„Hirn- vs. Körperzappler“ > eine These zur Behandlung von „Hyperaktivität“

Da ich nicht so recht einschätzen kann, ob ich mich da in einen Gedanken verrannt habe, stelle ich das mal unter „Zeuchs, Unfug, Krams, …“ ein.

Was haltet Ihr davon:(?)

Die Formulierung „Hyperaktivität“ verweist primär auf körperliche „Überaktivität“ der Betroffenen.
Die Behandlungsbedürftigkeit der „Hyperaktivität“ wird jedoch in vielen Fällen fehlinterpretiert.
Die „Hyperaktivität“ kann einen Kompensationsmechanismus (coping) darstellen, der den Betroffenen die Regulation von Aufmerksamkeit und Impulsivität bzw. Abbau von Stress ermöglicht.
(analog Übersprungshandlungen)

Eine Behandlung im Sinne der Unterdrückung von körperlicher „Überaktivität“ unterbindet die Wirksamkeit des Mechanismus und kann zum Ausfall der Regulation von Aufmerksamkeit und Impulsivität führen. Der fehlende Mechanismus zum Abbau von Stress kann .

„Hyperaktivität“ kann jedoch auch rein Kortikale/Neurale Funktionen betreffen, ohne in körperlicher „Überaktivität“ zu münden.
Hier sind Aufmerksamkeit und Impulsivität ebenfalls als Merkmale vorhanden. Das Fehlen eines Kompensationsmechanismus (coping) kann hier zu einem persistierenden Anstieg von Stress führen, der langfristig zu multiplen somatischen Störungen und Beschwerden führen kann.

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Ja klingt logisch, deswegen ist bei Hyperaktivität ja auch Sport so wichtig als Ventil und gleichzeitig Training des Körpergefühls.

Innere Hyperaktivität kommt mir schwer zu unterdrücken vor…

Ich weiß jetzt nicht wie aktuell der Gedanke ist:
Aber war Hyperaktivität bei ADxS nicht ein automatischer unterbewusster Copingmechanismus mit dem das Gehirn versucht die Dopaminausschüttung zu steigern? Und der Stress baut sich dann nur durch das Unterbinden/Gebot stillzusitzen bei gleichzeitiger Anforderung sich zu konzentrieren auf? Weil im Grunde ist das ja unabsichtliches Gaslighting?/Mobbing?

Oder gilt das nur in Phasen der Langeweile/ Unterforderung ?

Zumindest hab ich mir das immer so beschrieben.

Ich kann für mich beides bestätigen. Mein körperlicher Bewegungsdrang ist nicht behandlungsbedürftig, sondern gibt mir, wenn ich dem nachgeben kann, die Möglichkeit, bei der Sache zu bleiben. Das Problem ist hier mal wieder das Umfeld, das mit jemandem, der ständig in Bewegung ist, ein Problem hat.

Mein größeres Problem ist die mentale Hyperaktivität, die einmal schwieriger erkannt wird und auch nicht aus sich selbst heraus einfach behoben werden kann. Mit Medikamenten kann sie eingedämmt, gezügelt werden, aber nicht völlig unterdrückt.

Ich glaube aber nicht, dass die Unterdrückung der Hyperaktivität den Mechanismus unterbindet, er ist schon vorher defekt. Deswegen ist führt es zu Stress, wenn man sich nicht bewegen kann, wie es nötig wäre. Körperlich kann man das immer in einem gewissen Rahmen regulieren. Wie man das im Kopf hinbekommt, wüsste ich auch sehr gern.

Meditation? Arbeit die Strukturiertes Denken erfordert?

Meditation macht mich persönlich eher aggressiv, weil sie eben so völlig gegen den „Bewegungsdrang“ angeht.

Beschäftigung, die das Denken in viele Richtungen zulässt, die Logik genauso erfordert, wie Kreativität, wo Denksprünge eher hilfreich als hinderlich sind, ist ein guter Ansatz. Ich denke, da sind wir bei so etwas, wie Ergotherapie, die genau darauf zugeschnitten ist. Eine Arbeit zu finden, die das ermöglicht, ist sicherlich ein Glücksfall.

