Hallo ich bin der Neue. Ich bin Mitte 30 und hatte (mal wieder) einen Streit mit meiner Frau. Dieses mal stand zum ersten mal ernsthaft die Scheidung im Raum. Wir konnten zwar die Wogen wieder glätten, aber trotzdem hat mich das wach gerüttelt (endlich mal). Ich habe nächste Woche einen Termin bei einer Psychologin. Das hatte ich schon seit bestimmt 8 Jahren vor.
Seit dem Streit habe ich mich zum ersten Mal intensiv mit mir selbst beschäftigt. In den letzten drei Wochen habe ich Auffälligkeiten und Eigenarten über mich notiert, die mir gerade eingefallen sind. Das ganze habe ich mal zusammengefasst. Ich fühle mich jetzt, als wenn ich überdramatisiere oder eine Ausrede für Faulheit suche. Vielleicht hat mal jemand Lust drüberzulesen und mir zu sagen, ob es da wirklich DIE Auffälligkeiten gibt, die ich auch sehe, oder ob ich übertreibe.
Schulzeit & frühe Muster
- Ich habe mir mit fünf Jahren selbst das Lesen beigebracht. Ich hatte eine Buchstabenschablone,
ließ mir erklären, wie die Buchstaben heißen - und konnte plötzlich lesen. - In der Grundschule konnte ich intuitiv rechnen, war in fast allen Fächern Klassenbester und habe
sehr früh selbstständig gelernt - allerdings nur, wenn es mich interessiert hat. - Ich konnte mir schon vor der Schule Instrumente wie eine Melodika beibringen, bzw. habe diese Intuitiv genutzt - mein musikalisches Gehör war sehr stark ausgeprägt.
- Ich hatte von der ersten bis zur neunten Klasse Keyboardunterricht, habe aber immer nur nach
Gehör gespielt. Selbst mit 20 konnte ich mir Stücke wie „River Flows in You“ innerhalb eines Tages
mit YouTube selbst beibringen. - Gitarre spielen habe ich mir mit 12 allein beigebracht.
- Schlagzeug mit ca. 15
- Schon in der Schulzeit habe ich Hausaufgaben fast nie gemacht - meist kurz vor dem Unterricht
abgeschrieben. - Gelernt habe ich im Grunde nie, mit einer Ausnahme: In Geschichte habe ich ein einziges Mal
gezielt gelernt und bekam dafür eine 1+ mit Zusatzpunkten durch eigenes Zusatzwissen. - In stillen Arbeitsphasen war ich fast immer sehr schnell fertig und saß
dann nur noch untätig herum oder starrte aus dem Fenster. - Mündlich konnte ich mich besonders in naturwissenschaftlichen Fächern gut beteiligen, aber
meine schriftlichen Leistungen blieben zurück, weil ich nicht gelernt oder vorbereitet habe. - Ich dachte immer: „Wenn ich lernen würde, wäre ich besser als alle anderen.“ Und irgendwie hat mir diese Vorstellung gereicht
Alltagsorganisation & Motivation
- Ich schaffe es selten, mich zu motivieren für alltägliche Aufgaben. Die Planung und Durchführung
und vor allem die Priorisierung fallen mir unendlich schwer. - Ich bleibe manchmal an kleinsten Aufgaben hängen - z. B. liegt seit Wochen ein Kabelbinder auf
dem Hof, den ich aufheben will, aber nie dazu komme. Ich sehe ihn jeden Tag, aber ich tue es
trotzdem nicht. Obwohl es 5 Sekunden dauern würde. - Ich verfange mich häufig in Nebensächlichkeiten, obwohl andere Dinge gerade viel wichtiger
wären. - Wenn ich gerade mal nichts mache, fühle ich mich in 90% der Fälle schuldig, weil ich etwas
Wichtiges vor mir herschiebe. - Ich bin der vergesslichste Mensch, den ich kenne: Selbst To-do-Listen, Wecker, digitale und
analoge Kalender helfen nur bedingt. - Ich bin sehr chaotisch und bekomme kaum Ordnung in mein Umfeld - vor allem wenn
Gegenstände keinen festen Platz haben. Mein Schreibtisch sieht nach wenigen Tagen wieder aus
wie vor dem Aufräumen. - Mein Zeitgefühl ist oft verzerrt. Wenn ich vertieft oder abgelenkt bin, vergeht die Zeit unbemerkt -
ich habe manchmal das Gefühl, es wäre noch früher, obwohl der Tag fast vorbei ist.
Emotionale Verarbeitung & Verhalten
- Ich bin jeden Tag im Krieg mit meinem Kopf. Ich muss innere Monologe führen, in denen ich mich
selbst unter Druck setze, um überhaupt Dinge zu erledigen, mit Aufgaben anzufangen, oder auch bereits begonnene Aufgaben weiterzuführen oder abzuschließen - Ich ärgere mich oft über mich selbst - und wenn niemand in der Nähe ist, kann das auch mal in
Frustreaktionen enden. - Wenn ich konzentriert arbeite und unterbrochen werde, reagiere ich oft sehr schroff.
