Gerechtigkeitssinn, Umgang mit anderen Menschen

Hallo ihr Lieben,

Ich habe einen überaus ausgeprägten Gerechtigkeitssinn (weiß gerade keinen passenderen Begriff) und weiß, dass es vielen von euch auch so geht.

Das hat natürlich viele Vorteile, zB war ich schon mehrfach Ersthelfer bei Unfällen, hab tatsächlich einen wildfremden Mann davor gerettet, vor eine fahrende Bahn zu laufen, etliche Tiere für die ich anhalte…
Jetzt gerade vor 10min. habe ich einem wilden Igel vor der Haustür Wasser gebracht.
Erstmal also Dinge, bei denen man sagen würde, dass das etwas sehr Positives ist!

Jetzt habe ich aber dadurch auch oft Probleme, weil ich sehr schlecht damit umgehen kann, dass andere nicht so sind und handeln wie ich. Denn auch in Gesprächen habe ich oft deutliche Haltungen zu richtig/falsch/moralisch/unmoralisch und stehe dafür ein.

Und ich komme einfach sehr schlecht damit zurecht, wenn für mich eine Situation so glasklar ungerecht/falsch ist aber mein Gegenüber das nicht so sieht und demnach auch nicht handeln möchte.

So eine Situation hatte ich nämlich gerade gestern wieder und die andere Person war mein Partner.

Kennt ihr das auch? Wie geht ihr damit um, dass andere da nicht so sind wie ihr? Macht euch das auch so wütend und fassungslos?
Oft merke ich, dass andere Personen meinen, etwas wäre nicht ihre Verantwortung/man solle sich nicht einmischen/man kann nichts machen.

Ich hoffe ich konnte das einigermaßen erklären, auch ohne Beispiel. Wenn nicht, bitte sagen :slight_smile:

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Geht mir auch so! Je näher die Menschen mir stehen, desto schlechter kann ich es akzeptieren.

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Genauso geht es mir auch.
Und in solchen Situationen hinterfrage ich dann oft sogar, ob ich mich in der Person getäuscht habe…
eigentlich ist das nicht fair aber ich finde keine Lösung für diesen Konflikt in mir. Es ist mir einfach so fremd :neutral_face:

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Liebe @Zoi Du hast das alles sehr gut erklärt und ich kann Dich gut verstehen, und ja, mir geht es genau gleich wie Dir.

Ich war schon öfters in einer Situation in der ich anscheinend die einzige war der auffiel das eine Person neben mir gerade einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag hatte, weil die Person z.B. ganz schlaff da sass und/oder eine Gesichtshälfte z.B. schlaff herunter hing und/oder nicht ansprechbar war, habe dann sofort einen Notarzt gerufen, aber alle anderen sind nur blöd herum gestanden oder haben nur irgendwie Sensationsgeil geglotzt.

Habe auch schon Tiere in Not gerettet, oder Freundschaften und Beziehungen zwischen mir bekannten, aber sogar auch mir zum Teil fast fremden Menschen gerettet.

Oder wenn ich Eltern sehe die schlecht mit ihren Kindern umgehen, die womöglich ihre Kinder anschreien oder schlagen, dann schaue ich nicht weg sondern gebe dann ziemlich deutlich den Tarif durch wie ich über solche beschissen Eltern denke.

Auch am Arbeitsplatz habe ich immer ungeschminkt darüber geredet wenn irgendwas Scheisse in einem Laden lief, natürlich macht man sich dadurch nicht gerade beliebt, besonders weil ja sehr viele Angestellte Arschkriecher sind und sich nicht getrauen das Maul aufzumachen, und wenn dann jemand wie ich kommt wo den Mut dafür aufbringt, ja dann steht man ziemlich alleine da.

Aber mir Scheissegal, ich sage was ich denke und stehe dazu, wenn ich falsch liege kann mich der* andere ja versuchen vom Gegenteil zu überzeugen.

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Mir geht es leider ganz genauso.
Einerseits finde ich diese Seite von „uns“ sehr schön, aber auch ich habe mich lang darüber geärgert, wieso andere Menschen nicht den selben Anspruch haben oder in meinen Augen ignorant und gleichgültig sind.

Ich habe inzwischen zum Glück einen Partner, dem ich offen sagen kann, wenn mich da etwas bei ihm stört. Manche Eigenheiten finde ich an Menschen einfach „hässlich“ und dann waren sie leider oft bei mir unten durch, weil ich das nicht akzeptieren konnte (da kann ich leider voll auf stur stellen, wenn sich jemand in meinen Augen schlecht benimmt oder falsch/ignorant handelt.).
Mein Partner hat das anfangs auch nicht verstanden und es gab oft Streit, weil ich ihm das Gefühl gab Vorwürfe am laufenden Band auszusprechen. Dabei habe ich leider selbst oft nicht gemerkt, wie sehr ich meine Meinung manchmal aufgedrängt habe.

