Emotionale Vernachlässigung

Hallo,

ich habe gestern darüber gelesen, dass emotionale Vernachlässigung in der Kindheit zu den selben Symptomen wie bei einer ADHS führt.
Wie trennt man das dann?

Wenn ich an meine Kindheit denke, dann kann ich mir schon vorstellen, dass ich vernachlässigt wurde.
Ich war eben oft mit mir selbst beschäftigt, meine Eltern hatten irgendwie ihre eigenen Probleme bzw waren mit sich selbst total überfordert.
Mir wurde immer gesagt ich war ein sehr ruhiges und unkompliziertes Kind, habe mich meist selbst beschäftigen können.

Meine Mutter war schon fürsorglich, aber eben auch eine verzweifelte Frau.
Wenn ich mir ausmale, dass diese Empathiefähigkeit bzw das Wahrnehmen so vieler Schwingungen/Stimmungen damals schon bei mir ausgeprägt war, dann wundert es mich nicht, dass ich mich zurückgezogen habe (Traumwelt).

Man muss ja keine Horrorkindheit haben, emotionale Vernachlässigung kann ja sehr subtil laufen in der Kindheit. Nach außen sieht alles toll aus.

Wie ist es Euch da ergangen?

Grüße,

Irrlicht

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Auf adxs.org wird das Thema „Ursachen“ behandelt und ich glaube früher gab es ein Thread, wo Trauma in der Kindheit in Zusammenhang mit Adxs Symptomen diskutiert wurde. Ich kann mich daran wage erinnern, aber es war so, dass man mit Adxs geboren wird, aber die Schwere der Symptome, die sich später entwickeln und manifestieren, von mehreren Faktoren abhängt, drunter auch Trauma/ Vernachlässigung in der Kindheit!

Für mich ist es inzwischen nebensächlich woher die Symptome kommen, sobald mir die Medikamente halbwegs helfen. Ich meine, man hat bereist sein Dopaminmalgel und man er muss/soll/kann behandelt werden.

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Ich sehe es ähnlich wie @allmighty
Letztendlich ist es relativ unwichtig woher es kommt, wichtiger ist zu wissen, dass man es hat und wie man damit umgeht. Sprich Medikation, Verhaltenstherapie, Sport etc.

Es ist noch ziemlich kurz her, dass ich das auch gelesen habe. Ich meine da steht, dass Adxs oft genetisch bedingt ist und oft vererbt wird. Es muss nicht zwangsläufig ab Geburt vorhanden sein, kann in der Kindheit auch durch zb traumatischen Erlebnisse entstehen.

Mit den derzeitigen Möglichkeiten der Medizin, ist es wohl nicht möglich, genau diese eine Ursache nachzuweisen.

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Naja, evtl ist bei emotionaler Vernachlässigung ein anderer Therapieansatz zielführender und vielversprechender.

Was ich eben oft lese ist, dass viele hier auch aus kaputten bzw problematischen Elternbeziehungen kommen.

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Wenn Dir da konkrete Alternativen vorschweben: Kannst Du sie testen und die Ergebnisse vergleichen? Vielleicht gibt es sogar Therapieansätze, die bei ADHS und bei emotionaler Vernachlässigung eingesetzt werden. Vagusnerv-Übungen zur besseren Selbstregulation zum Beispiel. Mit denen machst Du dann ja mal sicher nichts falsch.

Ich fürchte dieses Level „Aber was, wenn ein anderer Therapieansatz zielführender ist?“ muss jeder für sich ein paar mal durchspielen, bis es langweilig wird… Möglichst bewusst und mit Blick auf das, was konkret hilft.

