Ich bin heute einfach nur wütend und enttäuscht – brauche Austausch

Hallo zusammen,

ich muss mir einfach mal Luft machen. Ich bin heute ehrlich gesagt wütend, traurig und erschöpft zugleich.

Ich wurde heute von der Schulbetreuung meines Sohnes angerufen (er ist 6 und in Diagnostik wegen Verdacht auf ADHS mit autistischen Anteilen). Mir wurde in einem unglaublich vorwurfsvollen Ton gesagt, sein Verhalten sei „inakzeptabel“ und könne zu einem Ausschluss aus der Betreuung führen.

Ich habe versucht, ruhig zu erklären, dass er sich aktuell in Abklärung im SPZ befindet, aber das hat niemanden interessiert. Stattdessen hieß es sinngemäß: „Auch wenn er ein Handicap hat, darauf können wir keine Rücksicht nehmen.“

Das hat mich wirklich tief getroffen.

Atif (mein Sohn) soll einem anderen Kind ins Gesicht gespuckt haben. Als ich ihn befragt habe, war er völlig durcheinander, hat gelacht (das macht er immer, wenn er überfordert ist) und verschiedene Versionen erzählt. Am Ende kam heraus, dass er von anderen Jungs geschubst und provoziert wurde, bevor es eskaliert ist. Ich weiß nicht mehr, wie ich das alles einordnen soll.

Und ganz ehrlich – ich bin einfach nur wütend. Nicht auf ihn, sondern auf dieses fehlende Verständnis.

Ich habe das Gefühl, weil er so lebhaft und auffällig ist, steht er bei jedem Vorfall automatisch als „der Schuldige“ da.

Dabei bemühe ich mich so sehr, alles richtig zu machen, die Schule einzubeziehen, das SPZ, das Jugendamt – und trotzdem fühlt es sich an, als würde man uns mit dem Problem alleinlassen.

Geht es jemandem von euch ähnlich?

Wie geht ihr damit um, wenn euer Kind wegen seines Verhaltens immer wieder als „frech“ oder „respektlos“ abgestempelt wird – obwohl es eigentlich überfordert ist?

Ich glaub ich hab schon lange nicht mehr so sehr geweint wie heute :pensive_face:

Ich bin gerade einfach so frustriert und würde mich freuen, wenn jemand seine Erfahrungen teilen mag.

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Das tut mir total leid alles.

Ich kann nur eine Lehrer-Perspektive ergänzen. Als selbst Betroffene habe ich unendlich viel Verständnis für meine ADHSler.

Aber in den Klassen sitzen bis zu 30 Kinder, um die ich mich kümmern muss. Und es gibt wirklich Verhalten, dass unter diesen Bedingungen inakzeptabel ist (vor allem, wenn es um aggressives Verhalten geht) . Ich würde es eher nicht so ausdrücken, würde es eher “nicht handlebar” nennen.

Ich weiß auch, dass es leider auch immer wieder Lehrkräfte gibt, die da zu wenig informiert oder zu wenig einfühlsam sind. Muss mir selbst oft in Lehrergesprächen sehr auf die Zunge beißen, um sachlich dagegen zu argumentieren.

Ich hoffe, ihr findet eine Lösung, auch wenn das sehr sehr schwer ist. Kleinere Gruppen/Klassen wären gut, evtl auch Schulbegleitung oder zusätzliche Betreuer in den Gruppen.

Alles Gute euch!

Danke dir für deine Perspektive, das hilft mir echt, das Ganze etwas besser einzuordnen.

Bei Atif ist es so, dass er im Unterricht gar nicht groß auffällt, weil er sich dort offenbar „maskiert“ – also sehr anpasst, ruhig ist und sich zusammenreißt.

Aber in der Betreuung danach bricht dann alles raus. Da eskaliert es immer wieder, und ich glaube, das liegt daran, dass er dann einfach komplett überfordert ist.

Für mich war das Schlimmste eigentlich gar nicht die Situation selbst, sondern wie man mit mir gesprochen hat.

Die Betreuerin war so vorwurfsvoll, dass ich mich am Ende richtig schuldig gefühlt habe , als wäre ich eine schlechte Mutter und mein Kind ein riesiges Problem.

Dabei habe ich das Gefühl, dass Atif in Wirklichkeit einfach überfordert und sensibel ist.

