Elvanse - Nebenwirkung, zu wenig / zu viel?

Hallo ihr,

auch wenn ich schon viel gelesen habe, bin ich dennoch verunsichert und vielleicht kann mir euer Schwarm- und Erfahrungswissen helfen.

Ich bin 30 Jahre alt, weiblich und habe seit August die ADHS Diagnose. Auch bei mir war die Diagnostik nicht so ganz eindeutig (meine Schulzeit verlief ziemlich gut) und da ich eine geborene Zweiflerin bin, die diese Fähigkeit über Jahre hinweg trainiert hat, schwanke ich von Tag zu Tag in Bezug auf die Diagnose. Vor allem weil von außen teilweise sehr viele skeptische Nachfragen kommen wie „Was du? Also Sachen verlegen und bisschen vergesslich sein hab ich auch, das ist doch ganz normal.“
Die einzige die nicht überrascht schien war zu meiner großen Überraschung meine Mutter - aber ander Geschichte.

Seit September ungefähr bin ich nun in der Eindosierung, Medikinet half mir gefühlt nicht bzw. hat irgendwann eher extremen Stress ausgelöst, deshalb bin ich umgestiegen auf Elvanse. Dabei ging es mir wie einigen hier: der Effekt an Tag eins war so positiv, das ich fast geweint habe vor Glück. Die vielen verschiedenen, teils kritischen, teils freudig singenden Stimmen und Dialoge in meinem Kopf sich auf einen Gedankenstrang reduziert und es ist eine große innere Anspannung und Unruhe von mir abgefallen. Das hielt ein paar Tage an, dann hat sich das Ganze normalisiert. Die Impulsivität ist seither wieder spürbarer, ich bin wieder ständig am Singen und springe von Gedanke zu Gedanke, kann damit aber gut leben (wurde schon früh als Radio auf zwei Beinen bezeichnet). Was mehr stört ist, dass ich ständig Zeug verliere und Sachen weiterhin endlos vor mir her schiebe. Dinge die nur noch betreffen, sind für mich kaum zu erledigen, da fehlt mir auch mit Medikament komplett die Motivation. So war’s aber in meinem Leben schon immer, habe mich von Anfang an sehr durch „sozialen Druck“ selbst funktionsfähig gehalten - verabrede mich zB immer zum Sport, weil ich allein kaum Motivation dazu aufbringen - aber wieder anders Thema, ich schweife ab.

Insgesamt hab ich den Eindruck, mit Elvanse besser durch den Tag zu kommen und v.a. fühle ich mich von den vielen Reizen auf der Arbeit (ich arbeite in der Jugendhilfe) weniger erschlagen. Außerdem habe ich den Eindruck (oder hatte es am Anfang) , meine Emotionen besser steuern zu können und nach vielen Jahren endlich zu bestehen, was Menschen meinen wenn sie sagen, „mach dir doch einfach nicht so viele Gedanken“. Also als hätte ich auf einmal endlich ein bisschen Kontrolle über mein Denken und Fühlen. Also zumindest über normale Gefühle. Bin von Handlungen in meinem Umfeld nicht mehr so stark beeinflusst.
Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite habe ich Tage, an denen ich mich körperlich gestresst fühle. An diesen Tagen kann ich auch nicht richtig sagen, ob mir Elvanse tagsüber noch hilft. Es fühlt sich irgendwie ganz diffus an, meine Wahrnehmung ist extrem gestärkt und ich bin total sensibel. Reagiere extrem auf äußere Reize, kann es nicht ertragen, wenn ich zB aus versehen berührt werde, Stiff auf meiner Haut streift usw. Ich kenne das von mir in abgeschwächter Form von den Tagen vor meiner Periode. Deshalb könnte eine Möglichkeit sein, dass es mit meinem Zyklus zusammen hängt. Nur startet es jetzt (diesen Zyklus zumindest) direkt nach dem Eisprung und hat bisher noch nicht wieder aufgehört. Die Phase zwischen Eisprung und Mens ist bei mir Recht lang, deshalb ist es jetzt diesen Zyklus schon 2 1/2 Wochen so.
Es war bei mir schon immer so, dass vor meiner Menstruation mein Selbstwert sehr sinkt und negative Glaubenssätze total aktiv sind. Jetzt hab ich den Eindruck, das ist noch verstärkt (Möglichkeit 1) ODER ich bekomme meine Gedanken einfach mehr mit, weil es weniger Gedankenstränge sind und dadurch mehr in meinem Bewusstsein stattfindet (Möglichkeit 2).
Wie auch immer bin ich dadurch gerade total fokussiert darauf, was bei mir psychisch alles noch an Themen offen ist und wie negativ ich mich vergleiche usw.
Gleichzeitig bin ich ein Mensch, der ein bisschen zu Panik tendiert und ich mache mir Sorgen, dass es Nebenwirkungen vom Medikament sind, es Einfluss auf mein Herz hat usw und diese Gedanken fallen mir dann schwer, auszuhalten. Ich habe generell eine Geschichte damit, (hypochondrisch vermutlich) immer wieder ein Gefühl zu haben, nicht genug Luft zu bekommen. Das war die letzten Jahre viel besser, da ich einfach versucht habe die Gedanken daran weg zu schieben. Jetzt sind die aber wieder voll da und bringen das Gedankenrad dann doch wieder zum drehen.