Ich kenne das in den Spielarten: a) „Ja, aber was, wenn es nur reaktiv auf die HB-Reizoffenheit ist und Medikamente eher nachteilig, jedenfalls mittelfristig“? b) „Habe ich vielleicht einen Schaden gekriegt, weil meine engste Bezugsperson in der Kindergartenzeit mal lange im Krankenhaus war?“ oder c) postgenerationales Kriegstrauma? Und d) neulich sogar mal „ja, aber was, wenn meine Mutter während der Schwangerschaft vielleicht zur Selbstmedikation Alkohol getrunken hat?“ (Das fand ich dann im Rückblick eine sehr unfaire Unterstellung. Habe ich mit Rüge ans Unterbewusstsein zurückgeschickt, sich besser zu benehmen und ein Dankbarkeitstagebuch zu führen.)

Oder auch mal „ja, MPH ist ganz ok, aber was, wenn Elvanse viel besser ist“? Habe ich ausprobiert. War es nicht. So sehr nicht, dass ich jetzt (im Moment…) keinen Bedarf mehr habe auf „ja, aber was, wenn Ritalin viel besser ist als Medikinet“?

Eine meiner wenigen Gewissheiten ist dankenswerterweise, dass ich das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten war. Da gibt es sogar Dokumentation zu. Die Schreibweise meines Namens wurde Jahre vor meiner Geburt recherchiert. (Ählementeri oder doch Elementary… :slight_smile: ) Liebe reichte leider nicht, um innere Unruhe und Chaos aus dem Leben zu halten. Bei keinem der Beteiligten. Auch eine bullerbüeske Dorf-Kindheit reichte nicht.

Wenn man sich vor Augen führt, wie so ein ADHS-Hirn tickt… mit dieser von Lachenmann so gut bebilderten Weise, nach jeder Weggabelung eine neue Weggabelung aufzumachen. Dann ist dieses „links oder nicht doch rechts“-Zweifeln vielleicht der Default-Modus, mit dem wir arbeiten müssen und im besten Fall können?

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Du kannst das Thema nach wie vor therapeutisch aufarbeiten. Ich würde dir sogar raten, da du noch nicht mit Medikamenten angefangen hast, dir einen Therapeuten zu suchen, der u.a. wegen der Einstellungsphase an deiner Seite steht. Eventuell tritt bei dir auch dieser „Kanalraten Effekt“, der @Elementary hier im Forum immer wieder erwähnt, also wäre es dann nicht verkehrt, therapeutische Unterstützung zu haben.

Ein Zweifel an die Diagnose und eventuell die Angst davor, dass die Medikamente als letzter Anker nicht helfen würden, gehören zum ganzen Prozess dazu. Ich kenne es nämlich ebenfalls ganz gut.

P.S. Jetzt ist mir klar geworden, dass meine Sache mit FB und die dazugehörende Aufarbeitung ebenfalls zum Kanalraten Effekt gehören. Man bin ich langsam manchmal.

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Was ist denn der Kanalratteneffekt?
Ich bin gerade erst aus Therapie entlassen und nicht gewillt wieder in eine einzusteigen. Wüsste gar nicht was wir da bearbeiten sollten, habe alles durch mit meiner alten Therapeutin. Waren auch 1,5 Jahre.

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Wenn ich Winkler richtig verstehe, bezeichnet er damit das Phänomen, dass eine durch die Medikation verbesserte Selbstwahrnehmung bewirken kann, nicht nur die Blumen am Wegesrand der Gegenwart, sondern gleichzeitig die Misthäufchen der Vergangenheit schärfer wahrzunehmen, so dass die gefühlt wie Kanalratten aus der eigenen inneren Unterwelt hochkommen.

Man nimmt ggf. alles besser wahr, Schönes und Nicht-Schönes. Und wenn dieser Zusammenhang nicht gesehen wird, interpretiert man das Nicht-Schöne als Nebenwirkungen, Rebound, Dosierungsprobleme, etc. Obwohl es vorher schon genauso da war und sogar gleich groß, nur nicht so deutlich zu sehen bzw. wahrzunehmen.

Würde ich einfach abwarten und als Merkposten im Hinterkopf behalten. Vielleicht hast Du Deine Rohre ja schon durchgekärchert in den 1,5 Jahren und da sind gar keine Ratten (mehr). Oder nur freundlich-konstruktive Ratten wie Remy aus Ratatouille.