Er erzählt, dass er oft geschubst oder ausgelacht wird, wenn er hinfällt. Er ist motorisch etwas tollpatschig, hat Schwierigkeiten mit der Koordination – das wurde auch im SPZ schon angesprochen.

Ich glaube, das alles führt dazu, dass er sich irgendwann wehrt oder impulsiv reagiert, wenn es ihm zu viel wird.

Ich wünschte mir einfach, dass man das sehen würde, anstatt sofort zu urteilen.

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Kann man daran vielleicht was ändern?

Ich unterrichte ja ab der 5. Klasse und auch da sind manche Kinder in der 5./6. Stunde total platt. In Ganztag oder eben Nachmittagsbetreuung geht es ja vielleicht auch oft turbulent zu. Vielleicht kann man ihm das ja irgendwie eine Pause verschaffen?

Leider kann ich ihn nicht früher abholen, weil ich arbeite, daher bin ich auf die Betreuung angewiesen.

Eine kleine Pause oder ein ruhiger Rückzugsort wären wirklich hilfreich, aber bisher scheint das dort nicht so organisiert zu sein.

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Evtl. Gehörschutz für eine bestimmte Zeit?

Er hat eins und das ist immer bei ihm, setzt es auch immer wieder auf weil es ihm sowohl im Unterricht auch als in der Betreuung zu laut wird.

Die Lehrerin hat sich heute gemeldet. Sie wird sich mit der Betreuung und der Schulleitung abstimmen, damit wir einen gemeinsamen Termin finden, um uns alle zusammenzusetzen und in Ruhe über die Situation zu sprechen. Bin sehr gespannt wie sich die Dame diesmal verhalten wird, ich denke nicht das ich ein weiteres Mal ruhig bleiben kann.

Es nervt mich wahnsinnig das mein Sohn aufgrund seiner Besonderheit (so nenne ich es) immer als schuldig gesprochen wird von der Gesellschaft.

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Bitte fertige ein offizielles Gesprächsprotokoll an. Das kann ich für Gespräche mit der Schule sehr empfehlen. Wenn sie wissen, dass protokolliert wird, reißen sie sich eher zusammen.

Ich kenne es von Lehrern leider so, dass sie sonst sehr schnell mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen Richtung Eltern und Kind sind.

Das ist bestimmt gut, wenn die Lehrerin auch dabei ist! Sie hat ja anscheinend einen ganz anderen Eindruck von deinem Sohn, wenn vormittags alles gut klappt! Und er ist ja wirklich auch gerade erst in die Schule gekommen und muss sich erstmal eingewöhnen. Bestimmt findet ihr eine gute Lösung!

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Gemeinsamer Termin mit allen hört sich konstruktiv an. Gehst du allein hin? Nimm dir doch evtl “Verstärkung” mit - hilft bestimmt auch, wenn du sehr emotional wirst (was nicht heißt, dass ich das nicht nachvollziehen kann, aber es ist halt einfach nicht immer hilfreich).

Vielleicht gibt es auch einen anderen Sitzplatz für deinen Sohn. Ich hatte mal einen ADHSler, der saß nach ein paar Wochen quasi hinter einer Säule in einem “blinden Eck”. Fand ich erst total komisch, habe dann aber gemerkt, dass ihm das sehr gut getan hat, neben ihm und halb vor ihm eine weiße Wand.

Von meinem Kind (ADHS vermutet, aber keine Diagnose) kann ich nur berichten, dass er mehr aufgedreht/durchgedreht ist, je mehr er geschimpft wurde und je größer der Druck dadurch wurde. Für Lehrer hört sich das erstmal an, als würde man sein Kind davor bewahren, ermahnt und ausgeschimpft zu werden. Bin nicht sicher, wie man das kommunizieren kann, ohne diesen Eindruck zu vermitteln. Jetzt kenne ich ja auch die andere Perspektive und weiß auch, dass das total schwierig ist, ein Kind anders zu behandeln als die anderen. Vom Agieren schon und in Sachen Gerechtigkeit auch.

Aber vielleicht finden sich ein paar Nischen (räumlich oder zeitlich oder organisatorisch), um ihm etwas Luft zu verschaffen.

Ich würde folgende Taktik vorschlagen: Schildere aber auch deinen Eindruck, dass er zu oft als der Böse oder Schuldige eingestuft wird. Versuche dann ganz konkret Maßnahmen für deinen Sohn auszuhandeln und auch kleine Lösungen.