Weiter ist es aktuell so, dass ich abends nur schwer zur Ruhe komme. Ich hatte auch ohne Elvanse so meine Probleme mit dem zur Ruhe kommen, abends oft rasende Gedanken. Das hat mich nie am Ein- und auch nur selten am Durchschlafen gehindert, mein Schlaf war aber sehr anstrengend und wenig erholsam (auch ganz diffus, sehr krass in Phasen). Nun ist es so, dass ich v.a. an Arbeitstagen (da ist wenig Raum für Grübelgedanken über Atemnot und Herzschwäche) gut durch den Tag komme und mir Elvanse eben hilft, bei der Arbeit viel strukturierter und fokussierter zu sein und ich meinen Job dadurch gerade echt weder total liebe (hatte mich schon sehr mit Jobwechsel-Gedanken beschäftigt, da es mir sehr schwer fiel, mich abzugrenzen und die Arbeit mich so krass ermüdet hat). abends komme ich jetzt nach Hause, hab den Eindruck langsam zur Ruhe zu kommen und dann drehe ich auf einmal komplett auf. Dann fühle ich mich total getrieben, könnte andere Leute volllabern ohne Ende und fühle mich wie aufgeputscht. Habe auch schnell den Eindruck, mein Herz rast. Wenn ich keinen Puls messe, ist er aber maximal leicht erhöht (80 oder so) oftmals auch gar nicht erhöht, d.h. das scheine ich mir nur einzubilden.
Nachts schlafe ich gerade wieder sehr getrieben, meine Füße zucken wieder ohne Ende. Was nun nachts aber dazu kommt, sind Angst- und manchmal sogar Panikähnliche Zustande. Ich bin komplett im Kopf, total aufgekratzt und schaffe es immer öfter nicht mehr, wieder einzuschlafen wenn ich mal aufs Klos muss. Gestern hatte ich dann auch tagsüber (evtl vor der Wirkung von Elvanse) einen panikähnlichen Zustand (vlt schon Mini-Panikattacke… hatte nicht so auf dem Schirm, dass ich ein Thema hab mit Angst, bin schon lange in ner nicht so wirkungsvollen Psychotherapie, habe aber den Eindruck, seit Elvanse evtl auch auf mehr Dinge zugreifen zu können.
Was noch dazu kommt aus meiner Familiengeschichte usw ist, dass ich große Angst vor der Angst habe und sehr gut darin bin, mir Dinge einzureden. D.h. also, dass diese Unruhezustände bei mir sehr schnell gedanklich verstärkt werden und es für mich sehr schwer ist, das auszuhalten. Deshalb denke ich auch immer wieder darüber nach, das Medikament einfach abzusetzen.
Gleichzeitig habe ich Angst, dass das Medikament meinen Körper komplett durcheinander gebracht hat und es eine schlechte Idee war, es anzufangen und ich im Blödesten Fall eine Abhängigkeit entwickle oder schon entwickelt habe und es sich dann schon im Entzugserscheinungen handelt und mein Körper „mehr“ will.
Auch vor einer Dosiserhöhung hab ich echt Respekt. Was ist, wenn diese Symptome dadurch mehr werden und dann vielleicht nicht mehr weg gehen? (Es wird wohl deutlich, Angst spielt doch eine größere Rolle in meinem Leben, als bisher angenommen :see_no_evil:)