Ich hätte allerdings gleichzeitig die Hoffnung, dass auch Folgen einer emotionalen Vernachlässigung in der Kindheit durch so eine Grundreinigung spürbar reduziert würden. Beispielsweise wenn eine übermäßige Sorge um Bezugspersonen dazu führt, dass die Aufmerksamkeit ständig nach außen gerichtet ist und nicht bei der eigenen Person oder eigenen Zielen bleiben kann, ggf. mit Helfersyndrom bis in die Gegenwart. Solche Zusammenhänge würden doch ggf. auch klar und ansatzweise umgelernt. Vielleicht ist das, was noch da ist, dann tatsächlich nur handelsübliches ADHS. Vielleicht war es das sogar bei Deiner Mutter. Ist aber nur meine Milchmädchenlogik.

Da Du ja auch schon mal die Sorge geäußert hast, Dir die „stabile und schöne Phase“ kaputtzumachen, würde ich jetzt nicht auch noch Rattenplagen-Sorgen in den Rucksack packen oder sonstige ungelegte Eier ausbrüten. Ist ja alles in kleinen Schritten ausprobierbar und ggf. wieder reversibel.

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Ich glaube euch und finde eure Ausführungen auch sehr plausibel.

Ich glaube es rührt einfach daher, dass ich schon immer ein sehr kritisches Gemüt hatte und weil ich irgendwie nicht so recht glauben mag, dass die Tabletten jetzt noch so lifechanging für mich sein sollen.

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Am besten gar nichts glauben. Nur eben auch sich selbst nicht alles, was man so denkt den ganzen Tag lang. Eigene Erfahrungen machen und im Idealfall daraus dann ableiten, was hilft und was nicht.

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Wie recht du hast!

Hallo Irrlicht,

Ich bin noch ganz neu hier und bin gerade über deinen Post gestolpert und musste hart schlucken… Das hätte ich schreiben können :no_mouth:

Genau das gleich wurde über mich gesagt- ist imernoch so…! weswegen mein Vater bis jetzt nicht begreifen kann, warum ich als Erwachsene so viele Psychische Probs habe…

Meine Mutter hatte auch krass zu kämpfen mit sich selbst und ich habe all diese Emotionen aufgesogen wie ein Schwamm… Krass einfach…

Liebes @Irrlicht
Es lastet sehr, wenn man eine unglückliche Kindheit hatte.
Traumata haben selbstverständlich viele Folgen auf das spätere Leben. Ich denke, es ist wichtig diese Sachen aufzuarbeiten - und letztendlich die Vergangenheit loszulassen. Das die Sachen ja mehr im unbewusste Triggern, gar nicht einfach.
Ich hab viel geschrieben. Und Gelesen. Und meine Kindheit hatte auch ihre Sachen, realisierte aber, dass ich wirklich nette und wohlwollende Eltern hatte. Die aufkommende Depression meiner Mutter, machte mir in jungen Erwachsenenalter riesige Probleme, es zog mich SEHR rein.
Nun wo ich die Sachen aufgearbeitet habe, kommen meine „wirklichen Probleme“ zu Tage…

Die Prägung, Erfahrungen und auch durch die Brille von AD(H)S, wo viele sehr sensibel sind und die Eltern vielleicht keine Geduld hatte, muss schwer sein.

Man hat ja heute zum Glück die Möglichkeit mal zu recherchieren, was die AD(H)S-Symptomatik ist, und ob das Sachen sind, die einem Probleme bereiten, dann kann man die AD(H)S bedingten Problem ja erkennen, auch solche die man vorher nicht gekannt hat, z.B. dass man sensibel ist und Ängste pkto Abweisung.
Dann kann man sicher auch erkennen, welche Folgeprobleme durch AD(H)S entstanden sind, auch mit den Mitmenschen…

Ich denke mir immer, man braucht keine Psychologiestudium (das hilft ja vielen die sich selbst suchen gerade nicht).
Aber was hilft, ist sich selbst zu erkennen, was aber ein langer Weg ist.