Fabulieren - großartige Geschichten, die erfunden sind und für wahr verkauft werden

Hallo

Unsere 8jährige hat ADHS und ist dank Medikamente nun deutlich zufriedener, umgänglicher und konzentrierter. Und ist doch vollkommen sie. :slight_smile:

Was uns allerdings beschäftigt, ist ihr Drang zu fabulieren. Den Drang hatte sie auch ohne Medikamente.
Sie erzählt im Brustton der Überzeugung phantastische Geschichten. Leider so überzeugend, dass es das Umfeld sehr irritiert.

Wir loben sie einerseits für ihre Phantasie, aber leider stoßen wir mit der Bitte es einzuleiten mit „stell dir mal vor“ oder ähnliches auf taube Ohren. Auch Hinweise, dass sie dadurch unglaubwürdig wird, fruchten nicht. Ich weiß nicht (abgesehen von der Kreativität), ob es einen Zusammenhang mit ADHS gibt. Habt ihr Tipps für uns?

Heute will ich sie mal bitten, ob wir nicht gemeinsam eine ihrer Geschichten aufschreiben wollen. Sie wollen ja offensichtlich raus und ich will ihre Kreativität auch nicht ersticken.

Ich hätte es nur sehr gerne, dass sie auf „stimmt das wirklich“ auch mal mit nein antwortet. Ich mag mir nicht ausmalen, was passiert, wenn ihr was schlimmes widerfährt und wir es nur halb ernst nehmen, weil es wieder so unglaubwürdig erscheint.

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Kenne ich sehr gut aus meiner Kindheit und ich war überzeugt, dass es stimmt. Für mich war es einfach so und die Geschichten waren eindeutig erfunden für die Erwachsenenwelt, doch ich habe sie gelebt.

Als Erwachsene habe gedacht, dass ich diese erfunden habe, weil mein Umfeld ( Eltern) mich sonst gar nicht wahr genommen haben und ich eine sehr lieblose Kindheit hatte, inzwischen denke ich aber, dass ich das gebraucht habe.
Das Leben drum herum war so eintönig und routiniert, dass ich als Chaoskind davon gelangweilt, unterfordert war.
Also gab es in meinem Ablauf immer besondere erfundene Abschnitte eines aufregenderen Lebens. Und dieses erfundene war mir nicht bewusst.

Heute sage ich mal, es war eine geistige und auch insgesamte Unterforderung und ich habe es mir irgendwie erträglich gebastelt.

Die Geschichten aufschreiben, sagen wie beeindruckend sie sind und vielleicht locken mit einem eigenen kleinen Buch, dass er verfassen kann, gibt ihm vielleicht eine wichtige Aufgabe. Wichtig ist dann auch das Interesse daran bekunden, sonst bringt es ihm nichts.

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Hallo liebe @Pflegemama ich frage mich gerade ob das eigentlich nicht völlig normal ist das ein 8 jähriges Kind noch eine blühende Fantasie hat?, und dann auch noch, warum man ihre Geschichten mühsam aufschreiben sollte, wenn es doch viel einfacher wäre wenn man ihre Geschichten mittels Tonaufzeichnung aufnehmen würde, wenn man die Geschichten schon aufzeichnen möchte.
Ausserdem hätte man sozusagen einen Beweis das sie die Geschichten wirklich erzählt hat, falls sie es mal abstreiten würde.
Was ich aber noch nicht ganz verstanden habe ist, handelt es sich um Geschichten á la Alice im Wunderland ect., oder um Geschichten wie „der:die hat dies und jenes gesagt…“, oder „da oder dort ist dies und jenes passiert…“, also Quasi irgend welche Lügenmärchen die sie über andere erzählt?.

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Mir haben damals Geschichten geholfen über Menschen , die viel „ gelogen“ haben und denen man dann im wichtigen Moment nicht glaubte .
Geschichten über Wahrheit und Ehrlichkeit.

Das Problem ist ja auch , dass sie selbst erfassen lernen muss was nur im Kopf abgeht oder reell passiert ist.

Ist es nicht auch eine Phase einer bestimmten Entwicklungsstufe wenn solche Geschichten entstehen. ???

Vielleicht könnt ihr ja zwei Bücher anlegen . Eines als Tagebuch für dass was wirklich geschah eines für ihre Geschichten, dass sie quasi jedesmal entscheiden muss wo es jetzt hingehört .

Oder ihr erzählt Geschichten oder was wahres und sie muss herausfinden ob es eine Geschichte war oder ob ihr es erfunden habt.
Und sie darf es umgekehrt mit euch auch bewusst spielen.

Danke für Euren Input. Wenn man von der Schule mehrfach darauf angesprochen wird, ist es m.E. schon ein Zeichen, dass es über das übliche hinaus geht.