So, nun lang und verwirrend erzählt. Was will ich jetzt von euch?

Mich beschäftigen nun folgende Optionen/Fragen:

Sind diese Symptome Nebenwirkungen von Elvanse?
Muss ich die Dosis mehr anpassen rund um den Zyklus (kann grad in Absprache mit meiner Psychiaterin ein bisschen ausprobieren und nehme statt sonst 30mg 35mg)?
Hab ich einfach gar kein ADHS und deshalb dreht mich das Medikament total auf?
Sollte ich es lieber absetzen, weil es bei mir nicht wirkt?
Kann es passieren, dass manche Symptome sich einstellen und auch durch absetzen nicht mehr weg gehen?
Oder handelt es sich vlt um eine Rebound-Reaktion?
Muss ich einfach „aushalten“ und ein paar Zyklen abwarten (jetzt gerade muss ich mich sehr Zusammenreißen, das Medikament nicht einfach wieder abzusetzen und mit meiner ansonstigen Verpeiltheit usw. zu leben).
Also insgesamt vielleicht auch: Wie komme ich gut durch den Zyklus?

Bin einfach verzweifelt und planlos, vielleicht können eure Gedanken und Impulse mir ein bisschen helfen.

Liebe Grüße!

Hallo @EstherS ,

Da du beschreibst, dass Elvanse dir hilft und du erst aufdrehst, wenn das Medikament nicht mehr wirkt, spricht das dafür, dass du ADHS hast :wink:

Meiner Erfahrung nach, hift es, während der PMS die Medikation anzupassen. Bei mir sind es 10mg bis kurz vor dem Einsetzen der Periode. Das ist natürlich sehr individuell.

Ich vermute, ja.
Elvanse hat für mich ebenfalls zu einem stärkeren Rebound am Abend mit eben deinen genannten Symptomen geführt. Ich war Schlaflos und nervös in einem gesteigerten Maße als sonst. Genau das beschreibt den Rebound, dass die Symptome verstärkt zurück kommen.

Wie schon oben beschrieben, erhöhe ich meine Dosis. Allerdings ist es ein immer wieder abwägen und in die Eindosierungstabelle schauen um herauszufinden was gerade gebraucht wird. Manchmal sind es die Hormone, manchmal Essen und Schlaf.

Hallo @Florjetzt,

danke für deine ausführliche Antwort! Vermutlich brauche ich da mehr Geduld bzw. muss es erst mal noch ein paar Zyklen beobachten.
Heute sehr ich das wieder viel gelassener, da mit einsetzen meiner Periode die Panik aufgehört hat und ich mich wieder „normaler“ fühle.

Gleichzeitig fällt es mir super schwer, zu wissen ob ich eher hoch oder runter gehen soll mit der Dosis und die verschiedenen Symptome einzuordnen in Rebound, Nebenwirkungen oder Über- / Unterdosierungsmerkmale. Mal sehen, was meine Psychiaterin dazu sagt.

Danke auf jeden Fall.

Was hast du gegen den Rebound gemacht? Oder lebst du „einfach“ damit?

Liebe Grüße