Zeige auch, dass ihr daheim irgendwie an dem Problem arbeitet und äußere bei passender Gelegenheit auch mal ganz diplomatisch Verständnis dafür, dass die Situation schwierig ist.

Ich halte euch fest den Daumen! Alles Gute!

Dein Beitrag nimmt mir ein wenig die Lust, hier konstruktiv zu antworten. Wenn ich so verallgemeinernd in einer Schublade gesteckt werde…

Ein Protokoll finde ich übrigens auch eine gute Idee.

Es gibt in meinem Beruf solche und solche. Und vor allem die, die den Job ernst nehmen, leiden unter so geäußerten Urteilen und werden immer demotivierter.

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Das SPZ lässt euch seit - wie lange, ist es schon ein Jahr? - hängen. Euer Sohn zeigt so heftige Symptome, dass man gleich hätte ADHS-Medikamente verschreiben können. Auch eine Diagnose kann man in einem oder zwei Terminen machen - wenn man will. Dieses SPZ will offenbar aber nicht.

Und darunter müssen Lehrerinnen und Mitschüler, die Familie und vor Allem der Junge leiden! Das ist einfach grausam.

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Das beruhigt mich tatsächlich sehr das sie dabei ist, denn dadurch das mein Sohn maskiert ist er vormittags eher unauffällig.

Danke dir, das sind richtig gute Gedanken!

Ich finde den Hinweis mit den kleinen „Nischen“ oder Rückzugsmöglichkeiten total hilfreich.

Und ja, ich habe auch das Gefühl, dass er schnell als der „Böse“ dasteht, obwohl er eigentlich überfordert ist.

Ich werde versuchen, das beim Gespräch ruhig anzusprechen. Danke fürs Mutmachen! :yellow_heart:

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Wir sind seit Januar im SPZ in Behandlung und hatten bisher insgesamt drei Termine.

Im November steht jetzt noch ein ADOS-Test an, um genauer zu prüfen, ob zusätzlich zum ADHS auch etwas aus dem Autismus-Spektrum vorliegt.

Das ADHS gilt eigentlich schon als ziemlich sicher, aber sie vermuten, dass es eventuell eine Kombination sein könnte.

Ganz klar ist es noch nicht, weil Atif sehr stark maskiert, im Unterricht ist er ruhig und wirkt unauffällig, aber zu Hause zeigt sich das komplette Gegenteil: extreme Reizempfindlichkeit und heftige emotionale Ausbrüche.

Auch der ehemalige Kindergarten hatte ein ganz anderes Bild von ihm, eher ruhig und zurückgezogen.

Das macht die Einschätzung wohl so schwierig.

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Hier gibt es leider keinen Smiley mit Tränen.

Schwierig nur für Leute mit wenig Ahnung von ADHS. Unser 13-jähriger ist in der Schule und früher im Kindergarten der liebste und ruhigste Mensch. Und selbst wenn es nach deren Meinung schwierig ist, muss man mit den Medikamenten trotzdem nicht viele Monate warten.

Hallo, kernig. Ich kenne es leider fast nur so. Ich bin in der gesamten Schullaufbahn meiner beiden Kinder wesentlich mehr schlechten Lehrern begegnet, als guten.

Daher schrieb ich “ich kenne es so”. Angreifen wollte ich damit niemanden.

Ich habe hier Lehrer die, Toilettengänge verweigern wollen, Einträge geben für vergessene Zirkel, obwohl der Zirkel nicht gebraucht wurde, meinen meinem einen Kind eine Blasenschwäche diagnostizieren zu können, weil es ca. stündlich zum Klo muss, das andere Kind hat schon eingenässt, weil es nicht auf Klo durfte, es werden Hausaufgaben im Umfang von drei Tagen an einem Tag auf den nächsten aufgegeben, wichtige Informationen bekommt man einen Tag vor dem Termin (z.B. Wandertag), …

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Hi,

das tut mir leid, ich will das nicht rechtfertigen, wenn andere sich schlecht verhalten. Ich bin nicht dabei und höre die Schilderungen und glaube sie aus deiner Sicht auch.

Ich weiß aber eben auch, dass es immer eine zweite Perspektive dazu gibt. Und genauso wie es gute und schlechte Maurer und Ärztinnen gibt, gibt es eben solche Lehrer.