- Bei bestimmten emotionalen Situationen „friert“ mein System innerlich ein - z. B. bei Streit, Trauer
oder starken Erwartungen. Ich weiß, dass ich reagieren müsste, aber ich bin dann blockiert und
sage oder tue oft gar nichts. - Wenn ich emotional überlastet bin - z. B. nach längeren Streitphasen - erlebe ich manchmal eine
Art inneren Shutdown. Mein Kopf wirkt dann völlig leer, ich fühle nichts, selbst Sinneseindrücke
wirken gedämpft, als würde ich durch Watte oder Nebel wahrnehmen.
Kognitive Muster & Interesse
- Dinge, die mich wirklich interessieren, bekommen 99% meiner geistigen Kapazität - was gefühlt
200% der Kapazität eines normalen Menschen ist. Alltägliche Dinge bekommen dagegen oft nur
20%, selbst wenn ich sie eigentlich gerade erledige. - Ich kann mich schnell für neue Dinge begeistern, verliere aber mindestens genauso schnell wieder
das Interesse daran. - Ich kann in viele Themen erstaunlich schnell einsteigen und mir breites Wissen aneignen - aber ich
verliere oft die Ausdauer, um wirklich „perfekt“ zu werden. Das frustriert mich,
weil ich merke, dass ich in vielen Dingen nur an der Oberfläche kratze, obwohl ich das Potenzial
hätte. - Besonders bei theoretisch komplexen Themen fällt mir das Verständnis leicht, wenn sie mich
interessieren . Theorie kann ich - Praxis nur, wenn es mich sehr interessiert. - Mein Kopf läuft gelegentlich auch dann weiter, wenn ich zur Ruhe kommen will - vor allem abends
oder wenn ich eigentlich schlafen möchte. Gedanken springen von Thema zu Thema.
Reizverarbeitung & Hyperfokus
- Ich lasse mich extrem leicht ablenken - visuelle Reize, Smartphone, Geräusche, Gedanken,
interessante Details - alles lenkt mich vom Wesentlichen ab. Selbst in ernsten Gesprächen mit anderen muss ich diese über kuriose Wolkenformationen, einem kleinen Vogel o.ä. informieren, die mir gerade ins Auge springen - Ich habe eine ausgeprägte Fantasie und nutze sie z. B. in Form von Tagträumen oder
Wachträumen zum Einschlafen. - Ich kann kaum still sitzen, ohne etwas zu tun: Mit dem Kuli spielen, Nägel kauen, Zunge an den
Barthaarkanten, mit den Füßen wippen, mit den Fingern trommeln - Wenn ich im Hyperfokus bin - z. B. beim Bearbeiten eines Astrofotos - vergesse ich manchmal zu
essen, aufs Klo zu gehen oder vergesse die Zeit vollständig. Auch soziale Verpflichtungen treten in
den Hintergrund, wenn ich tief in ein Thema eingetaucht bin. - Wenn ich ein sehr spannendes Buch lese, bekomme ich um mich herum gar nichts mehr mit. Ich lese gefühlt absatzweise und bin völlig weg. Um zu mir durchzudringen, muss man schreien oder mich berühren. (Anmerkung: Seit ca 1,5 Jahren habe ich Schwierigkeiten Bücher zu ende zu lesen, obwohl ich schon hunderte wenn nicht tausende Bücher in meinem Leben gelesen habe)
- Wenn eine Deadline fast erreicht ist, laufe ich zur Höchstform auf - ich erledige in zwei Stunden,
wofür andere zwei Tage brauchen. - Bei monotonen Aufgaben mache ich oft Pausen - und verliere mich in Ablenkungen, statt sie am
Stück durchzuziehen.
Soziales & Empathie
- Freunde und Familie beschreiben mich als „verpeilt“, „verträumt“, „vergesslich“, „ruhig“ und „lieb“.
- Ich habe oft das Gefühl, auf Emotionen anderer „angemessen“ zu reagieren, weil ich es gelernt
habe - nicht, weil ich es in dem Moment wirklich fühle. Besonders wenn ich die Emotion nicht teile
oder sie mich nicht direkt betrifft, spule ich eher eine Art erlerntes Verhaltensmuster ab. Bei
gemeinsamen Gefühlen wie Trauer funktioniert echte Resonanz besser - bei individueller
Betroffenheit fällt es mir oft schwer, spontan und echt zu reagieren.
Sinnesverarbeitung & Fremdscham
- Ich bin bei akustischen Reizen sehr selektiv: Musik oder Audio höre ich fast nur gezielt - z. B.
bestimmte Alben, Podcasts oder Hörbücher, die mich thematisch wirklich interessieren.
Dauerberieselung durch Radio oder Hintergrundmusik stört mich eher - sie wirkt wie „Geräuschmüll“
in meinem Kopf, den ich bewusst ausblenden muss. - Ich habe extreme Schwierigkeiten mit Fremdscham. Ich kann Reality-TV, peinliche Auftritte oder
schlecht gesungene Karaoke-Szenen kaum ertragen - oft muss ich den Raum verlassen oder
umschalten, weil ich es körperlich nicht aushalte.
Ich hoffe jemand hat mal die Lust da drüber zu lesen und mir eine kurze Einschätzung zu geben.
LG