Heute sieht es anders aus. Seit dem ich von meiner Diagnose weiß, profitiert er in seinen Augen sogar davon. Denn oft sehen wir Menschen aus einem ganz anderen sozialen Blickwinkel. Er hat einige Verhalten sogar überdacht, weil er ebenfalls einen Mehrwert für sich selbst oder für die Gesellschaft sieht. Aber jetzt kommt was ganz wichtiges:
Ich musste auch lernen zu akzeptieren, dass man Menschen nicht verändern kann und dass ich sie wegen ein, zwei Eigenarten nicht weniger lieb haben sollte. Neben mir fühlt man sich wohl, laut seiner Aussage, oft „als wäre ich ein totaler Gutmensch und als würde ich ja niemals Fehler machen“. Ist wohl das berühmte Klugscheissen, womit ich aber nicht verletzen will! Aber es wirkt dann leider so und ich verstehe inzwischen, was das in meinen Liebsten auslösen kann. Das ist weder zielführend noch gewollt. Wobei ich zugeben muss manchmal leider böse geworden zu sein und denjenigen sogar abgewertet zu haben, wenn man meine (in meine Augen) berechtigte Kritik nicht verstand. Dennoch etwas, was ich nicht mehr will.

Das ist nicht einfach und wohl unserem schwarz weiß denken etwas geschuldet. Wenn man aber sehr offen redet, ohne Angst zu haben falsch verstanden zu werden, ist das inzwischen sogar sehr bereichernd für beide Seiten. Ich lerne andere Wahrnehmungen zu akzeptieren und auch anzunehmen und mein gegenüber merkt dann manchmal erst, wie er/sie dadurch durch Augen wie meine wahrgenommen wird.

Jedenfalls glaube ich, dass in meinem Fall, soziale Phobie und meine daraus resultierende Überanpassung (habe ich zum Glück schon etwas runtergeschraubt) mit beitrug Dinge noch extremer wahrzunehmen. Ich wollte niemals unangenehm auffallen, immer das richtige tun und die Gesellschaft besser machen, was ich auch weiterhin in gesundem Maße tue. Aber ich erwarte nicht mehr, dass es mein Umfeld ebenso macht. Denn die Wahrnehmung von anderen ist oft eine ganz andere.

Ich glaube das wird auch für mich immer ein Thema sein. Deshalb suche ich mir nahe Menschen sehr genau aus und führe kaum Freundschaften.

Wenn man aber davon weiß, kann man sich in vielen Momenten anders reflektieren und wenn man in sich diesen „Groll“ fühlt ihn etwas anders formulieren, als den Leuten vor den Kopf zu knallen. Auch das kann ich leider gut. :joy:

Liebe Grüße,
Erbse

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Moin @Zoi

Erstmal danke für diesen Faden.

Bin da absolut bei dir!

Kann es auch absolut nicht ab wenn sich Person x wie auch immer mies / ungerecht / unfair verhält gegenüber Menschen / Tieren…

Oder auch in Besprechungen…
Wenn dann von höherer Stelle (wieder mal) die Verantwortung auf die Untergeben abgewälzt wird.

Ja, ein absolutes Zeichen von Inkompetenz der entsprechenden Person.
Wird mir aber dennoch jedesmal aufs neue schlecht bei weil mich das so unfassbar wütend macht.

Auch mit Elvanse, womit ich ja eigentlich deutlich ruhiger bin, ist es nicht so viel besser…
Aber gut, muss ich scheinbar erstmal als gegeben hinnehmen.

Ist ja quasi auch ein Bullshit Detektor :wink:

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Also wenn ich eine Ungerechtigkeit oder Fehlverhalten anderer sehe, dann sehe ich das ja weil es eben auch genauso ist, und dann stehe auch zu meiner Meinung, egal wie sehr jemand anderes vielleicht das ganze schön reden will, oder um des lieben Friedens willen im Prinzip einfach nur nachgibt, ich lasse mich dann aber deshalb nicht beirren.
Wenn jemand anders dann behauptet das sei dann aber seine Meinung, dann von mir aus, muss ja jeder selbst wissen, aber ich bleibe deshalb dann trotzdem bei meiner Meinung wenn ich von etwas ganz und gar überzeugt bin.
Aber wenn jemand meine Meinung nicht teilt, dann verspüre ich nicht das Bedürfnis den anderen um jeden Preis überzeugen zu wollen.
Aber ja, es stimmt, irgendwie bin ich dann aber unterschwellig je nach dem von einer Person enttäuscht wenn sie eine Ungerechtigkeit nicht erkennt, oder nicht genau gleich wie ich sieht.
Aber das sage ich dann auch, und stehe auch dazu.

