Servus liebe Community,
wahrscheinlich schreibe ich jetzt nur meinen Kummer von der Seele, ohne eine tatsächliche Fragestellung.
Ich hoffe, dass es dennoch in Ordnung ist.
Seit meiner Diagnose habe ich viel über ADHS gelesen und versuche seitdem aktiv in meinem Leben darauf zu achten „neurotypisch“ zu wirken / handeln. Hierfür brauche ich dann aber meist für jeweilige Situationen eine Art Leitfaden: „Wie würden das jetzt andere machen?“ - kurz um ich brauche oft eine Art Absprache oder Hilfestellung/Bestätigung, dass meine Überlegung der Situation entsprechend adäquat ist. Für Entscheidungen brauche ich dementsprechend viel Zeit, wenn ich diese selbst treffen muss. Am lieben würde ich dann jedes Mal weglaufen, oder die Entscheidung abgenommen bekommen (Verantwortung gänzlich abgeben).
Bei Misserfolgen, Fehlentscheidungen, Ungewissheit über Richtigkeit meines Handelns, Kritik oder Äußerungen von Enttäuschung Dritter reagiere ich dann fast wie in einer Art „Shutdown“, wieder würde ich gerne einfach nur weglaufen und im Erdboden versinken und nie wieder zu Tage treten. Sowas geht vor allem im Berufsleben gar nicht. Ich ziehe mich so sehr an o.g. Punkten selbst runter und wünschte dann immer „normal“ zu sein: 1. ich handel ohne großes Grübeln, 2. ich verbuche mein Versagen als „Ist jetzt passiert, ich stehe dazu und richte es.“, 3. ich mache mich nicht über das Maß fertig und lasse es irgendwann auch mal gut sein.
Halt wie alle anderen in meinem Umfeld, die mir das immer sagen: „Chill.“ Kann ich aber nicht. Ich fühle mich unverstanden. Angesprochen reagiert mein Umfeld dann meist „Schieb halt alles auf dein ADHS. Ist ja das einfachste.“
Am liebsten würde ich in meiner neuen Arbeit gleich sagen „Wisst ihr was. Ich habe ADHS und da gestaltet sich bei mir vielleicht mal etwas über drei Ecken.“ Meinem alten Arbeitgeber hatte ich damals noch von einer potenziellen Wahrscheinlichkeit erzählt und zack war ich gekündigt. Daher never ever again.
In meiner neuen Arbeit hatte ich meiner jetzt Ex-Kollegin gesagt, dass ich manchmal etwas verplant bin. Sie hatte mich dann dahingehend total unterstützt. Zeit-Management, Nein-Sagen, Prioritätensetzen. So zu sagen war sie eben mein besagter „Leitfaden“, an dem ich Struktur und Handlungsstrategien lernen / nachmachen konnte.
Sie ist jetzt weg und ich stoße nur noch an meine Grenzen. Ähnlich wie im Privatleben. Ich nehme die Arbeit immer mehr mit Heim. Einmal, weil ich mir in der Arbeit massiv auf die eigenen Finger schauen muss, auf meine Umgebung schauen muss, meine Arbeitsaufträge, Kundschaft, Kollegen, Chef, Kooperationspartner, Projekte, etc. Daheim bin ich dann nur noch k.o. und zweifle zu oft an meinen Handlungen.
Seitdem ich die Diagnose habe, habe ich immer mehr das Gefühl ich mutiere zu meinem eigenen Verwalter, weil mir meine „Andersartigkeit“ immer mehr unter anderen Menschen auffällt. Wie eine Art selbst gesetzte Zwangsjacke. Aber anders scheint es bei mir wirklich nicht zu gehen.
Kurz um kann man wohl sagen ich bin unter anderem oder mehrheitlich von mir selbst angenervt.
Wenn ich Beziehungen habe, sind sie nur kurzlebig, weil irgendwann wird es mir langweilig. Die längste war ca. 4 Jahre und das war eher aus dem Fakt heraus „Diese Beziehung hat zu funktionieren. Ich bin ein normaler Mann wie jeder andere auch. Ich kann eine Beziehung führen.“ Aber irgendwann war „das Gras immer auf der anderen Seite grüner.“. Ich bin nie fremd gegangen, aber irgendwann war der Fokus meist bei einer anderen Frau. Meine letzte Freundin wusste vom ADHS, aber hatte wenig Verständnis, bzw. war damit überfordert. Ich hab mich echt versucht zusammen zu reißen, aber es gab immer mal Ausbrüche. Wir hatten oft gesprochen: Wo stehst du, wo stehe ich? Was brauche ich, was wünsche ich? (gegenseitig). Aber irgendwie kamen wir nie wirklich auf einen Nenner. Und irgendwann folgte die diplomatische Trennung. Weil ich einfach nur noch zurückgezogen lebte und sie das Gefühl hatte sie sei meine Verwalterin. Wozu ich erwähnen muss, dass sie wirklich eine Überordentliche war. So schnell konnte man gar nicht schauen, da war schon alles aufgeräumt und man bekam zu hören „Bei dir wäre das in 100 Lichtjahren nicht passiert.“. Jedenfalls äußerte sie damals dann „Wir führen nur noch eine Art WG.“ Also da hatte ich dann auch gewartet, bis sie die Beziehung beendet oder ich semi das Ende bestätige.
Und das nervt mich auch, ich muss mich zu allem gefühlt zwingen. An sich zu meinem Glück: Haushalt, privater Papierkram, Gesundheit, Freizeit, Arbeit, Beziehungen führen → Ständig die Handlung kontrollieren, am Ball bleiben: „Performen“.
Und ich kann mir ein Leben ehrlich gesagt so nicht vorstellen, weil es sich wie eine Zwangsjacke anfühlt. Aber natürlich auch nicht wie vor meiner Diagnose: Ohne Ziel in den Tag und nur Spaß, Spaß, Spaß, ich mach mir die Regeln selbst, wenn was ist, sind die anderen natürlich die Doofen. Weglaufen ist die beste Lösung. Unreflektiert eben. Geht nicht.