Elvanse Überdosierung? Falsches Medikament?

Willkömmchen im Forum :adxs_wink:

Nimmst du morgens 1 x 80mg, oder 2 x 40mg versetzt über den Tag hinweg?

Vor allem in hohen Dosen kommt es nicht selten zu emotionaler Abstumpfung (im Englischen auch Flat Effect oder Blunting genannt).

Es gibt dazu einige Studien im Netz, aber hier mal eine grobe Übersicht, wie es dazu kommen kann.

Die Dosisabhängigkeit emotionaler Abstumpfung durch ADHS-Stimulanzien: Neurowissenschaftliche Mechanismen und klinische Implikationen

ADHS-Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine sind bewährte Medikamente zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS).

Sie verbessern die Impulskontrolle, Konzentration und Exekutivfunktionen, indem sie die Aktivität von Dopamin und Noradrenalin im Gehirn regulieren.

Dennoch berichten einige Patienten, insbesondere bei höheren Dosierungen, von emotionaler Abstumpfung, auch als “Blunting” oder “Flat Affect” bezeichnet.


Neurobiologische Mechanismen der Stimulanzienwirkung

Stimulanzien wirken primär auf zwei Neurotransmittersysteme:

  • Dopaminsystem

    • ADHS ist mit einer Dysregulation des dopaminergen Systems verbunden, insbesondere in den Strukturen des mesolimbischen Belohnungssystems und des präfrontalen Kortex.

    • Stimulanzien hemmen die Wiederaufnahme von Dopamin, wodurch die Dopaminkonzentration im synaptischen Spalt erhöht wird. Dies verbessert kognitive Kontrolle und Motivation.

  • Noradrenalin-System

    • Noradrenalin spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Aufmerksamkeit und kognitiver Flexibilität.

    • Stimulanzien erhöhen die Noradrenalin-Aktivität im präfrontalen Kortex, was die Fähigkeit verbessert, sich auf relevante Reize zu konzentrieren und emotionale Impulse zu regulieren.


Wie führt eine zu hohe Dosis zu emotionaler Abstumpfung?

Die Wirkung von Stimulanzien folgt einer umgekehrten U-Kurve: Eine moderate Dosierung verbessert die exekutiven Funktionen und emotionale Regulation, während eine zu hohe Dosierung zu negativen Effekten führen kann. Dies geschieht durch folgende Mechanismen:

  • Dopaminübersättigung im Nucleus Accumbens

    • Der Nucleus Accumbens ist eine zentrale Struktur des Belohnungssystems. Eine moderate Erhöhung der Dopaminspiegel fördert Motivation und Freude.

    • Eine zu starke Dopaminaktivierung kann jedoch dazu führen, dass das Belohnungssystem weniger sensitiv für natürliche Reize wird. Dies kann eine verminderte emotionale Reaktionsfähigkeit hervorrufen.

  • Herunterregulation von Dopaminrezeptoren

    • Eine chronisch hohe Dopaminfreisetzung kann dazu führen, dass das Gehirn die Anzahl und Sensitivität der Dopaminrezeptoren reduziert.

    • Dadurch werden alltägliche emotionale Erlebnisse als weniger belohnend empfunden, was sich in “Flat Affect” äußern kann.

  • Erhöhte Noradrenalin-Aktivität und emotionale Dämpfung

    • Noradrenalin beeinflusst die Amygdala, eine Hirnregion, die für emotionale Verarbeitung und Reaktionsbereitschaft wichtig ist.

    • Eine übermäßige Noradrenalin-Ausschüttung kann dazu führen, dass emotionale Reize als weniger bedeutsam wahrgenommen werden, was sich in einer reduzierten expressiven Emotionalität manifestiert.

  • Verstärkte Hemmung des limbischen Systems

    • Das limbische System, insbesondere die Amygdala, ist für emotionale Reaktionen entscheidend.

    • Eine übermäßig starke Regulation durch den präfrontalen Kortex kann emotionale Impulse so stark unterdrücken, dass Betroffene sich “innerlich leer” oder “weniger lebendig” fühlen.


Klinische Implikationen und mögliche Lösungen

Um emotionale Abstumpfung zu vermeiden oder zu reduzieren, sollten Patienten und Ärzte folgende Strategien in Betracht ziehen:

  • Dosisanpassung

    • Eine Reduzierung der Dosis kann helfen, das Gleichgewicht zwischen kognitiver Kontrolle und emotionaler Reaktionsfähigkeit wiederherzustellen.
  • Medikamentenwechsel oder alternative Therapieoptionen

    • Manche Patienten reagieren unterschiedlich auf Methylphenidat und Amphetamine. Ein Wechsel zwischen diesen Wirkstoffen kann helfen.

    • Alternativen wie Atomoxetin oder Guanfacin können in Betracht gezogen werden, da sie andere Wirkmechanismen haben.

  • Dopaminregulation durch natürliche Strategien unterstützen

    • Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere Ausdauersport, kann helfen, das Dopaminsystem auszugleichen.

    • Soziale Interaktionen, Musik, Meditation und kreative Aktivitäten können helfen, natürliche Belohnungssysteme zu aktivieren.

  • Medikamentenpausen (Drug Holidays)

    • Einige Patienten profitieren von gelegentlichen “Medikamentenpausen” (z. B. am Wochenende oder in den Ferien), um die natürliche Dopaminregulation zu unterstützen.
  • Psychotherapeutische Begleitung

    • Eine Verhaltenstherapie kann helfen, Strategien zur Verbesserung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit zu entwickeln.

    • Achtsamkeitsbasierte Therapie kann das Bewusstsein für eigene Emotionen stärken.


Fazit

Emotionale Abstumpfung unter ADHS-Stimulanzien ist ein reales und dosisabhängiges Phänomen, das durch eine Dopaminübersättigung, Rezeptor-Anpassungen, Noradrenalin-Überstimulation und limbische Dämpfung verursacht wird.

Die richtige Dosierung ist entscheidend, um die Vorteile der Medikation zu nutzen, ohne die emotionale Reaktionsfähigkeit zu verlieren.

Eine individuelle Anpassung, gegebenenfalls ein Medikamentenwechsel oder zusätzliche psychologische Strategien können helfen, eine optimale Balance zwischen kognitiver Kontrolle und emotionaler Wahrnehmung zu erreichen.