Hallo liebes Forum!!
Ich habe vor c.a. einem Monat die Diagnose AD(H)S bekommen und habe vor einer Woche mit der Einstellung begonnen. Aktuell nehme ich noch 5 mg morgens und mittags und gehe morgen mit der Dosis auf 10 mg hoch.
Ich bin absolut erschrocken, wie gut es mir unter der Einnahme des Medikaments geht. Nicht erschrocken, wie gut es mir geht, sondern eher erschrocken, wie schlecht es mir über viele Jahre ging. Das klingt jetzt vielleicht verrückt, aber als ich die Wirkung von Medikinet das erste Mal gemerkt habe, habe ich sofort angefangen zu weinen. Es war, als hätte mir jemand eine Brille aufgesetzt und den Nebel aus meinem Kopf weggewischt.
Meine Symptome vor der Einstellung waren insbesondere eine extreme emotionale Instabilität, Aufmerksamkeitsdefizite und Impulsivität. Für mich gab es nie einen „Zwischenschalter“. Ich habe etwas wahrgenommen und extrem darauf reagiert. Alle Emotionen habe ich hundert mal so stark gespürt. Konnte mich extrem in Gedankenspiralen verlieren und habe deshalb auch nie irgendwas auf die Kette gekriegt. Das hat es mir insbesondere in zwischenmenschlichen Beziehungen sehr schwer gemacht. Aufgrund meiner extremen Empfindlichkeit waren zwischenmenschliche Beziehungen von extremen Auf und Abs geprägt; gerade im Kindesalter litt ich unter extremen Mobbing und wurde auch von Lehrern teilweise bloßgestellt, weil ich einfach auch geredet habe wie ein Wasserfall und sicherlich super anstrengend für andere war. Daher litt ich später unter extremen Selbstwertproblemen. Als Kind konnte ich außerdem sehr schlecht mit Reizen umgehen, hatte oft Ängste und Zwangsgedanken und konnte sehr schwer in neuen Situationen klarkommen. Ich hatte teilweise richtig Angst vor Urlauben, weil mir dort alles zu viel war. Ich brauchte ein stabiles Umfeld und klare Strukturen. in den Ferien war ich nach einer Weile depressiv, weil das „in den Tag hineinleben“ für mich die Hölle war.
In der Schulzeit ging es mir noch vergleichsweise gut, bis auf das Mobbing, welches aber mit der Pubertät besser wurde. allerdings wurde alles richtig schlimm, als ich ausgezogen bin und anfing zu studieren. Da gingen die Probleme erst richtig los.
Ich war phasenweise depressiv aufgrund der mangelnden Struktur und mein Studium war ein reines Chaos. Für mein Jura Studium habe ich 18 Semester gebraucht und es war ein absoulter Fiebertraum. Verpasste Fristen waren an der Tagesordnung. Rechungen habe ich regelmäßig vergessen zu zaheln, mein Konto war 2/3 x gepfändet. Ich hatte sogar schonmal eine Anzeige wegen Erschleichen von Leistungen weil ich ständig meine Fahrkarte vergessen hatte. Und das sind alles nur Beispiele.
Am schlimmsten war aber das ständige Auf und Ab meiner Emotionen. Mal wachte ich mit guter Laune auf, dann verärgerte mich etwas und ich stürzte in eine depressive Verstimmung. Oft habe ich gesagt, dass über mir so etwas hängt, wie eine graue Wolke.
Mit der EInnahme von Medikinet spüre ich so etwas wie „Klarheit“ in meinem Kopf. Ich bin einfach im Moment präsent, anstatt mich über irgendwas zu sorgen und dann in diesen Ängsten zu verlieren. Grundsätzlich katastrophisiere ich nicht mehr, sondern kann einen Moment innehalten um mich zu fragen, ob Sorgen wirklich angebracht sind.
Insbesondere spüre ich eine riesen Veränderung in meinen Beziehungen. ich habe das Gefühl ich kann besser deuten, was in der anderen Person vor sich geht und vor allen Dingen besser darauf reagieren. Ich war früher extrem impulsiv. Ich kann gerade mal innehalten und mich fragen, ob diese Reaktion angebracht war.
Aber der größte Effekt ist die gleichbleibende Stimmung über den ganzen Tag hinweg und das fehlende „Sich Sorgen“. Natürlich kann ich mich auch extrem gut konzentrieren. Ich habe das Gefühl endlich auf die volle Bandbreite meiner Intelligenz zugreifen zu können. Das macht mir extrem viel Spaß.
Alles in Allem bin ich extrem glücklich und sehe jetzt erst, wie sehr ich gelitten habe und wie leicht sich das Leben anfühlen kann.
