Wow! Also erst mal, vielen Dank für eure zahlreichen Rückmeldungen! Ich bin gerade sehr beeindruckt und auch gerührt. Ich fühle mich so verstanden, dabei bin ich erst einen Tag in diesem Forum. Danke, dass ihr euch die Mühe macht mir zu helfen!
Ich versuche auf alles so gut wie möglich einzugehen.
Also, zunächst mal noch zur Vorgeschichte. Die Diagnose haben wir seit knapp 2 Jahren und die Medikamente bekommt er seit knapp einem Jahr. Er bekommt die Höchstdosis Medikinet retard. Man merkt sofort, wenn er die Tablette mal nicht genommen hat. Seit wir diese Medikamente haben, frage ich mich 1. wie wir das so lange ausgehalten haben und 2. was ich dem armen Kind angetan habe, das nicht eher probiert zu haben. Aber wir mussten erst in einer Klinik landen, bis es besser wurde. Während der Trennung von seinem Vater damals nahm er immer mehr zu, obwohl er eher ein sehr schlankes Kind ist vom Typ her, bis er richtig Übergewicht hatte und kaum noch Nähe zuließ und ich wusste, jetzt muss ich wirklich handeln und wir kommen so nicht weiter.
Mit den Medis wurde alles besser - aber nicht nur mit denen, auch einfach damit, dass die Klinik so toll war und uns wieder allen bewusst gemacht hat, was für ein tolles Kind er ist. Es war ja mitten in Corona, und alle mussten täglich einen PCR Test über sich ergehen lassen in der ersten Welle. Er war derjenige, der sich um die Neuzugänge gekümmert hat, wenn sie Angst vor dem Stäbchen hatten. Auch er hat da wieder etwas Selbstbewusstsein zurück gewonnen. Dann hat er die Schule noch gewechselt und es ging bergauf.
Zu seinem leiblichen Vater hat er guten Kontakt und ist jedes 2. Wochenende da. Wir haben das Wechselmodell versucht, aber das war natürlich überhaupt nichts für ihn, er braucht klare Abläufe und Struktur. (Auch schwierig teilweise, weil ich glaube, dass er das ADHS von mir hat…)
Zu meinem Mann hatte er von Anfang an eigentlich auch guten Kontakt, bis vor wenigen Monaten. Ich weiß nicht genau, warum das so war, aber gefühlt hat er (der Stiefvater) irgendwie aufgegeben. Mein Sohn hatte ihn sogar gleich am Anfang als „Papa 2“ in seinem Handy gespeichert und viel von ihm gelernt. Bzw. haben beide voneinander gelernt. Zu Beginn war mein Mann z.B. noch so drauf, dass alle bei Tisch während des Essens sitzen bleiben, nicht sprechen und warten, bis alle aufgegessen haben. Das ist jetzt ganz anders. Für den Großen haben wir da praktisch alle Regeln aufgehoben, weil er durch die Medis zu unmöglichen Zeiten Hunger hat, und sitzen bleiben kann er nun mal nicht. Wenn man sich damit arrangiert hat, dann findet man das auch gar nicht mehr schlimm. Die Kleinen (von denen einer auch denselben Vater hat wie der Große, übrigens) profitieren davon auch. Wenn wir Besuch haben oder woanders essen gehen, gelten andere Tischregeln, das wissen sie und das klappt auch total gut.
Das nochmal so zu den Rahmenbedingungen.
Witzigerweise war er ausgerechnet heute, wo ich den Thread in meiner Verzweiflung erstellt habe, verabredet, wenn auch nur virtuell - aber immerhin, zum Zocken. Darüber bin ich ja schon total froh…
Okay, ich versuche jetzt mal einzeln auf alles einzugehen. Sorry, falls der Text sehr lang ist… ich versuche das so gut zusammenzufassen wie es geht, aber ich will ja, vor allem bei den tollen Rückmeldungen, auch ein umfassendes Bild geben.
@Robinie das mit dem Schule hassen hatten wir an der Schule vor der jetzigen. Das ist wirklich richtig blöd, er ist so abgesackt. Bei uns war der Schulwechsel ein großer Segen. Da haben wir echt Glück gehabt. Tut mir leid, dass das bei euch noch ein zusätzliches Thema ist.
Und ja, diese negativen fiesen Gedanken wollen gedacht werden. Das kann ich jetzt gerade auch wieder akzeptieren, ich fühle mich zwar in den Momenten, wo ich sie denke, furchtbar; aber ich kann mir das mittlerweile total gut verzeihen, merke ich, wo ich so drüber nachdenke. Weil, richtig, wir sind ja auch nur Menschen. Keine „Erziehungsroboter“ ohne eigene Bedürfnisse und Grenzen.
