Hi zusammen,
leider habe ich nicht die Zeit hier ausführlich auf mein Leben mit AD(H)S einzugehen, welches mich schon seit meinem Kleinkindalter spürbar prägt. Bzw. würde ich mir die Zeit dafür nehmen, würde ich wieder nicht etwas von all den anderen Dingen tun, die schon Minuten, Stunden, Wochen, Monate, und manche auch Jahre, darauf warten von mir erledigt zu werden. Die Versuchung ist groß, aber das Bewusstsein (und meine Freundin im Nacken) ist auch da, dass ich gerade weitaus dringendere Dinge zu regeln habe, als hier mit Leib und Seele im Forum zu versinken.
Deshalb nur das wichtigste zur Sache „Falschdiagnose Depression?“ in Kürze:
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Nachdem ich den Gang zum Psychotherapeuten weit über ein Jahrzehnt vor mir her geschoben hatte, war letztes Jahr tatsächlich die erste Sitzung meines Lebens.
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Es waren insgesamt nur 3 Sitzung (abzgl. Formalitäten etwa 2h Gesprächszeit), in denen ich von einer Hand voll prägenden Situationen der letzten 10 Jahre erzählte und zudem meine aktuell anhaltenden Probleme bezüglich Konzentrationsmangel, ständiges Verschieben, fehlender Energie/Motivation und starken Handlungsblokaden in vielen Bereichen offengelegt habe.
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Nach diesen 3 Sitzungen stand die Diagnose: Depression und Behandlung mittels 20mg Paroxetin. Erst als ich dann gesagt habe: „Krass, und ich dachte ich hätte ADHS“, wurde der Therapeut stutzig und meinte, dass das natürlich auch eine Möglichkeit sei, aber ich trotzdem Depressiv wäre und ein schlechtes Selbstwertgefühl hätte. (Habe ich meiner Meinung nach übrigens nicht. Bin lediglich sehr selbstkritisch, da ich schon mein Leben lang gegen mich selbst kämpfen muss um z.B. einfachste Dinge zu erledigen, die ich eigentlich erledigen will usw… Aber finde mich trotzdem okay, bzw. bin stolz darauf wie viel ich erreicht habe ohne wirklich viel (oder zumindest nieeee rechtzeitig etwas) zu tun. )
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Nächste Station Hausarzt, nach wie vor mit der Diagnose Depression, aber nun auch mit Verdacht auf ADHS. Dort dann auf Empfehlung des Therapeuten das Paroxetin verschrieben bekommen und eine Überweisung zum Psychiater zur Abkärung von ADHS.
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Das Einschleichen des Paroxetin war die Hölle. Bereits direkt nach dem Aufstehen anhaltende Angstgefühle, die lediglich meinen Körper, aber nicht meinen Kopf einnahmen. D.h. ich war ängstlich verkrampft, ohne zu wissen warum. Die Tage darauf kam dann eine Art psychedelische Wirkung, in der ich während meiner Psychoedukation klares Verständnis für ADHS und wie es mich prägt erfuhr. Dies war zeitenweise sehr bereichernd, aber auch oft sehr angsteinflößend, wann dann u.a. zu einer richtigen Panikattacke führte. Sowas hatte ich in meinem Leben erst ein einziges Mal erlebt, als mir vor etwa 8 Jahren auf Cannabis bewusst wurde, dass ich (mal wieder) das ganze Semester (Studiumabschluss) verdrängt hatte und es nun endgültig für alles zu spät war.
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In dieser Einschleichphase bin ich auch einfach schon bei der Psychiaterin aufgetaucht, obwohl der Termin erst viele Monate in der Zukunft war. Ich habe zwar keine Diagnose bekommen, aber zumindest ein erstes Gespräch. D.h. ihr erster Eindruck von mir war, dass ich nicht nur mit einer diagnostizierten Depression zu ihr kam, sondern auch sichtlich völlig aufgelöst war. Ich sollte das Paroxetin also weiternehmen und auf die ausführlichen Tests warten.
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Nach dem Einschleichen ging es mir okay, also stimmungsmäßig gut. Ich war aufgedrehter und kommunkativer. Ich habe vom Paroxetin so schnell so viel geredet, dass jeder der mit mir zu tun hatte (Familie, Freunde, Kollegen, Chef, …), sofort merkte, dass ich irgendwas genommen habe oder zumindest „anders bin“. Meine Leistung in der Arbeit ging aber weiter rapide runter, da ich mich NOCH schlechter konzentrieren konnte und stattdessen lieber mit jedem tiefe Gespräche führen wollte. Ich habe mich jeden Tag wie auf etwas rationalerem MDMA gefühlt. Das schlimme: Mein Fokus, meine Merkfähigkeit und meine Impulskontrolle ging genau wie meine Arbeitsleistung rapide bergab. Ich habe mich jedem geöffnet und hatte das Gefühl einfach alles mitteilen zu müssen. Habe dann z.B. bereits in der Arbeit erzählt, dass ich ADHS habe, und dies wie gesagt noch vor der offiziellen Diagnose.
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Als mir bewusst wurde, dass ich nicht mehr jeden Tag wie auf MDMA rumlaufen kann, habe ich meinen Therapeuten angerufen und gesagt, dass ich mich mit Paroxetin nicht wohlfühle. Ich sagte, dass ich mich fühle, als ob es mein ADHS verstärkt, und keine einzige meiner Handlungsblokaden aufgelöst ist (sie waren mir nur mehr egal). Darauf meinte er, es würde mir mein ADHS lediglich bewusster machen und ich solle auf 30mg erhöhen, dann würde es mir besser gehen. Spoiler: Es wurde nicht besser.
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War eigentlich kein Spoiler, denn mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Hatte dann irgendwann endlich meinen zweiten Termin bei meiner Psychiaterin und am selben Tag noch die Diagnose ADHS und Depression. Ich sollte für den Start dann neben den 30mg Paroxetin noch 30mg Methylphenidat (Medikinet Adult) nehmen. Habe dann gesagt, dass ich das Paroxetin aufgrund Verschlechterung meiner ADHS Symptome nicht mehr nehmen werde, woraufhin ich stattdessen 20mg Escitalopram verschrieben bekam. Sollte 2 Wochen später ne Mail schreiben, wie es mir geht.
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6 Tage später stand ich wieder spontan bei ihr auf der Matte und sagte, dass ich das Medikinet nicht mehr nehmen kann. Ich hatte nur sehr kurze Up-Phasen (max 2h) und dann einen heftigen Reboundeffekt, d.h. danach war ich völlig konzentrationslos, unmotiviert und vorallem unheimlich müde. Am schlimmsten waren aber die körperlichen Nebenwirkungen wie Eiseskälte, ein dumpfes Drücken in der linken Brust, Taubheitsgefühle am linken Schulterblatt sowie Beklemmungen beim Atmen übern ganzen Brustkorb.
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Habe dann statt dem Medikinet, 30mg Elvanse Adult (Lisdexamfetamindimesilat) verschrieben bekommen. Gleichzeitig fragte ich sie nach dem Grund meiner Depressionsdiagnose, also warum genau ich eigentlich depressiv bin. Sie hat mich kurz fragend angeschaut und dann in Ihren Unterlagen gesucht: „Sie wurden mit der Diagnose Depression von Ihrem Hausarzt an uns überwiesen“ - „Ja, aber der hat die Diagnosen von einem Therapeuten, der mich genau 3 Sitzungen lang gesehen hat“ - „Hmm, moment… Und sie haben laut Computertest bei uns eine Depression der Stufe 4/5“ - " ". Hatten dann aber noch über die Möglichkeit gesprochen, dass auch der Test falsch ausschlagen könnte je nach ADHS Typ. Letztendlich wollte sie es mir überlassen, ob ich das SSRI (Escitalopram) weiternehme oder nach nicht ganz einer Woche schon wieder absetze. Da ich ab diesem Tag, nach der schrecklichen Medikinet Erfahrung, aber auch zu Elvanse Adult wechseln sollte, wollte ich erstmal nichts weiteres ändern, da ich dann wieder nicht wissen würde, ob die Veränderung nun vom Elvanse oder vom Absetzen des SSRIs kommt. Wie gesagt, hatte sie die Depression auch nicht wirklich ausgeschlossen. Mehr nach dem Motto, wenn ich selbst denke ich hätte keine Depression, kann ich es auch absetzen. „Ganz wie Sie wollen“. War mir also immer noch unsicher, was der richtige Weg ist. Ich will ja nichts bestimmtes, außer das Richtige.
Sooo, das war wohl das „wichtigste in Kürze“… ja, ehm … *hust*
Meine ADHS Diagnose ist nun jedenfalls etwas über eine Woche her, ich nehme heute den 4. Tag 30mg Elvanse Adult und ich fühle mich gar nicht gut. Ich bin zwar wach und aktiver, aber kann micht nicht konzentrieren und fühle mich zeitenweise völlig depressiv oder gereizt. Habe heute sogar in einem Moment einfach angefangen zu heulen, obwohl ich nicht mal wusste warum. Mein Verdacht: Der SSRI Wechsel vom Paroxetin zum Escitalopram. Denn so schlecht habe ich mich zuletzt nur beim Einschleichen vom Paroxetin gefühlt.
Nun kam gerade meine Partnerin rein und hat angemerkt, dass ich nur 20 Minuten etwas schreiben wollte und nun schon wieder ewig hier sitze, ohne ihr Bescheid zu geben, dass es länger geht. Ihr vorwurfsvoller Ton hat mich direkt gereizt, und ich musste mit einem Schrei in meine Handflächen meinen Gefühlen Platz verschaffen. Ziemlich impulsiv und peinlich. Passiert sonst zwar mal, aber nicht so schnell. Verstehe es selber nicht. Aber komme nun wirklich zum Abschluss…
Die alles entscheidenden Fragen bzw. der Grund dieses Threads:
- Glaubt ihr nach meiner Schilderung auch, dass die Depression eine Fehldiagnose war?
- Und sollte ich das Escitalopram, nun nach etwas über einer Woche, sofort wieder absetzen?
Ich befürchte unter dem Einfluss von einem SSRI nicht das richtige Medikament für mein ADHS ausmachen zu können, ABER habe nun gleichzeitig Angst durchs wieder Absetzen Nebenwirkungen zu bekommen, die mich nächste Woche wieder nicht produktiv arbeiten lassen. Lieber jetzt vielleicht, wo es sicher bald besser wird, noch weiternehmen und erst ausschleichen, wenn ich in der Arbeit wieder Puffer bzw. nicht so viel angestaut habe? Ich weiß es einfach nicht. Mittelfritiges Ziel ist es Medikamentös optimal gegen mein ADHS eingestellt zu werden, ohne unnötig zu viel zu nehmen. Aber das kurzfristige Ziel ist eindeutig Dinge vom Stapel abzuarbeiten.
Danke für jeglichen Input und sorry für den doch viel zu lang gewordenen Beitrag. (Shoutout geht raus an meine Freundin )
Unentschiedene Grüße,
Yoh
PS: Sorry, keine Zeit nochmal alles zu lesen und auf Fehler zu prüfen.