Die Geschichten sind sehr unterschiedlich. Mal wiederholt sie echte Erzählungen ihrer Schwester und macht sie sich zu eigen und schmückt sie aus, ersetzt die Personen. Da ist es m.E. Wunsch die Aufmerksamkeit auf sich zu kommen. Wir achten sehr darauf, dass hier jede*r zu Wort kommt.

Mal sind es Horrorgeschichten wie Brand, Verkehrsunfall etc. Da sie kaum Medien und wenn dann begleitet konsumiert, können wir da auch einen Zusammenhang ausschließen.

Mal sind es natürlich auch die klassischen Notlügen.

Und manchmal sind es auch einfach nur nette phantasievolle Geschichten.

Aufmerksamkeit bekommt sie hier reichlich. Seit den Medikamenten vielleicht in der Schule etwas weniger, weil sie dort jetzt nicht mehr soviel aneckt und dadurch weniger auffällt/Aufmerksamkeit bekommt.

Wenn ich darüber nachdenken, ist die Geschichtenfrequenz Zuhause stabil geblieben (wenn gleich immer noch hoch) und anscheinend in der Schule stark angewachsen. Vielleicht sollten wir diesbezüglich mit den Lehrkräften sprechen.

Bücher zum Thema Lügengeschichten und ihre Wirkung ist noch eine Idee.
Heute saßen wir lange zusammen und haben gemeinsam den Anfang einer neuen Geschichte in ein Heft geschrieben und gemalt.

Erlebnisse hat sie genug. Manchmal erzählt die Schule von Lügengeschichten genau nach Wochenenden von denen ich denke, dass diese eigentlich genug wahres zum großartigen Erzählen lieferten… Aber das kenne ich auch von meiner anderen Tochter. Man hat einen tollen, besonderen Ausflug am Wochenende gemacht und ins Tagebuch wird am Montag übers Wochenende geschrieben „habe mit Nachbarskind gespielt“. Manchmal ist Spiel mit Freund*innen auch einfach wichtiger als Familienausflüge oder -aktivitäten.

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Hallo Pflegemama,

ja, unser Sohn hat für sich eine heilsame, wunderschöne Welt zusammenphantasiert… wir haben zusammen ein Heft angelegt. Da zeichnet, schreibt und klebt er Dinge hinein, die in diese Welt gehören. Aktuell erfindet er auch immer wieder Gesellschaftsspiele und trägt auch diese ein. Er hat sich Tierpersönlichkeiten ausgedacht und ich habe ihm Kuscheltiere geschenkt, auf die die Beschreibungen passten. Als ich mein zweites Kind bekam, schlüpfte er plötzlich in die Papa-Rolle für seine Kuscheltiere. Die hat er immer noch. Er erzählt, wie er die Tiere zum Turnen bringt, welche sozialen Konflikte sich im Umgang mit ihnen ergeben, dass sie gerade auf Klassenfahrt in Australien waren und an prähistorischen Ausgrabungen teilgenommen haben etc…

Ich denke, dass es eine Art Hyperfokus ist, der Entspannung und Ausgleich ist. Ich halte es für absolut ADHS-typisch.Einfach eine Welt OHNE STRESS.
Ich habe mir früher auch intensiv Geschichten ausgedacht. Genaugenommen Märchen. Wenn Kinder zum Spielen kamen, habe ich die Rollen verteilt und jede Rolle, die gerade keiner wollte, übernommen, um die Handlung voranzutreiben. So weit ich mich erinnern kann, habe ich das sehr oft gemacht. Offenbar müssen die Stories auch für andere ansprechend gewesen sein.
Der Unterschied ist, dass es nach außen hin eine klare Abgrenzung zur Realität gab.

In meinem Gemütsleben war die Abgrenzung zwischen Fantasie und Wirklichkeit aber nicht immer so eindeutig- weil ich es auch gar nicht wollte. Ich habe nur nicht darüber gesprochen, weil ich die Witze meiner Brüder gefürchtet habe.
Kurzum, auch wenn Deine Tochter sagt, „Nein, die Geschichte stimmt nicht.“, dann kann sie insgeheim trotzdem denken…“doch, weil ich es so gut finde.“

Passt da irgendetwas zu dem, was Du erlebst?

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Oh, jetzt lese ich gerade Deinen zweiten Beitrag….
:grin:ja…… da hab ich nicht genau hingeschaut-ok-
Du meinst etwas, dass tatsächlich soziale Probleme mit sich zieht. Ganz andere Nummer. Hm… ich glaube, dass würde ich mir tatsächlich mit einer therapeutischen Fachkraft genauer anschauen.