Hallo @Zappelhirn

Nein, du hast dich nicht verrannt. Deine Gedanken sind absolut logisch. Äußerliche Hyperaktivität ist eine Bewältigungsstrategie, daher wäre es falsch, diese selbst zu unterdrücken.

Stimulanzien verbessern die Aufmerksamkeit, die Bewältigungsstrategie ist nicht mehr erforderlich und die Betroffenen werden ruhiger. Sie werden aber eben nicht „ruhiggestellt“.

Ich kann eine Beobachtung von mir beisteuern:
Ich hatte meine nach außen gerichtete Hyperaktivität schon als Kind ziemlich eingefangen. Ich bin nach außen hin also eher gemächlich, vielleicht sogar langsam.
Aber in mir brodelt es und ich muss mich ständig mit Essen oder was auch immer beruhigen.
Seit ich angefangen habe meiner Unruhe auch einen körperlichen Ausdruck zu verleihen (trommeln mit den Händen auf den Beinen, Wackeln mit den Zehen, Rumschreien beim Autofahren, Spielen mit einem kurzen Seil beim Lesen, mehr Sport, mehr Schlagzeugspielen) merke ich dass ich mich besser konzentrieren kann.

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Das ist in meiner Beziehung ein großes Problem. Mein Partner (und sein Vater) sind sehr hyperaktiv. Je höher der Stress, um so schneller läuft er hin und her, trommelt mit Füßen und Fingern. Dann beginnt er für einzelne Dinge in den Keller zu gehen, wieder rauf zu kommen, wieder runter zu gehen. Auf der Treppe sind permanent eilige Schritte. Manchmal fängt er zusätzlich an zu telefonieren. Dabei redet er sehr laut und läuft hin und her. Wenn er sich setzt, schwankt er nach rechts und links oder vorwärts und rückwärts.

Das induziert dann bei mir Stress. Durch meine Hypoaktivität habe ich dieses Ventil der Bewegung nicht. Durch die schnellen Bewegungen und die Geräusche wird mir schwindlig. Es endet immer damit, dass ich einen meltdown habe (ich schreie rum) oder mit Noice cancelling Kopfhörer im Bett liege, weil dies die einzige Möglichkeit des Rückzuges ist. Das verstärkt meine Problematik der Hypoaktivität. Und trägt nicht unbedingt zur Stärkung der Partnerschaft bei.

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Ich habe in den letzten Wochen den Begriff des „Stimming“ aus der Fachliteratur zu Autismus mal kreuz und quer nachgelesen. Die dort beschriebenen Mechanismen dienen der Selbstregulation bei overload, um nicht in einen meldtdown oder shutdown zu kippen.

Ich persönlich konnte in den beschriebenen Stressreaktionen kaum einen Unterschied zwischen ADHS und Autismus erkennen. Das „Strickmuster“ war annähernd gleich. (Übrigens auch in Fachtexten zu Toutette)

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Das hin und her laufen bei mir kenne ich auch, besonders bei hitzigen Diskussionen hilft mir das um mich zu beruhigen, wenn die Diskussionen sehr hitzig sind hilft es mir auch Treppen rauf oder runter zu laufen, oder ich gehe in die Küche und schaue in sämtliche Schränke rein oder räume den Geschirrspüler ein oder aus.
Auch bei wichtigen Telefonaten fällt es mir schwer sitzen zu bleiben, tigere dann dabei durch die Wohnung wie ein Tiger der sich in die Enge getrieben fühlt, daher stammt wohl auch der Ausdruck „rumtigern“ vermute ich jetzt mal?, jedenfalls hilft mir das um Stress abzubauen.
:exploding_head::tiger::tiger2:

Der Begriff ist eine gute Gelegenheit, die Frage nach dem Ursprung unseres „Verhaltens“ bzw. viel mehr „Nicht-Verhaltens“ zu stellen.
Während eine Vielzahl an Stressmerkmalen sehr an das nicht domestizierter Tiere erinnert, erinnert das der „NT-s“ doch eher an das domestizierter Tiere.
Nehmen wir mal Hund und Wolf in der Großstadt… Jeder von Euch hat vermutlich ein Bild vor Augen, wie es dem Wolf ergeht, während ein Hund ruhig neben seinem „Herrchen“ her trottet oder sich -vor einem Laden wartend- sogar ein Schläfchen gönnt.