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Danke für eure Antworten :heart:

„Bullshit-Detektor“ - Japp! Manchmal komm ich mir vor als wäre ich die einzige, die so Sachen sieht und alle drumherum sitzen da und nicken nur stumm mit :roll_eyes:

Das was du da beschrieben hast, @Knallerbse , trifft mein Problem so ziemlich auf den Punkt.
Ich möchte ja in solchen Situationen dann nicht ungerecht zu jemandem werden, weil er es nicht so sieht. Ich möchte generell nicht ungerecht sein aber werde das dann oft!

Wobei ich sagen muss, dass jetzt das Ritalin da schon sehr hilft. Ich kann eher überlegen, was ich sage und wie.
Und auch diese Wut- und Entsetzensgefühle sind nicht direkt so intensiv wie vorher.

Aber wenn ich dann gaaaaanz ruhig und nett erkläre, wieso hier gerade etwas schief läuft und mein Gegenüber es einfach nicht einsehen kann… das sind diese Situationen. Da fällt es mir so unheimlich schwer, andere Standpunkte zu akzeptieren.

Ich ändere meine Position auch nicht, aber wenn der andere jemand ist, der mir wichtig ist, dann ist es mir nicht egal. Ich kann dann weder meine Position aufgeben, noch hinnehmen, dass der andere sich hier etwas schön redet. Und ich will es vermeiden, dabei jemandem vor den Kopf zu stoßen oder zu verletzen.

Da leide ich am meisten drunter, der immer selbe Kreislauf:
Ungerechtigkeit XY → für mich glasklar, für den anderen keine große Sache → ich versuche zu überzeugen, klappt nicht → werde ungerecht zu der Person → fühle mich schuldig, weil ich mich so verhalte

Und am allerwenigsten kann ich damit umgehen, wenn es eine Notsituation ist. Mensch/Tier in Gefahr und ich fühle mich auf verlorenem Posten, die einzige die was unternimmt und sogar oft belächelt wird.
Zoi gegen die Welt. :unamused:

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Auch wenn das Thema schon älter ist, wollte ich kurz da lassen, dass deine Antwort darauf mir einfach so so gut gefällt. Ich fühle mich dem so nahe :smile::sparkling_heart:

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Zum Thema Gerechtigkeit möchte ich gern folgendes dazugeben:

Ich habe immer schon seit Kind an, das Gefühl das ich ungerecht behandelt wurde im Leben, egal ob Eltern, Freunde oder von anderen Personen.

Ich habe einen sehr starken Drang nach Gerechtigkeit.

Ob das mit der ADHS zusammenhängt weiß ich nicht.

Es spiegelt sich hauptsächlich auf der Arbeit wieder, denn es gibt Kollegen die sich regelmäßig die Eier schaukeln und einfach ihre Arbeit nicht machen bzw. auch ggf. Arbeiten von anderen Kollegen einfach nicht sehen. Mich ärgert es einfach. Diese Leute, bzw. Low Performer bekommen schließlich auch jeden Monat Geld vom Chef und das ärgert mich. Ich hab es schon mehrfach beim Mitarbeitergespräch angesprochen, aber unser Vorgesetzter duldet es irgendwie obwohl er es weiß. Ich bin halt einer von den überdurchschnittlich fleißigen Menschen und hab in der Firma auch einen sehr hohen Stellenwert über die Jahre bekommen. Ich weiß das ich etwas mehr Lohn bekomme als die Low Performer , das ist zwar nett, aber die Gerechtigkeit sehe ich da nicht. Diese Kollegen die wirklich wenig an Leistung bringen, aber fachlich gut sind, würden von mir , wenn ich Chef wäre deutlich weniger bekommen, wie der der fleißig ist und gute Leistung bringt. Ich würde dies so nicht dulden.

Aber ich bin ja nicht der Einzige der es sieht, großer Teil der Belegschaft weiß das diese Leute einfach nur faul sind und es passiert nichts. Die Angst das der Low Performer abhaut und sich was anderes sucht ist scheinbar zu groß.

Ich sehe die Gerechtigkeit aber auch im privaten Bereich nach dem Sprichwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

Ich sag auch überall meine Meinung und das was ich denke hau ich auch raus, manchmal ohne über die Folgen nachzudenken.
Das kommt bei einigen leider oft nicht gut an.

Es nervt mich selbst…aber ich will es irgendwie auch allen immer recht machen.

Vielleicht bin ich auch zu gut für die Welt, keine Ahnung.