Hi,
ich habe schon lange mitgelesen und bereits viele nützliche Beiträge gefunden. Da ich aktuell doch sehr überfordert bin, dachte ich mir, dass ich mich doch mal anmelde.
Kurze Zusammenfassung über mich:
Ich bin 32 Jahre alt, Mutter von zwei tollen Mädchen und verheiratet. Ich habe zwei Berufe gelernt, einen Meistertitel, das Fachabitur nachgeholt und habe diverse Studiengänge angefangen (und auch wieder abgebrochen). Ich liebe „Wissen“ und bin anfangs auch immer sehr euphorisch, wenn es um neue Lernbriefe etc. geht. Genauso schnell entwickle ich eine Abneigung gegen Pflichten und lerne offensichtlich nicht daraus.
Momentan bin ich wegen diversen körperlichen Problemen krankgeschrieben und seit Ende Juni zuhause und warte auf einen OP Termin.
Mein Mann ist ebenfalls ADHSler. Als Kind bekam er bereits Medikamente und aktuell wartet er auf einen Termin, um nochmal drüber gucken zu lassen, da ihm viele Dinge nach wie vor extrem schwer fallen. Wir beide ergänzen uns recht gut. Er übernimmt den sozialen Part, worin ich eine absolute Niete bin (bzw. ich bin nicht gut darin, Kompromissbereitschaft zu zeigen - ich meine in der Diagnostik bezeichnet man dies als fehlende Fähigkeit, diplomatisch zu handeln).
Dafür bin ich für organisatorische und bürokratische Dinge verantwortlich. Meine große Tochter hat ADS, früherer Verdacht Asperger. Neudiagnostik läuft. Meine jüngste Tochter zeigt ebenfalls ADHS Anzeichen.
Ich habe im Februar diesen Jahres als Mitarbeiterin im Betreuungsdienst für autistische Erwachsene in besonderer Wohnform angefangen zu arbeiten (Quereinstieg). Da mein Bruder Asperger + ADHS hat (mittlerweile ja ASS), sind mir die Besonderheiten nicht ganz fremd. Er ist übrigens 11 Jahre jünger als ich.
Meine Mutter hat mir oft geraten, mich auf ASS testen zu lassen, da ich meinem Bruder wahnsinnig ähnlich bin.
In Kindesjahren war ich schon immer auffällig. Ich habe mir mit 3 Jahren angefangen die Haare rauszureißen, war immer impulsiv, ungeduldig, perfektionistisch und irgendwie einfach anders. Freundschaften waren und sind bei mir immer schwierig.
In Jugendjahren habe ich angefangen mich zu ritzen, wurde sehr depressiv, die Noten wurden schlechter und letztendlich bin ich mit 16 in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. VA Borderline.
In psychologischer Behandlung war ich häufiger, gebracht hat es mir eigentlich nie was.
Nachdem meine älteste Tochter geboren wurde, bin ich wieder depressiv geworden und habe Citalopram verschrieben bekommen. Kurz darauf begab ich mich wieder in psychologische Behandlung, aufgrund der Verdachtsdiagnose emotionale-instabile Persönlichkeitsstörung Typ Borderline. Zum Vermerk: eine Diagnostik gab es nie!
Die Behandlung hat mir hier wieder sehr wenig geholfen, weshalb ich diese 2016 abgebrochen habe und ich mich seitdem irgendwie durch das Leben schlage.
Im Mai hatte ich meinen letzten Zusammenbruch, nach einem Vorfall an meiner Arbeit. Das war für mich der endgültige Startschuss mir endlich Hilfe zu suchen. Ich habe eine niedergelassene psychologische Psychotherapeutin gefunden, die auf Erwachsenediagnostik spezialisiert ist, vor allem Autismus (etwas anderes kam mir auch nie in den Sinn).
Ergebnis: hochgradiges ADHS, was vermutlich ASS übertünchen könnte. Keine Spur von Borderline. Die Therapeutin meinte, dass man mich schon viel eher diagnostiziert hätte können/müssen und sie es fatal findet, wieso es niemand gesehen hat - trotz der immensen Schwierigkeiten und sichtbaren Defizite.
Endgültig ist ASS noch nicht. Laut ihrer Meinung kann ich zu gut sprechen, um ins Autismus-Spektrum zu fallen. Repetetives Verhalten zeige ich allerdings und einige Stereotypen auch. Und halt einige andere Punkte, die ins Raster fallen.
Und noch dazu: rezidivierende depressive Störung. Leider ist sie bis Ende letzter Woche im Urlaub gewesen. Aber auf ihren Rat hin, habe ich mich bereits Anfang August medikamentös einstellen lassen, weil ich in meiner kleinen Welt überhaupt nicht mehr klarkam.
