Hallo,
ich muss mir mal den Frust von der Seele schreiben. Frust trifft es nicht ganz, eher Wut, Trauer, Verzweiflung, …
Die Beziehung zu meinen Eltern war zu mir (w31) schon immer schwierig, das habe ich aber erst in den letzten Jahren so richtig begriffen. Mir und meiner Schwester (20) wurde immer gesagt, bei uns wäre alles normal und wie überall und wir wären wie alle Kinder gewesen.
Allerdings erinnere ich mich noch sehr an Gebrülle wegen unordentlicher Zimmer, Chaos in der Schultasche, vergessener Aufgaben etc. Ich denke, meine Mutter hat das alles vergessen, weil meine Schwester, die 10 Jahre nach mir pubertär wurde, krassere Dinge gemacht hat (Schule schwänzen, Drogen etc.) und so der Vergleich mit mir, der „tollen“ und „perfekten“ Tochter gut in den Kram gepasst hat und Erinnerungen überschrieben hat.
Meine Mutter hat mir zu meinem 30. Geburtstag ihr altes Tagebuch geschenkt bzw. abgeschrieben und alle Passagen, in denen ich vorkomme, gegeben. Das hat mir auf vielen Ebenen das Herz gebrochen. Sie wollte mich mit dem Geschenk an schöne Urlaube erinnern, allerdings hat das ganz andere Dinge in mir losgelöst. Ich habe quasi meine Kindheit noch einmal erlebt, aber aus ihrer Perspektive. Ich war schockiert, wie sie teilweise mit mir umgegangen ist und wie wenig reflektiert sie mich erzogen hat. Nicht einmal hinterfragt, ob das, was sie macht, ok ist.
Sie hat oft „hintenrum“ Erwartungen gestellt, abgewartet, ob ich sie erfülle (Hausaufgaben machen, Müll rausbringen…) und dann kam ein „ich wusste es ja, du enttäuschst uns immer nur“. Das Ganze gepaart mit einem großen Bedürfnis nach Mitleid, wir mussten sie immer trösten. z.B. musste ich, als unsere Eltern sich trennten, sie regelmäßig aus einem Heulkrampf herausholen, oft kamen Sachen wie „dein Vater hätte sich ohne dich schon umgebracht“ etc. Ich hatte ein sehr starkes Verantwortungsgefühl, auch meiner Schwester gegenüber, erinnere mich aber auch noch daran, dass ich als 14-jährige in den Tenor mit eingestiegen bin und meiner Schwester ihrerseits ebenfalls „war ja klar, dass das nicht klappt“ an den Kopf zu knallen. Daran habe ich natürlich immer noch zu knabbern. Ich wurde nicht geschlagen und auch nicht von ihr bewusst psychisch misshandelt, aber schon in eine Richtung gedrängt, die sich heute darin äußert, dass ich extreme Probleme mit Kontrollverlust habe, Selbsthass und einem permanenten schlechten Gewissen allem und jedem gegenüber.
Mein Vater war sehr explosiv und ich war nie vor ihm „sicher“, wenn er seine Launen hatte, fand er einen Grund. Ich wurde zB angebrüllt, dass ich seine Waschmaschine benutze und so die Umwelt zerstöre.
Nun habe ich gerade meine Diagnose ADHS bekommen und der Psychiater meinte, es wäre möglich, dass die Erziehung einen großen Teil zur Symptomatik beiträgt. Ich bin unsicher - wie lässt sich das denn auseinanderhalten? Falls ich wirklich ADHS habe, könnte ich Medikamente nehmen (bin auch gerade am Eindosieren). Allerdings frage ich mich, ob es möglich ist, dass eine entsprechend gerichtete Erziehung vielleicht das komplette Bild von ADHS produzieren kann?
Und dann würde ich ja die Medikamente nehmen, ohne dass der Dopaminmangel vorliegt.
Ich bin weniger hyperaktiv, mehr abwesend, unaufmerksam und sehr vergesslich.
Manchmal denke ich, dass ich dieses Verhalten erlernt habe, weil ich in der Kindheit bemerkt habe, dass ich mich nicht anstrengen brauche, da ich sowieso immer angebrüllt werde, egal, wie ich es mache. Und so hat mein Hirn nie gelernt, sich Dinge zu merken.
Kann so etwas sein?
Lieben Gruß an alle.