@theunfedmind Also, gerade die Perspektive „ohne Kinder, von außen“ finde ich auch sehr interessant. Und du sagst da auch was. Ich glaube auch, dass er unterstimuliert ist irgendwo. Er ist beides zugleich, so kommt es mir vor: total überstimuliert durch die simpelsten Dinge und unterstimuliert, weil er durch das Überstimuliert sein so viel vermeidet. Versteht man, was ich meine? Er hat super viele Interessen und ist total neugierig auf das Leben, muss sich aber gefühlt den halben Tag verkriechen, weil er das alles nicht aushält. Das ist so schwierig und es tut mir immer so für ihn leid. Ich denke, es ist diese sichere Umgebung der Geschwister, die ihn das dann rauslassen lässt. Ja, genau.
Zu den Pfadfindern geht er bereits, das ist die Jugendgruppe, die ich ansprach - leider eben nur 2x im Monat. Und wegen Corona viel runtergeschraubt… da musste ich schon sehr kämpfen dass er da hin geht, jetzt findet er es toll. Aber wehe, ich schlage was anderes vor. Da kommt es vor, dass er eine Woche unter Stress steht, mich nur böse anguckt und nicht mehr richtig mit mir spricht!
Ausflüge aufzuteilen ist ein guter Tipp, ich denke, das könnte wirklich was sein. Das müsste ich mehr machen. Das habe ich tatsächlich zufällig heute ausprobiert (wenn auch eher fast unfreiwillig, weil mein Mann auf dem Zahnfleisch ging) und er war super ausgeglichen, dass ich dachte „Wow!“ Aber das kann ich natürlich nicht jeden Tag leisten, das schaffe ich einfach nicht.
@Falschparker Ich denke auch, ich muss die Medikation nochmal neu besprechen. Bisher bin ich vor 2 Tabletten am Tag total zurück geschreckt. Ich merke durch das Schreiben hier gerade: Es ist genau so wie bei der ersten Tablette! Der Gedanke „Aber er soll doch nicht nur mit Medikamenten funktionieren, je weniger desto besser…“ Aber das ist eben nicht so, das ist doch ein Trugschluss? Das habe ich doch schon mal begriffen? Scheint, als müsste ich da noch mal in mich gehen.
Und eine eigene ADHS-Diagnose strebe ich gerade an (wenn ich es mal schaffe, da anzurufen), mein Lebenslauf ist ein absolutes ADHS-Musterbeispiel…
@Abrissbirne Hm, Rückzug kenne ich bei ihm eher nur dann, wenn es ihm nicht gut geht. Klar, das mag mit der Pubertät anders sein/werden. Aber vom Gefühl her bedrückt ihn gerade was. Nichts konkretes, einfach seine Entwicklungsphase; als wäre da ein Sprung, den er gerade machen muss, aber nicht schafft. Ja, genau. So kommt es mir vor. Und dass er für sein (gleichaltriges) Umfeld anstrengend ist und das merkt - das ist definitv manchmal so. Er merkt das Feedback, er ist da sehr sensibel, ein Blick reicht da aus. Kann dann aber trotzdem nicht anders.
Ich kaufe ihm ab und zu so Erklärbücher für Pubertierende und platziere die irgendwo unauffällig im Haus, die verschwinden dann immer irgendwie Versuche das auf die Weise, weil über solche Themen will er nicht wirklich mit mir reden.
Sport - hm. Also, vom Schulsport schwärmt er immer total und erzählt total viel (so dass ich mich immer schon wundere, ist das wirklich mein Kind? Ich fand das immer furchtbar), aber nachmittags - bloß nicht.
Dabei denke ich eigentlich, dass er das braucht. Eigentlich möchte ich gerne sowas zu ihm sagen wie „Du suchst dir eine sportliche Aktivität Nachmittags, ich mache dir Vorschläge, aber eine Sache wird gemacht.“
Was du über sein Verhältnis zu meinem Mann und dessen leiblichem Kind schreibst - voll ins Schwarze, fürchte ich. Sein Stiefvater gibt sich wirklich Mühe, aber er stößt absolut an seine Grenze, glaube ich zur Zeit. Dazu habe ich ja auch oben schon was geschrieben.
Zum Abschluss dieses Romans nochmal - danke. Ich denke heute kann ich besser schlafen als gestern!