Eltern kennen ihr Kind am besten. Wissen aber nicht, wie es sich in der Schule verhält. Lehrer kennen im Gegenzug viele viele Kinder im Laufe der Jahre in der Schule. Das sind Profis, die machen das jeden Tag, Jahraus. Jahrein Als Späteinsteigerin bin ich immer wieder erstaunt, wie zugewandt die meisten Kollegen sind. Wie sehr ihnen die Schüler am Herzen liegen und wie professionell fast alle mit den Anforderungen dieses Berufs umgehen. (Und ich sage es nochmal: ja, es gibt auch frustrierte oder grantige Lehrkräfte mit teilweise merkwürdigen Methoden.) Eingezwängt in ein System, dass den heutigen Anforderungen überhaupt nicht gerecht werden kann. Inklusion, Integration, Digitalisierung, Gesundheitserziehung, politische Bildung… alle Probleme dieser Gesellschaft werden in den Schulen abgeladen. Im Prinzip ist das auch richtig so - aber die Ausstattung mit Geld und Personal entspricht nicht annähernd dem Aufgabenspektrum. Kinder, Eltern und Lehrer müssen da gemeinsam durch.

Ich kann nur mitteilen, wie das Geschriebene bei mir ankommt. Ich kenne diese Art Gespräche und die rauben mir sehr meine Motivation. Jeder schildert seine schlechten Erfahrungen - ich selbst habe auch solche Geschichten erlebt mit meinem Sohn. Und der Fokus bleibt im negativen, tendenziell werden alle über einen Kamm geschoren, ich in eine Art Rechtfertigung gedrängt, zu den Anekdoten Stellung zu nehmen. Und jeder setzt mit seinen Schilderungen noch einen drauf, holt die eigenen Erlebnisse von vor 30 Jahren auch wieder aus der Kiste. Alles als “Beweis”, wie schlecht Lehrer sind.

Ich kenne aber inzwischen auch viele Geschichten über Eltern, die übers Ziel hinausschießen und versuche, diese nicht zu verallgemeinern. Was schwer ist, weil die negativen Ereignisse einfach besser im Gedächtnis bleiben.

Nebenbei: Ich glaube in der Zeit gab es einen Artikel darüber, wie sich die Einstellung der Eltern zur Schule auf die Kinder überträgt. Man muss immer bedenken: auch wenn der Lehrer doof ist - die Kinder müssen da jeden Tag wieder hin. (Ich weiß, wie hilflos man sich da manchmal als Eltern fühlen kann.) Das Ziel sollte sein, dass das für die Kinder so angenehm wie möglich ist.

Mein Appell ist deshalb immer: miteinander sprechen, das Beste fürs Kind aushandeln. Wir sind die Erwachsenen. Dabei die Perspektive der Lehrkraft anhören und auch in Betracht ziehen, dass man manche Seiten seines Kindes vielleicht doch nicht so gut kennt. Wenn Grenzen überschritten werden, dann natürlich auch massiv zur Wehr setzen.

So, das wurde jetzt länger als gedacht, war wohl auch eine Art Therapiestunde für mich. :upside_down_face:

Wünsche allen einen schönen Tag!

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Hallo kernig, danke für Deine Perspektive.

Mir ist klar, dass es gute und sehr gute Lehrer gibt.

Leider habe ich nur bisher wenige getroffen.

Ich als Mutter fühle es so, dass Schule, als System, der Lebenswirklichkeit der Kinder nicht gerecht wird. Die Covidzeit war eine Katastrophe bei uns. Rückstände wurden nicht aufgeholt. Es ist Krieg in Europa, die Jungs sind von Pflicht - Wehrdienst bedroht. Das macht was mit Kindern.

Die Schulgebäude sind marode, Toiletten kaputt, die Technik veraltet, die Klassen zu voll, …

Wie sollen Kinder da vernünftig lernen und Lehrer vernünftig lehren?

Das System ist komplett kaputt.

Das macht Stress auf allen Seiten.

Zusätzlich wird von Eltern hier und da Mitarbeit erwartet, unter der Woche, am Vormittag (Z.B. Kuchenverkauf, Weihnachtsplätzchen Verkauf, Projektwochen betreuen, beim Schulfest helfen, ..) und wenn man nicht kann, weil man arbeiten muss, dann wird man komisch angesehen. Da wird viel verlangt, was nicht geht, weil eben die Mütter auch arbeiten gehen und nicht mehr zu Hause sind.