medikationsversuche mit Antidepressiva oder anderen Psychopharmaks hinter sich, die alle nicht gesundheitsfördernd sind. Leider wissen viele Psychotherapeuten und Psychiater heutzutage noch nicht genug über ADHS bei Erwachsenen. Es ist ja noch nicht einmal im deutschen Gesundheitskatalog angekommen. IICD 11 ist gerade einmal ins Deutsche übersetzt worden.

Wenn nach ICD-11 wenigstens schon diagnostiziert werden dürfte, wären wir einen großen Schritt weiter, aber das deutsche Gesundheitssystem zwingt Ärzte und Psychotherapeuten, wider besseres Wissen veraltete Diagnosestandards anzuwenden und veraltete Kriterien zu behandeln. Es ist institutionelle Körperverletzung.
Na gut, nicht ganz - auf Privatrezept darf sich jeder richtig behandeln lassen. Es wird halt nur nicht von der Kasse ersetzt.

Ich finde das echt krass…

Ich bin 50 und erst seit kurzem diagnostiziert. Ich habe einen hohen Blutdruck seit den beginnenden Wechseljahren und schon immer einen sehr hohen Ruhepuls (~100), daher nehme ich seit letztem Jahr eine geringe Dosis Betablocker.

Meinem Psychiater war wichtig, dass das gut abgeklärt und ich gut eingestellt bin, ich habe vor dem GO für Stimulanzien nach Rücksprache mit der Hausärztin eine 24h Blutdruck Messung gehabt und vom Vorjahr noch die Ergebnisse eines Langzeit EKG mitgebracht sowie aktuelle Blutdruckmesswerte nach Beginn der Medikation mit Lisdexamphetamin. Also wenn dein Arzt Bedenkenhat, soll er es halt entsprechend kontrollieren.

Dich wegen deines Alters nicht Leitlinien gemäß zu behandeln, finde ich persönlich echt schlimm! Und es macht mich mich sehr wütend das zu lesen, was daran liegt, daß ich mir über die Auswirkungen einer behandlungsbedürftigen unbehandelten ADHS bewusst bin (siehe z.B. den tollen Betrag von @UlBre ).

Übrigens bin ich neulich fast vom Stuhl gefallen, als ich meinen Blutdruck das erste Mal gemessen habe, seitdem ich stabil und gut eindosiert bin. Der war so gut wie seit Jahren nicht (124/83) und sogar der Puls war bei 74! Das führe ich darauf zurück, dass ich mit Stimulanzien innerlich öfter viel ruhiger bin, viel achtsamer und klarer im Umgang mit mir selbst und weniger getrieben.

Ich wünsche dir, dass du die freie Wahl hast, ob und wie du Stimulanzien für dich einsetzen möchtest!

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Betablocker und Stimulanzien können sich gegenseitig ergänzen, brabbelt was in meinem Hinterkopf. BBs wirken auch gegen ADHS-Symptome. Nur falls du die BBs mal absetzen solltest, könnte es sein, dass du dann in Bezug auf ADHS die Stimulanzien neu justieren musst, meine ich… Irgend was war da…

Danke für den Hinweis!

Ich gebe zu, es wäre ein Traum die wieder wegzulassen. Also ich finde die BB ok und hilfreich aber die Vorstellung sie wegzulassen ist, als wäre ich in einen Jungbrunnen gefallen :laughing: