Mir spielt meine Wahrnehmung manchmal einen Streich…
Dann schaue ich auf die 30 + x Jahre vor Diagnose, Medikation, Befassung mit Selbstoptimierungswerkzeugköfferchen, etc.
Und dann vergleichend auf den kurzen Zeitraum mit all diesem neuen Gepäck. Und dann frage ich mich, ob ich ohne das alles nicht besser dran wäre. Was das alles überhaupt gebracht hat, usw. Ob ich nicht die Büchse der Pandora besser zugelassen hätte.
Der Punkt ist aber: Die Gleichung geht so nicht auf. Der Vergleich funktioniert nicht. Ich kann nicht meinem medikamentierten heutigen ADHS-Ich mein 25 jähriges Ich (inkl. Vergangenheitsverklärung und Unschärfe) gegenüberstellen und so tun, als sei das noch meine Alternative. Denn so oder so wäre ich heute nicht mehr 25.
Wenn ich wirklich mutig genug bin hinzugucken, muss ich auch auf die Version von mir gucken,
- die im überreizten Alltag immer mehr an ihrer Gedächtnisleistung zweifelte,
- die verzweifelt einem Arzt-Termin hinterhertelefoniert hat,
- die Nikotinpflaster in Stärke 3 zur Überbrückung genommen hat,
- die Anlass sah, sich eine solche Diagnose ans Bein zu binden, die evtl. Konsequenzen hat für Versicherungen, Beamtenlaufbahn, etc…
- die zum ersten Mal mit einem BtM-Rezept in eine Apotheke ging und sich tierisch damit geschämt hat…
- die sich in einem Internet-Forum angemeldet hat, …
Und diese kritische Akut-Phase müsste ich m.E. versuchen, so realistisch wie möglich weiterzuspinnen, inkl. 2 Jahre nicht vorhersehbarer Pandemie. Wo hätte die Kurve hingeführt? Wenn, dann wäre das die maßgebliche Vergleichsgröße.
Realistisch bzw. Realitätskontakt ist aus meiner Sicht das Stichwort:
Mit der Diagnose und Eindosierungsversuchen, etc. ändert sich alles Mögliche. Nicht zuletzt der Blick auf sich selbst, die Welt, die Vergangenheit, die Zukunft, etc.
Als Selbstständiger hast Du aber doch jede Menge Möglichkeiten, Dir dabei Realitätskontakt zu sichern. Umsatzsteuer-Erklärungen, Auftragslage, Kunden-Feedback. Deine Entwicklung ist doch objektiv messbar.
Mit reiner Zuversicht kann und muss man vielleicht mal eine gewisse Strecke überbrücken und ohne äußere Belege fest an sich glauben. Aber eigentlich sichern jede Menge „Objectives and Key Results“ eine gute Bodenhaftung und gute Bedingungen.
Mit den Problemen von Suchtkranken in einer Einrichtung kannst Du Dich m.E. noch befassen, wenn Du suchtkrank in einer Einrichtung bist. Bis dahin kannst Du Dir Zuversicht erlauben, selbstbewusster in Deine Zukunft gehen und mit voller Kraft voraus an der arbeiten und auf objektiv messbare Entwicklungsgrößen vertrauen.