Sich „ver-halten können“, bekommt eine sehr interessante Perspektive, wenn man das Wort zerlegt und kulturanthropologisch betrachtet.

Nach meiner Wahrnehmung hat sich hier ein Teil der Homo sapiens einen sehr wirkungsvollen Mechanismus zur Selbstregulation angeeignet, der einem kleinen Teil der selben Spezies zu fehlen scheint.
Quasi die „Domestizierung des Homo sapiens“.

Den Sinn interpretiere ich so, dass es in großen „politisch organisierten“ Gruppen Sinn machen kann, seine Emotionen und Absichten zu verbergen, so wie es Jane Goodall oder Diane Fossey in ihren Beobachtungen beschreiben.

Das ist zwar keine „universelle“ Erklärung für ADHS aber ein Puzzlestein bei der „Entmystifizierung“ von „Strickmustern“, die ein Teil von uns in der Genetik der Familie mit sich trägt.

Ein organischer Teil dieses „Mechanismus“ scheint das „Cingulum“ zu sein, das zwischen dem „animalischen“ Teil des Kortex und dem Frontallappen verläuft und Teil der Steuerung des Limbischen Systems ist.
Seine Aufgabe wird in der Neurologie genau so beschrieben, wie es bei ADHS oder Autismus im Kontext Stress/Erregung/Verhalten eben nicht funktioniert.

Für sehr bedenklich halte ich, dass diese Betrachtung einer Hirnorganischen Struktur zur Selbst-Regulation in den Schriften der meisten „Psychologen“, die sich mit dem „Erziehen“ und dem „Therapieren“ von Verhalten beschäftigen, nicht genannt wird.

So auch in ABA, das mir in diesem Kontext immer wieder „sauer aufstößt“.
Setzt man das Cingulum der Funktion der Flügel eines Vogels gleich, würde ABA im Kontext ADHS oder Autismus bedeuten, einem Pinguin das Fliegen beibringen zu wollen.

Sehr spannender Thread.
Der Vergleich mit der Hundewelt/ Wolf klappt halt nur, wenn man den Hund richtig trainiert, konditioniert. Es steckt also Arbeit dahinter. Ein „wilder“ Hund hat seine angeborenen Instinkte. Inwieweit diese Instinkte durch das Domestizieren verändert hat, wäre spannend zu wissen: Z.B. wenn ein Nachkomme über Generation domestizierten Hunde in die freie Wildbahn gelassen wird, wie ist sein Verhalten?
Wir Menschen machen während unserer Entwicklung Schritte durch, die unser Verhalten verändert. Siehe Piaget Entwicklungspsychologie.
Der Vergleich zu ADHS sehe ich unter diesem Gesichtspunkt nicht als valid an, da man aktiv das Verhalten des Hundes verändert und konditioniert. Daher hat dieses Domestizierung nicht viel mit der Genetik zu tun… Sonst könnte man ADHS einfach wegtrainieren.

Daher denke ich, dass diese Unterschiede schon lange in den Genen existiert. Wenn ich so kurz meine Notizen durchgehe und etwas mit der Entwicklung des Menschen vergleich, scheint es so, dass wir früher bei den Jägern und Sammlern eher Vorteile hatten und durch das immer aktivierte Hirn auch während der Nacht aktiv war und so vor Gefahr warnen konnte, oder lange Ausdauer hatten etc. Der heutige Homo Sapiens braucht diese Fähigkeiten nicht mehr so, die anderen nicht-ADHS Menschen haben heute Vorteile.

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