Familiäre Auffälligkeiten, kann A(u)D(H)S der Auslöser sein?

Hallo zusammen,

vor einigen Wochen sprach ich mit meiner Mutter über meine Tante, die seit Jahren unter starken Depressionen und Ängsten leidet. Sie gilt inzwischen als „austherapiert“, die Psychotherapie wurde beendet mit dem Hinweis, sie wisse alles, was sie wissen müsse. Doch ihre Symptome sind so stark wie nie.

Im Gespräch kamen auch andere Familienmitglieder zur Sprache:
– mein Großvater (ausgeprägte Agoraphobie),
– meine Mutter (frühere Depressionen und PTBS, überwunden),
– ihre Brüder (einer mit Alkoholabusus in der Vergangenheit, der andere sehr zurückgezogen und von Außenstehenden als „sonderbar“ oder „autistisch“ beschrieben),
– und ich selbst (lange Zeit depressive Grundstimmung, ungesunder Alkoholkonsum, heute stabil, v.a. durch die Unterstützung meiner Partnerin).

Vor einigen Tagen zeigte mir meine Frau ein Video mit dem Kommentar: „Der ist genauso bekloppt wie du.“ Es ging humorvoll um Alltagsunterschiede mit und ohne ADHS. Das hat mich zum Weiterlesen gebracht, bis spät in die Nacht. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr erkenne ich mich in vielen Beschreibungen wieder, auch rückblickend auf Kindheit und Jugend: extremes Aufschieben, viel anfangen, wenig beenden, Tagträumen, Selbstgespräche, zwischenmenschliche Unsicherheiten, Schwierigkeiten mit Augenkontakt, Einschlafen nur mit Podcast auf den Ohren u.v.m.

Organisation/Prokrastination kriege ich mittlerweile halbwegs in den Griff, durch intensive Beschäftigung mit Zeitmanagement (kenne alle Methoden und habe dutzende Apps probiert, sogar selbst programmiert und wieder verworfen etc.). Funktioniert mal mehr (Arbeit) mal weniger (privat) gut.

Ich frage mich inzwischen, ob in unserer Familie A(u)D(H)S oder ein verwandtes Spektrum eine tiefere Ursache sein könnte, mit Depressionen, Ängsten oder Alkohol als Folgeerscheinung oder Selbstmedikation. Unsere Familie scheint in vielen Punkten ein ähnliches Muster zu zeigen, v. a. Grübeln, Überforderung, innere Unruhe.

Nun meine Frage:
Haltet ihr es für denkbar, dass hier ein familiäres, internalisiertes, stark kompensiertes A(u)D(H)S mit Folgeerkrankungen vorliegen könnte? Oder überinterpretiere ich aus der typischen Selbstdiagnose-Falle heraus? Ich selbst schneide bei den Selbsttest zwar auffällig ab, aber erfülle nie komplett die Kritereien für ADHS oder autistische Erkrankungen. Kann man beides haben, so dass das eine das andere kaschiert/überdeckt? Zur Zeit habe ich keinen Leidensdruck. Macht eine Therapie trotzdem Sinn?

Und falls es plausibel ist: Wie kann meine Tante das Thema gegenüber ihrem Therapeuten ansprechen, ohne dass es als Laien-Internetdiagnose abgetan wird?

Herzlichen Dank vorab.

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Ja, es passiert immer wieder, dass bei Einame von Medikamenten, welche die Adhs Symptome lindern, Autismus spezifische Erscheinungen auftreten.

Viele von uns haben mal so angefangen wie du.

Denkt denn deine Tante, dass es Adhs oder Audhs sein könnte?
Wenn sie nicht ebenfalls darüber nachdenkt, macht es womöglich nicht so viel Sinn, wenn sie mit einem, „mein Neffe hat gesagt, ich solle mal fragen“, vorbei kommt.
Andererseits, wenn sie ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten hat, kann sie doch alle Gedanke und Zweifel eben an diesem Ort an- oder aussprechen.
Ob der Therapeut sich mit Adhs oder Audhs auskennt ist dann wieder ein anderes Thema.

Wenn du dich dafür interessierst, schau erstmal für dich nach.