Ich bekam zu Anfang 30mg Elvanse. Citalopram 40mg, welches ich zu diesem Zeitpunkt erst wieder vier Wochen einnahm, sollte ich sofort absetzen. Die Nebenwirkungen waren in den ersten Tagen fatal. Mir ging es richtig schlecht, sensorisch total überempfindlich. Ich konnte selbst in der Wohnung nur mit Sonnenbrille und Noise Cancelling Kopfhörern überleben. Ich habe seit dem Zeitpunkt Tics. In den ersten Tagen waren diese sehr schlimm. Die Tics äußerten sich in Lauten und unkontrollierten motorischen Zuckungen. Mittlerweile habe ich diese nur, wenn ich äußerst gestresst oder kurz vor einer Panikattacke bin.
Da die Veränderungen schon sehr auffällig waren, habe ich auf anraten meines Mannes angefangen, ein „Elvanse-Tagebuch“ zu führen. Die 4-Wochen Aufzeichnung habe ich der Therapeutin geschickt, die mich diagnostiziert hat. Bislang ohne Rückmeldung.
Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob ich sagen könnte, dass die ADHS Symptome schwächer geworden sind.
Ich habe seit der Einnahme einen extremen Hyperfokus auf einzelne Dinge entwickelt, also stärker als vorher. Meine Liebe gilt der Musik. Sei es selbst zu musizieren oder Musik zu hören. Als die Tics so schlimm waren, habe ich mich ins Schlafzimmer verzogen und musiziert. Mein Mann musste mich mehrfach am Tag „abholen“, damit ich was trinke und auch mal eine Pause mache. Das ging einige Tage so. Seitdem habe ich fast schon Angst, irgendwas anzufangen, weil ich weiß, dass man mich nicht mehr rausholen kann. Bei Unterbrechungen o.ä. reagiere ich extrem gereizt und werde sauer.
Die Ordnung in unserer Wohnung ist seit einigen Wochen noch strukturierter als vorher. In der Hinsicht bin ich unfassbar penibel geworden. Mein Gedächtnis hat sich drastisch verschlimmert und ich muss mir jeden Gedanken aufschreiben. Dabei ist mein Langzeitgedächtnis enorm!
Außerdem habe ich seit dem 04.08. knapp acht Kilo abgenommen, weil ich eine ziemliche Abneigung Essen gegenüber entwickelt habe. Ich war vorher auch „pienzig“, aber jetzt ist es schon abnormal. Viele Dinge esse ich überhaupt nicht mehr und die, die ich esse, müssen klar in der Konsistenz erkennbar sein. Oftmals wird mir beim kochen schon schlecht und ich muss auf Brot oder Shakes zurückgreifen, damit ich überhaupt etwas esse. Ich war schon immer übergewichtig, mal mehr/weniger, je nach Stresszeitraum.
Aktuell bin ich bei 50mg Elvanse. Seit Samstag abend merke ich aber, dass ich zunehmend depressiver werde und höllisch gereizt bin. Man könnte schon sagen, dass ich irgendwie Dauerwütend bin. Den Grund dafür konnte ich bislang nicht finden. Neben der Arbeitsunfähigkeit habe ich einige Dinge in den letzten Wochen erledigen müssen, die einfach wichtig waren. Aktuell schiebe ich die Gereiztheit auf die ganzen „offenen Posten“. Wisst ihr wie ich das meine? Ich persönlich hasse es, wenn Dinge unerledigt bleiben, weil man auf Rückmeldungen o.ä. warten muss. Das macht mich verrückt. Ich sage immer so schön, dass es sich anfühlt, als ob ich Nägel im Kopf hätte.
Momentan fühle ich mich wie auf Halteposition stehend. Nichts ergibt für mich noch einen Sinn, ich habe dauernd das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Auch werde ich irgendwie meinen eigenen Anforderungen nie gerecht. Ich gebe jeden Tag mein Bestes und bin eigentlich nur noch müde. Die Zukunft ist ungewiss in Hinblick auf meine anstehenden OPs und ich habe eine scheiß Angst, wie es weitergeht. Ich habe es nie länger als 1-1,5 Jahre bei einem Arbeitgeber ausgehalten und in den Betreuungsdienst kann/soll ich nicht mehr. Generell weiß ich absolut nicht, wie ich wieder arbeiten gehen soll. Ich will, keine Frage. Aber mit meinem aktuellen Zustand (das körperliche Gebrechen jetzt mal außer Acht gelassen), gehe ich draußen komplett unter.
Viel zu lange Rede, kurzer Sinn: Wem erging es ähnlich oder hat in etwa die gleichen (Verdachts-)Diagnosen und kann von so einem Verhalten nach Medikamenten berichten? Ich habe gelesen, dass sich Autismussymptome verstärken können, wenn man ADHS zusätzlich hat und medikamentös eingestellt ist. Aber genau das ist bei mir ja noch nicht sicher.
Vielleicht spinn ich einfach nur? Bis vor knapp zwei Wochen ging es mir recht gut. Die Gedanken waren sortierter als vorher und ich war wesentlich ausgeglichener. Es kamen zwar neue Macken dazu, aber damit hätte ich leben können.
Es ist eine Wut-Depri Kombi, die mich echt fertig macht.
Entschuldigt den viel zu langen Text. Eigentlich kann ich mich wesentlich gewählter ausdrücken und mich auch kürzer fassen.